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Roman

Margit Schreiner – Haus, Frauen, Sex

Nähen (c) Rainer Sturm / PIXELIO

Da habe ich mir gedacht: Die Resi ist eine Prinzessin, und eines Tages baue ich ihr ein Haus mit einem Garten und einem Teich in der Mitte. Und im Haus lege ich ihr einen roten Steinboden im Flur. Das habe ich mir damals geschworen, als du schwanger warst mit meinem Sohn.

Margit Schreiner beschreibt in diesem Roman die Trennung eines Paars nach langjähriger Ehe aus der Sicht des verlassenen Mannes. Vieles, was er über seine Frau denkt, scheint seinem eigenen verletzten Ego zu entspringen. Dinge, die er niemals aussprechen würde, wenn seine Frau noch seine Frau wäre, und vor ihm stehen würde. Und das obwohl er selbst beschreibt, was er bereits alles ausgesprochen hat und auch, dass er seine Frau im Affekt geschlagen hat.

Seine eigenen Taten spielt er herunter, alle Fehler werden der Frau zugeschoben, das Funktionieren der Ehe hängt scheinbar allein von ihrem Versagen ab. Er hält sich selbst für fehlerlos und mokiert an seiner Frau über viele Seiten, dass sie nicht imstande ist, den Herd oder eine Holzkommode nach seinen Vorstellungen korrekt zu putzen.

Vieles, was hier zur Sprache kommt, scheint direkt dem männlichen Egodenken entnommen, man wundert sich immer wieder, wie eine Frau zu derartigen Erkenntnissen gelangen kann. Wo die männliche Seele der Frau immer als Buch mit sieben Siegeln erscheint, trotz allem ausgedehnten Analysieren, geht Margit Schreiner hier den Grenzweg zwischen grausamer Wahrheit und übertriebener Fiktion. Das Ergebnis ist ein grausames Charakterportrait, das man gar nicht ernst nehmen will, weil es ein so schmerzhafter Blick in die gekränkte Seele eines verlassenen Mannes zu sein scheint.

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Roman

José Saramago – Die Stadt der Blinden

Spielfiguren symbolisieren Gesellschaft (c) Stephanie Hofschlaeger/PIXELIO

Man kann vorher nie wissen, wozu die Menschen fähig sind, man muss warten, der Zeit Zeit geben, die Zeit bestimmt, die Zeit ist der Partner, der auf der anderen Seite des Tisches spielt und alle Karten des Spiels in der Hand hält, an uns ist es, uns das Spiel des Lebens auszudenken, unseres Lebens.

„Die Stadt der Blinden“ beschreibt eine Utopie. Ein Autofahrer erblindet von einer Sekunde auf die andere. Wie sich schnell herausstellt, ist die unbekannte Krankheit hoch ansteckend und binnen weniger Stunden erblinden immer mehr Menschen. Die Regierung steckt die ersten Erblindeten in Quarantäne, um das Ausbreiten der Krankheit zu verhindern. Wie man sich vorstellen kann, gelingt dies nicht, auch unter den Soldaten, die die Quarantäne bewachen sollen, erblinden immer mehr Personen.

In der Quarantäne zeigen sich Stück für Stück alle gesellschaftlichen Probleme, die sich beim Zusammenleben von vielen Blinden auf engem Raum ergeben. Die Einzige, die noch sehen kann, die Frau des Augenarztes, verbirgt dies, um bei ihrem Mann bleiben zu können und ihm dadurch das Leben zu erleichtern. Mit jedem Tag fällt es ihr schwerer, als Einzige sehen zu können. Negative Charaktereigenschaften treten durch die Blindheit zutage, auch unter den Blinden gibt es schlechte Menschen, die der Hunger und schließlich die nackte Gier zum Äußersten treibt.

Da Saramago seine Dialoge nicht trennt und die Aussagen der verschiedenen Personen oft nur durch Beistriche trennt, fragt man sich immer wieder, wer eigentlich gerade spricht. Es mag sein persönlicher Stil sein, auf die Dauer wird es aber doch etwas anstrengend zu lesen. Und trotzdem gibt diese Art der Sprache, die mehr Gedanken als tatsächlichen Gesprächen ähnelt, dem Gesellschaftsportrait eine Eindringlichkeit, die ohne diesen Stil vielleicht nicht möglich wäre. Eine packende Beschreibung unserer Zivilisation und Gesellschaft, so real, dass man erst recht Angst vor dem tatsächlichen Katastrophenfall bekommt.

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Roman

Robert Menasse – Don Juan de la Mancha

Kerzen (c)Carsten Grunwald/pixelio.de

Wie Professor Poppe in die Reihen der Studenten blickte – ich sah, dass er nichts mehr sah, nur noch eine Gesichterwand, eine Menschenmauer. Er konnte nicht wissen, ob jetzt nicht der Nächste aufsteht, und dann wieder einer. Ja, er hatte Angst.

Dass dieses Buch direkt nach Elementarteilchen am Stapel lag, scheint eine Ironie des Schicksals zu sein. Denn wieder geht es um einen Mann, der keine Liebe empfindet, stets bleiben seine Gefühle ein wankelmütiges Strohfeuer, das sich einer Frau nach der anderen zuwendet. Dabei ist er nicht ganz so unglücklich wie Bruno in Elementarteilchen, aber doch so neben sich, dass er für seine Therapeutin einen schriftlichen Blick in die Vergangenheit wagt.

Dieses Werk liegt nun als Roman vor uns. Die Kündigung stürzt den Protagonisten in diese Depression, die schließlich zu einer intensiven Selbstreflexion führt.

Der Rasen meines Gartens verdorrte. In den Zeitungen und Fernsehnachrichten sprach man von einem Jahrhundertsommer. Ich hatte schon viele Jahrhunderte in Form von Jahrhundertsommern und Jahrhundertfrösten, Jahrhundertstürmen, Jahrhundertgewittern und Jahrhundertüberschwemmungen erlebt, und genauso fühlte ich mich, eine jahrhundertealte Schildkröte, ebenso behindert wie geschützt von einem schweren Panzer.

Bezeichnend für das Dilemma seines Lebens ist eine Geschichte aus der Anfangszeit seiner Tätigkeit in der Leben-Redaktion. Die skurrile Horoskopschreiberin berechnet aus seinen Geburtsdaten sein persönliches Horoskop, findet dort jedoch keine eindeutigen Angaben: „Bist du Grähnzfall.“ Nicht das eine, aber auch noch nicht das andere. So pendelt er in seinem Leben herum, auf der Suche, aber ohne zu wissen, wonach. Und doch gelangt er im Rahmen seiner Selbstreflexion zu Erkenntnissen über das Leben.

Es war nicht Liebe auf den ersten Blick. Na und? Das Schwierigste ist ohnehin der vierte, fünfte, hundertste Blick.

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Essays

Susan Sontag – Über Fotografie

Fotografie Silhouette vor Aquarium (c) Ernst Rose / PIXELIO

Diese Methode kommt insbesondere jenen Touristen entgegen, die zu Hause einer erbarmungslosen Arbeitsethik unterworfen sind – den Deutschen, Japanern, Amerikaner. Die Handhabung einer Kamera dämpft die innere Unruhe, die ständig unter Stress arbeitende Menschen empfinden, wenn sie Urlaub machen und sich nur amüsieren sollen. Aber nun haben sie „etwas zu tun“, das auf angenehme Weise an Arbeit erinnert: sie dürfen fotografieren.

Schuldig im Sinne der Anklage. Susan Sontag untersucht in ihren Essays zum Thema Fotografie sowohl die künstlerischen Strömungen in dieser jungen Kunst als auch die Motive der Fotografen. Dabei nimmt sie nicht nur die kamerabewaffneten Touristen aufs Korn, sondern beweist Sprachwitz in allen Situationen.

Der Fotograf, eine bewaffnete Spielart des einsamen Wanderers, pirscht sich an das großstädtische Inferno heran und durchstreift es – ein voyeuristischer Spaziergänger, der die Stadt als eine Landschaft wollüstiger Extreme entdeckt.

Außerdem geht sie der Frage auf den Grund, ob Fotografie überhaupt Kunst ist und beweist schließlich, warum Fotografie Kunst ist. Sie betrachtet das Verhältnis zwischen Malerei und Fotografie als mythischen Pakt: Durch die wirklichkeitsgetreue Darstellung der Fotografie wurde die Malerei von ihren Fesseln befreit und konnte sich dem höheren Ziel der Abstraktion zuwenden. In weiterer Folge beeinflusste wiederum die Fotografie intensiv das Kunstgeschehen. Jeder kennt die Mona Lisa, aber der Großteil der Menschen hat sie nur auf Fotografien gesehen.

Wiederkehrendes Thema ist die Besitzergreifung durch die Fotografie. Was wir als Bild speichern, glauben wir zu besitzen. Sehen wir ein Bild von einem Ereignis, meinen wir, dabei gewesen zu sein. Ein Foto einer geliebten Person oder eines geliebten Gegenstands kann für uns zum einmaligen Objekt werden. Erinnerungen werden in Bilder projiziert, oft genug sind es falsche Erinnerungen, die die Vergangenheit verklären.

Und kein Instrument, mit Ausnahme der Kamera, ist imstande, solch komplexe, kurzlebige Reaktionen zu registrieren und der ganzen Herrlichkeit des Augenblicks Ausdruck zu verleihen. Keine Hand kann das zum Ausdruck bringen, weil das Gedächtnis nicht imstande ist, die unverfälschte Wahrheit eines Augenblicks so lange festzuhalten, bis die langsamen Finger die Vielzahl der übermittelten Einzelheiten aufzeichnen könnte. (Paul Rosenfeld, aus der angeschlossenen Zitatsammlung)

Auch das Sammeln von Fotografien findet ihre Beachtung. Fotos beleuchten nur kurze Momente eines Lebens, diese werden für immer festgehalten. Für Sontag stellen diese Bilder einen Widerspruch zum Leben an sich dar, während der gemeine Fotosammler meint, das Leben durch diese Standbilder aufzeichnen zu können. Die inflationäre Verwendung der Technik der Fotografie macht die Werke zum Kitsch.

Marx warf der Philosophie vor, sie mache nur den Versuch, die Welt zu verstehen, anstatt zu versuchen, sie zu verändern. Fotografen, die im Sinne des surrealistischen Lebensgefühls arbeiten, weisen lediglich darauf hin, dass es vergeblich ist, die Welt verstehen zu wollen, und schlagen uns stattdessen vor, sie zu sammeln.

Wie Fotografien Geschichten erzählen, erzählen auch Susan Sontags Essays Geschichten zwischen den Zeilen. Wer genau hinsieht, kann tiefe Emotionen und Einblicke gewinnen. Genau wie beim intensiven Betrachten einer Fotografie.

Wenn ich die Geschichte in Worten erzählen könnte, brauchte ich keine Kamera herumzuschleppen. (Lewis W. Hine, aus der angeschlossenen Zitatsammlung)

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Roman

Haruki Murakami – Kafka am Strand

Misstrauische Katze

„Ich verstehe sehr gut, was du fühlst“, sagt er. „Doch darüber musst du selbst nachdenken und befinden. Niemand kann das an deiner Stelle tun. So ist es eben mit der Liebe, junger Kafka. Himmelhoch jauchzend bist du allein, zu Tode betrübt bist du auch allein. Dein Körper und dein Herz müssen es ertragen.“

Der Begleiter meines unfreiwilligen Tagesaufenthalts am Pariser Flughafen Orly. In diesen Stunden hab ich nur das erste Drittel dieses Buchs geschafft, aber danach konnte ich es beinahe nicht mehr aus der Hand legen. Verflochten sind die Geschichten des 15-jährigen Kafka Tamura und des alten Nakata. Obwohl zwischen den beiden hauptsächlich Gegensätze bestehen, verbindet sie eine seltsame  Fügung des Schicksals.

Kafka verlässt sein Zuhause, um vor seinem Vater und dem Ödipus-Fluch, den dieser ihm auferlegt hat, zu fliehen. Seine Reise nach Takamatsu ist nur die erste Station einer Entwicklung. Sein Weg führt ihn in die Komura-Gedächtnisbibliothek, wo er sich in eine Frau verliebt, die im buchstäblichen Sinn seine Mutter sein könnte. Erst langsam werden die Verbindungen enthüllt.

„Das heißt, wenn du im Wald bist, wirst du nahtlos zu einem Teil des Waldes. Wenn du im Regen stehst, wirst du Teil des Regens. Wenn es morgen ist, wirst du Teil des Morgens. Wenn du mit mir zusammen bist, wirst du ein Teil von mir. So eben. Einfach ausgedrückt.“

Mit fortschreitender Handlung gerät die Geschichte immer mehr ins Reich der Fantasie. Nakatas Kampf mit dem Katzenmörder Johnnie Walker scheint einem noch eine bizarre Episode oder ein Traum zu sein, auch, dass Nakata mit Katzen sprechen kann, wird eher als Spleen verbucht. Mit der Zeit muss der Leser jedoch erkennen, dass dies nur der Einstieg in diese andere Welt neben der Welt darstellt. Auch Nakata macht sich auf den Weg nach Takamatsu, er und Kafka treffen jedoch niemals aufeinander.

Sie sieht hinunter auf die Tasse, die sie mit beiden Händen umschlossen hält. „Nein, leider werde ich nicht mehr da sein.“ – „Aber was willst du dann, dass ich dort mache?“ – „Insbesondere eines.“ Sie hebt den Kopf und sieht mir in die Augen. „Ich will, dass du dich an mich erinnerst. Solange du dich an mich erinnerst, können mich alle anderen ruhig vergessen.“

Kafka lernt auf seinem Weg nicht nur einiges über die Liebe und Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Sein Begleiter Oshima gibt allerlei Weisheiten mit auf den Weg. Und auch Hoshino, der Nakata auf seinem Weg begleitet, erkennt seine Fehler und lässt sich zum Besseren belehren. Wie seine Erkenntnis voranschreitet, ist beinahe noch interessanter, da Nakata seine Weisheit nicht mit Worten sondern mit Taten mitteilt.

„Wir alle verlieren ständig Dinge, die uns wichtig sind“, sagt er, nachdem das Klingeln aufgehört hat. „Wichtige Gelegenheiten und nachdem das Klingeln aufgehört hat. „Wichtige Gelegenheiten und Möglichkeiten, oder unwiederbringliche Gefühle. Das mach das Leben aus. Aber in unserem Kopf – oder vielleicht sogar der Kopf selbst – ist ein kleines Zimmer, in dem diese Dinge als Erinnerungen aufbewahrt bleiben. Ein Zimmer wie unsere Bibliothek. Und um über unseren genauen geistigen Zustand auf dem Laufenden zu sein, müssen wir die Karteikarten in diesem Zimmer ständig ergänzen. Wir müssen es reinigen, lüften und das Blumenwasser wechseln. Anders ausgedrückt, man lebt auf Ewigkeit in seiner eigenen Bibliothek.“

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Roman

Hermann Kant – Kino

Hamburg

Nicht bei Daniel Wischer! Ein Waffenschein reichte nicht, Gesundheitsbescheinigungen müssten her. Atteste wären gefragt, brauchten aber Zeit, weil Tests benötigt würden. So penibel die einen an den schwarzrotgoldgestreiften Pfählen wachten, so penibel verhielten sich die anderen, wenn es zu bestimmen galt, wer im blauweißgestreiften Kittel an den Goldbarsch durfte. Oder an die Hummersuppe. Kurz und gut, die Grenzbeamtin Anni hatte, wenn überhaupt, eher über lang als über kurz zum Doppelamt als Krebsbouillon-Ausgießerin und Sicherheitskraft kommen können.

An diesem (symbolischen) Wälzer hätte ich mir beinahe die Zähne ausgebissen. Tatsächlich habe ich nicht seit dem letzten Post daran gelesen, aber trotz allem brauchte es einige Zeit. Am ersten Zitat kann man schon den Erzählstil von Hermann Kant nachvollziehen, seine Schachtelsätze suchen ihresgleichen. Da braucht es Konzentration, um am Ende des Absatzes noch zu wissen, wie er angefangen hat.

In seinen ausführlichen Beschreibungen Beschreibungen der handelnden Personen geht auch die äußerst langsam fortschreitende Handlung immer wieder verloren. Wer sich jedoch in den sprachlichen Spitzfindigkeiten verliert, kann auf die tatsächliche Enthüllung, worauf eigentlich alles hinausläuft, auch bis zum Ende warten.

Es kann schon sein, dass wir im Alter Fremde waren. In der Jugend aber sind wir für lange Zeit wirklich unzertrennliche Freunde gewesen. Sie las weniger und andere Bücher als ich und wollte von denen, die gelesen hatte, nur in ausgewählten Teilen hören. In sehr, sehr ausgewählten Teilen. …  An Karl Mays Gesamtwerk, das ich ihr nahezubringen suchte, interessierte sie außer Hadschi Halef Omars vollständigem Namen nichts.

Symptomatisch ist die Beschreibung der Beziehung zur Schwester (siehe Zitat). Während die Menschen an dem scheinbar Obdachlosen im Schlafsack vorbeiziehen, hängt dieser seinen Gedanken nach und enthüllt dabei so manche schräge Parallele. Betrachtungen zu den Themen Familie, Geld, Wohltätigkeit und Gesellschaft im Allgemeinen in erschöpfender Form, die beim längeren Lesen auch entsprechend erschöpfen. Nichts für die nächtliche Heimfahrt im Zug, weil erhöhte Einschlafgefahr besteht. Fazit: Konzentration erforderlich.

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Klassiker Roman

George Orwell – 1984

Viele, die 1984 im Rahmen des Deutschunterrichts lesen müssen, können den Inhalt wohl nicht in seiner ganzen Form erfassen. Und doch lässt sich aus dem Buch etwas Elementares lernen, wenn man sich die Mühe nimmt, die dargestellte Welt und deren Praktiken mit dem aktuellen Leben zu vergleichen.

Winston lebt in dieser Welt, die vom Großen Bruder überwacht, von der Partei kontrolliert wird. In ihm lebt der Glaube an eine Vergangenheit, in der alle Menschen (nicht nur die niederen Proles) frei waren. Er arbeitet im Wahrheitsmuseum und fälscht beruflich die Vergangenheit. Der Leser schöpft Hoffnung, als Winston mit Julia zusammentrifft, die ebenfalls rebellische Ansätze zeigt (wenn auch deutlich weniger politisch als Winston).
Die beiden glauben schließlich in O’Brien ein Mitglied der Untergrundaktion gegen die Partei gefunden zu haben. Tatsächlich werden sie bald verhaftet und müssen sich nun den Folterungen ergeben. Bis zum letzten Moment erhofft man Rettung für Winston, doch diese kommt nicht. Letztendlich wird seine Persönlichkeit gebrochen.

Erschreckend ist es, wie deutlich Orwell beschreibt, dass der menschliche Geist einem solchen Druck nicht stand halten kann.
Beunruhigend ist auch die Fälschung der Vergangenheit. In einer Zeit, in der der Holocaust von manchen Menschen noch immer geleugnet wird, erhält dieses Buch eine erschreckende Aktualität (immerhin wurde es vor über 61 Jahren geschrieben).

Es hat einen Grund, warum dieses Buch noch immer auf den Leselisten der Schulen steht. Allen Schülern sei gesagt: Eines der besten Bücher, die ihr zum Referat erwischen könnt. Klare Message, ab dem zweiten Drittel reichlich spannend zu lesen.

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Klassiker Roman

Honoré de Balzac – Verlorene Illusionen

Ein ganz schöner Schmöker, den der gute Balzac da fabriziert habe. Je mehr von diesen “alten” Romanen ich zur Hand nehme, um so mehr fällt mir auf, dass vieles, was heutzutage geschrieben wird, einfach Schrott ist.

Verlorene Illusionen erzählt die Geschichte von Lucien, einem glücklosen jungen Mann, der durch seinen Ehrgeiz und seine Genusssucht seine geliebte Familie in Verzweiflung und tiefe Geldnot stürzt. Aus der Provinz der Liebe wegen nach Paris gereist, erfährt er dort Enttäuschungen, Erfolge und Intrigen.

Als er gebrochen und ohne ein Stück Geld in der Tasche nach Hause kehrt, erfährt er erst, was er angerichtet hat und in welchen Problemen seine Schwester und ihr Mann, ehemals Luciens bester Freund, stecken.

Etwa auf Seite 720 meint man den klassischen Deus ex machina auftauchen zu sehen, doch einige Seiten später stellt sich heraus, dass diese Rettung zu spät kommt, gerettet werden die guten Menschen Eve und David jedoch trotzdem. Der geizige Vater stirbt und die beiden können ein glückliches zurückgezogenes Leben mit dem Erbe führen, während Luciens Schicksal in der Fremde ungewiss ist.

Fazit: Ein großer Roman, auf den man sich einlassen muss, denn die durchaus enthaltenen Längen muss man durchstehen, um schließlich zum befriedigenden Ende zu gelangen.

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Klassiker Roman

Jane Austen – Gefühl und Verstand

So sehr mich Jane Eyre gefesselt hat, so sehr hat mich Gefühl und Verstand gelangweilt. Die Beschreibungen der Liebesaffären der Schwestern Elinor und Marianne sind so trocken, dass man sie mit Pudding schmieren müsste, um dabei irgendwas zu empfinden.

Aus heutiger Sicht erscheinen einem die damalige Praxis und die Gesellschaft und die Skrupel bei der Beziehungsanbahnung ziemlich seltsam (was umgekehrt sicher auch zutrifft). Leider kann ich dazu kaum was Positives sagen. Es war langweilig.

 

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Sachbuch

Erik Möller – Die heimliche Medienrevolution

Viel gibt es zu sagen zu diesem Werk, daher der Versuch einer übersichtlichen Struktur (ohne Anspruch auf Sinn und Vollständigkeit der Reihenfolge):

1. Im ersten Kapitel geht Möller auf die Geschichte der Medien von der Entwicklung der Schrift bis zum heutigen Status ein, allerdings nur oberflächlich. Wer sich bereits ein bißchen mit Medientheorie beschäftigt hat, wird hier nichts neues finden und kann dieses Kapitel auch überspringen.
Interessant wird es erst, wenn Möller sich mit den Vorläufern des WWW beschäftigt:
So erinnert Memex letztlich an modernen Hypertext, doch wer das System schlicht als einen Vorläufr des World Wide Web betrachtet, denkt nicht weit genug. Denn das Web wird von den meisten Nutzern nur passiv konsumiert. 

Und damit ist Möller schon bei seinem zentralen Thema: Seine Leser für das “Mitmachweb” zu begeistern. Aber davon später mehr.

2. Im Abschnitt, der sich mit freier Software beschäftigt, erläutert Möller ausführlich die Entwicklungsgeschichte freier Software, speziell der Entwicklung unterschiedlicher Linuxdistributionen. Auch dabei geht er leider nur soweit ins Detail, dass interessierten Laien das Meiste bereits bekannt sein sollte.
Weiters verbreitet er sich über die Lizenzen, die freier Software zugrunde gelegt werden können und hält ein flammendes Plädoyer für freie Software und gegen den allgegenwärtigen Giganten Microsoft.
Was mich zu der Frage bringt, warum der Befürworter von freien Inhalten sein eigenes Buch NICHT unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Man lese dazu die äußerst detaillierten Copyright-Bestimmungen:
Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

3. Weiter geht es mit Blogs und Wikipedia. Es sei gesagt, dass es sich bei dem mir vorliegenden Werk um die 2. Auflage 2006 handelt, inwiefern Aktualisierungen zur ersten Auflage vorgenommen wurden, kann ich nicht beurteilen.
Jedoch folgender Texte dürfte wohl angesichts des Youtube-Erfolges (Youtube wird überhaupt nicht erwähnt) bereits 2006 nicht mehr aktuell gewesen sein:
Es bleibt abzuwarten, ob im schönen neuen Video-Web Inhalte von unten eine ähnlich große Rolle spielen werden wie in der Welt von Text, Audio und, gerne vernachlässigt, Fotos.

Auch das Audio-Podcasting wird in diesem Kapitel nur kurz angeschnitten, die Bedeutung dieser Technologien wird von Möller offensichtlich unterschätzt.

4. Für bedenklich halte ich Herrn Möllers Einstellung zum Thema Datenschutz. Zum Abschluss des Buches versucht er, einen Ausblick in die Zukunft zu formulieren:
Stellen Sie sich ein Gerät vor, das Ihnen Personen in Ihrer Nähe zeigt, die Sie kennen lernen sollten – und das diesen Personen das Gleiche signalisiert (natürlich nur, wenn beide Personen Interesse und Zeit haben). Die typischen Barrieren für den ersten Kontakt können so überwunden werden.

Es fällt mir schwer, tatsächlich alle beängstigenden Auswirkungen eines solchen Geräts auszumalen, jedoch zeigt dieses Statement deutlich auf, dass sich Möller offensichtlich keinerlei Gedanken über Privatsphäre macht, die uns das Web 2.0 ohnehin unauffällig stiehlt. Wollen wir wirklich eine Welt, in der man als Außenseiter gilt, wenn man nicht bei dieser oder jener Community dabei ist? (in Schulen ist das bereits heute Realität, wo ganze Klassen beispielsweise im studivz dabei sind).

5. Hierzu sei auch noch sein Appell auf der letzten Seite erwähnt:
Schaffen Sie ihren Fernseher ab und informieren Sie sich aus dem Internet.

<ironie>Denn alles, was im Internet steht ist wahr, genauso wie alles, was im Fernsehen kommt, unwahr ist.</ironie> Mehr gibt es dazu wohl nicht zu sagen.

6. Weiters möchte ich anregen, dass ein umfangreicheres Glossar die Lesbarkeit erheblich erhöhen würde. Immer wieder werden im Text Technologien erklärt, die den meisten Lesern ohnehin bekannt sein dürften. Diese könnte man ohne Weiteres in einem umfangreichen Glossar zusammenfassen und müsste nicht ständig im Text Abkürzungen und Technologien erläutern.

Trotz allem lässt sich sagen, dass Möller das Web 2.0 aus einem interessanten Blickwinkel darstellt, man sollte seine Einstellung zu diesem Thema jedoch dringend kritisch hinterfragen und nicht unüberlegt in seine Hochrufe einstimmen.