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Roman

Sonia Laredo – Das Glück der Worte

Denn um aus meinem Leben ein Kunstwerk zu machen, muss ich meine Fehler bewusst korrigieren und aus ihnen lernen. Obwohl ich manchmal denke, dass es ganz angenehm sein kann, auch mal den Mut zu verlieren.

Wieder ein Buch, das zu großen Teilen in einer Buchhandlung spielt (zuletzt Mr. Penumbra’s 24-hour book store) mit einer Protagonistin, die (zu Beginn) nur ihre Bücher liebt. Außerdem spielt das Buch in Spanien, also insgesamt keine allzu schlechte Ausgangsposition. Trotzdem driftete mir das Buch teilweise zu sehr ins unrealistisch Märchenhafte ab. Der blumige Schreibstil spricht mich an und macht mich dann teilweise sprachlos ob der kompletten Abgehobenheit von der Realität.

Das Leben bietet verschiedene Möglichkeiten, völlig unterschiedliche Wege; und der Weg, für den man sich entscheidet, führt einen in einen ganz bestimmten Hafen.

Die Geschichte spielt im Heute. Die Protagonistin Brianda verliert ihren Job als Lektorin in Madrid und bricht ohne groß nachzudenken (!) ihre Zelte ab, um aufs Land zu fahren. Sie landet in einem idyllischen Dorf am Jakobsweg, wo ein Buchhändler, der sich zur Ruhe setzen will, einen Nachfolger für sein Geschäft sucht. Er nimmt Brianda bei sich auf, gibt ihr jedoch die Auflage, dass sie erst den in der Buchhandlung versteckten Schatz (!) finden muss, bevor sie seine Nachfolgerin werden kann. Als Brianda ihren Mietwagen in der nächstgelegenen Stadt zurückgeben möchte, landet sie in einem Sturm und schließlich mit einem fremden Mann in einer Blockhütte. Die spröde Brianda lässt sich verführen (!) und wird natürlich schwanger. Natürlich bleibt es nicht bei dieser Begegnung. Der Fremde lebt in Nuba und ist mit einer Verrückten verheiratet. Verrückt geworden aufgrund des Verlustes des gemeinsamen Sohnes, wie man sich in der Stadt erzählt.

Es gibt Dinge, die nicht in unserer Macht stehen. Wunder können wir nur bei uns selbst bewirken, nicht bei anderen … Manchmal sind die anderen wie der Mond. Auch wenn sie viel näher sind, können wir sie dennoch nicht berühren.

Stück für Stück deckt Brianda die Geschichte auf. Naiv kauft sie das Haus, in dem der Junge ertrunken sein soll. Die Schwangerschaft nimmt sie stoisch zur Kenntnis, obwohl ihr Auskommen in kleinster Weise gesichert ist und das Kind keinen Vater haben wird, obwohl dieser in nächster Umgebung lebt (!). Ihre Schwangerschaft macht Brianda zum Zielobjekt der verrückten Ehefrau. Briandas passive Art lässt sie sehenden Auges ins Unglück laufen.

Nach meinem Empfinden krankt die Geschichte am Konflikt, ein modernes Märchen sein zu wollen. Brianda zweifelt nicht, hinterfragt nicht, so viele Erkenntnisse scheinen vorhersehbar und erst das überraschende Finale zeigt, dass doch etwas mehr hinter der Geschichte steckt. So weit könnte ein ungeduldiger Leser aber vielleicht nie kommen.

Musikalische Randnotiz: Kürzlich flog mir wieder eine erfreuliche Album-Neuveröffentlichung zu. Vertical Horizon hatte ich leidenschaftlich gehört, zum Beispiel finden sich You’re a god und I’m still here auf meinen Favourites-Alben. Das neue Album Echoes from the underground kann nach mehrmaligem Hören mit den Favourites nicht ganz mithalten, macht mir aber trotzdem so große Freude, dass ich aufpassen muss, mit den Podcasts nicht völlig ins Hintertreffen zu geraten. Es wird Zeit für den Frühling. Urlaub wäre auch nicht schlecht.

Reading Challenge: A book by a female author

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English Roman

James Salter – All That Is

He loved her for not only what she was but what she might be, the idea that she might be otherwise did not occur to him or did not matter. Why would it occur? When you love you see a future according to your dreams.

Ohne wirkliche Kaufabsicht spazierte ich zum Zeitvertreib am Flughafen Hamburg vor dem Rückflug in die Buchhandlung. Die Frauenromane, die Fantasyromane, nichts konnte mich interessieren, doch schließlich stand ich vor dem Regal mit englischsprachigen Büchern und damit war mein Interesse geweckt. Mitch Albom hat sich als im Original angenehmer zu lesen erwiesen, beim Stundenzähler hatte ich mich eher gelangweilt (obwohl es auch an der Geschichte gelegen haben mag). Außerdem hatte mich der Titel All That Is angesprungen. Er klingt deterministisch, endgültig, man möchte wissen, was denn nun alles ist. Endgültig zum Kauf überzeugt hatte mich dann die John Irving Review auf dem rückseitigen Cover.

Die Erwartungen wurden teilweise erfüllt. Die Hauptfigur Philip Bowman hat auf einem amerikanischen Kriegsschiff in der japanischen See gedient. Er kehrt zurück nach Amerika und versucht, sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken, einen Job zu finden, zu heiraten. Seine erste Ehe erweist sich als Fehler, hier sieht der Leser den Protagonisten ins Unglück rennen. Immer wieder erzählt der Autor die Geschichten von Personen, die mit Philip Bowman irgendwie in Kontakt stehen. Auch in diesen Nebenhandlungen sehen wir zumeist traurige, einsame Menschen, die Verluste erleiden müssen und sich davon mehr oder weniger erholen.

Irgendwie konnte ich für Philip Bowman keine Sympathie entwickeln. Weder als naiver junger Mann, noch als abgeklärter, desillusionierter Dandy tut er mir in seinem Unglück leid. Vielleicht war mir hier die englische Sprache im Weg und ich konnte deshalb die emotionalen Höhepunkte nicht ausreichend wahrnehmen.

Das erste Buch des Jahres. Wenn es so weitergeht, schaut das schlecht aus für die 2015 Reading Challenge.

Reading Challenge: A book set in a different country

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Roman

Kristin Harmel – Solange am Himmel Sterne stehen

Ich rieche backendes Brot, sich färbendes Herbstlaub und einen schwachen Geruch von Feuer, während ich durch die Straßen gehe, und ich atme tief durch, denn es ist eine Mischung, die ich nicht gewohnt bin. Kleine Torbögen, Fahrräder, die an Steinmauern lehnen, und fast versteckte, umzäunte Gärten rufen mir in Erinnerung, dass ich an einem Ort bin, der mir fremd ist, aber irgendetwas an Paris kommt mir dennoch sehr vertraut vor.

Poetisch, mitreißend, eine Liebesgeschichte, eigentlich sogar mehr als eine, eine starke, an sich selbst zweifelnde, weibliche Heldin. Trotzdem kein dummes Frauenbuch.

Eine auch nur ansatzweise Nacherzählung würde zu weit führen, so unheimlich weit verzweigt sind die Familienverhältnisse und Geschehnisse, die die Autorin in ihrem Roman Stück für Stück enthüllt. Eine alte Frau leidet unter Alzheimer. Ihre Vergangenheit im zweiten Weltkrieg hat sie bisher für sich behalten, nicht mal ihre Enkeltochter und ihre Urenkelin wissen, dass sie einer jüdischen Familie in Paris mit polnischen Wurzeln entstammt. An einem guten Tag kehrt ihr Gedächtnis zurück und sie bittet ihre Enkelin, nach den lange vermissten Verwandten zu suchen.

Durch die ganze Geschichte weht stets der Duft von Gebäck. Zwischen den Kapiteln finden sich Rezepte für traditionelle polnisch-jüdische, aber auch muslimische Gebäckstücke, die Rose aus ihrer Zeit aus Paris mitgebracht hat. Freundschaft und Liebe entfalten sich kontinuierlich. Mit dem Aufdecken der Vergangenheit verbessert sich auch die angespannte Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Enthalten ist auch ein feinfühliges Porträt einer Jugendlichen, die unter der Scheidung ihrer Eltern leidet.

Ein nach Zimt und Zuckerguss duftender Wohlfühlroman mit ernsthaftem Hintergrund. Gut recherchiert, vielleicht eine Spur zu optimistisch, manche Wendungen vorhersehbar, aber doch so angenehm zu lesen, dass der Winter für ein paar Stunden etwas wärmer wird.

„…, du kannst nicht dein Leben lang nach allen Regeln leben und immer nur das tun, was andere Leute von dir erwarten, ohne an dich selbst zudenken, okay? Dann wachst du nämlich eines Tages mit achtzig oder so auf und begreifst, dass das Leben an dir vorbeigegangen ist.“

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Roman

Lilian Faschinger – Stadt der Verlierer

Ich imitierte die Gesten der Gläubigen, so wie ich sie als Kind imitiert hatte, wenn ich mit den Adoptiveltern und Silvia am Sonntag den Gottesdienst besuchte. Vielleicht würde ich hier etwas fühlen.

Gekauft hatte ich mir dieses Buch ursprünglich, weil ich es als Teil des Literaturcaches AL024 – LF vermutete. Literatur und Geocaching, das hätte eigentlich die perfekte Kombination für mich sein müssen, dachte ich. Inzwischen habe ich die Literaturcaches aufgegeben, weil ich befürchte, dass die langwierige Recherche dazu führt, dass mir die Caches vor der Nase weg archiviert werden.

Diesen in Wien spielenden Roman kann ich dennoch empfehlen. Zu Beginn konnte ich nicht recht reinkommen, ich hatte das Buch sogar für Monate weg gelegt, weil mir die Hauptfigur Matthias Karner so unsympathisch war. Unsympathisch zu recht. Es stellt sich Stück für Stück heraus, dass dieser Matthias Karner nicht nur ein Taugenichts ist, er spielt mit allen Menschen in seiner Umgebung und nutzt sie aus, sobald er irgendeine Möglichkeit dafür sieht. Als Nebenfigur fungiert die Detektivin Emma. Matthias Mutter beauftragt sie, ihren Sohn, den sie als Baby zur Adoption freigeben musste, zu finden. Emma erfüllt ihren Auftrag und lebt ihre eigenen Probleme. Doch Matthias Konfrontation mit seiner leiblichen Mutter stürzt Matthias in eine Krise. Als er von seinem Zwillingsbruder erfährt, den seine Mutter behalten und aufgezogen hat, wirft ihn dies endgültig aus der Bahn. Er dringt in das Leben seines Bruders ein und wirft alle familiären Gefühle über Bord.

Immer wieder schön sind die Beschreibungen des Wiener Lebensgefühls, ein Kleinod, das man in modernen Roman selten so findet. Die Morbidität, die Verlorenheit der Figuren, die unausweichliche Katastrophe, gepaart mit vielen bekannten Wiener Locations wie etwa dem Heurigen Zawodsky – all das charakterisiert die Stadt und sorgt für ein grandioses Lesevergnügen – sobald man es über die ersten Kapitel geschafft hat.

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Roman

Sara Gruen – Das Affenhaus

Von Sara Gruen hatte ich 2011 begeistert Wasser für die Elefanten gelesen, später auch den Film gesehen, der nach meinem Gefühl den Zirkuszauber des Buches nicht ganz einfangen konnte. Ähnlich ging es mir mit dem Affenhaus.

Hauptpersonen sind der Journalist John Thigpen und die Forscherin Isabel Duncan. Kurz nach Johns Besuch bei Isabel und ihrer Bonobo-Familie wird deren Forschungslabor (erforscht werden die Sprachfähigkeiten der Bonobos) in die Luft gesprengt und Isabel selbst schwer verletzt. Noch während Isabel im Krankenhaus liegt, werden die Affen an einen geheimen Investor verkauft. Wochen später tauchen sie in einer Reality Show namens Affenhaus wieder auf. Isabel versucht gemeinsam mit ihrer Assistentin Celia, die Affen aus dem Haus zu befreien. Auch John Thigpen ist hinter den Affen her, um die Hintergründe aufzudecken und landet schließlich auch wenig überraschend den großen Coup.

Achtung, es folgt ein Spoiler. Es ist mir in diesem Fall nicht möglich, meine Meinung zu diesem Buch zu beschreiben, ohne massiv die Entwicklung vorwegzunehmen.

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Die Autorin hat erfolgreich der Versuchung widerstanden, Isabel und John zu einem Liebespaar werden zu lassen. Die zarten Annäherungen bleiben es auch, obwohl Isabel sich von ihrem Verlobten trennt und John mit seiner Frau Amanda einige Krisen durchzustehen hat, bleibt die naheliegende Liebesaffäre aus. Damit hebt sich das Buch neben der gut recherchierten Geschichte der Sprachforschung mit Affen erfrischend von klassischer Frauen-Liebes-Literatur ab.

Dagegen spricht jedoch die eingestreute Episode, in der John meint, ein 17-jähriger Junge mit seltenem Nachnamen entspränge möglicherweise einer betrunkenen Jugend-Episode mit einer Frau desselben Nachnamens. Das ist wiederum so weit hergeholt, dass man John für diese lächerliche Aktion einen Polster an den Kopf schmeißen möchte. Da sich die anschließende darauf basierende Eifersuchtsepisode so schnell auflöst und auch problemlos rein auf Johns Bekanntschaft mit der Stripperin Ivanka beruhen hätte können, wäre dieser „Seitensprung“ verzichtbar gewesen.

Im Ganzen kann ich das Buch trotzdem nur empfehlen. Nach meinem Empfinden kommt es an Wasser für die Elefanten nicht heran, jedoch spürt man in vielen Szenen dieselbe Herkunft. Gerade die Nebenhandlungen und -figuren sind ebenso detailreich gezeichnet und mit ausgeprägten Charaktereigenschaften versehen, die nicht nur vorhersagbar sind. Gleiches gilt für die Affenfamilie, die in Gebärdensprache mit ihren Betreuern kommunizieren. Angenehmes Lesevergnügen.

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Jugend Roman

Barry Jonsberg – Das Blubbern von Glück

Ich fragte Erdferkel-Fisch um Rat hinsichtlich des Umgangs mit Wasser, denn Seekrankheit zu vermeiden, muss zu ihren Spezialgebieten gehören. Ihr war jedoch nicht nach Kommunikation, sodass ich keine Antwort erhielt.

Nach dieser Lektüre muss ich sagen: wenn auch nur ein winziger Anteil der Jugendbücher so gut sind wie dieses, sollte ich mich mehr in dieser Abteilung umsehen. Eine überzeugende Kurzrezension hatte mich zu diesem Werk greifen lassen, es soll ein Weihnachtsgeschenk für das Patenkind sein. Zum Glück hatte ich die Zeit, es vorher selbst zu lesen, weil dieses Vernügen ist gerade in der kalten, stressigen Weihnachtszeit absolut unverzichtbar.

Heldin ist die zwölfjährige Candice Phee. Sie ist seltsam und weiß das auch selbst, hat aber keinerlei Probleme damit (dieses Selbstbewusstsein hätten wir wohl alle gern). Candice’ Familie ist zerrüttet. Ihre Schwester starb am plötzlichen Kindstod, ihre Mutter hat sich davon niemals erholt und leidet an unbehandelten Depressionen. Ihr Vater ist mit ihrem reichen Onkel Brian wegen eines Patents zerstritten. Aber Candice will alles ins Reine bringen und nimmt dabei so manches Risiko auf sich. Von allen ihren Abenteuern berichtet sie ihrer („vermeintlichen“) amerikanischen Brieffreundin Denille (für deren ausbleibende Antworten Candice stets neue Entschuldigungen erfindet).

Jede Figur in diesem Buch ist so sorgfältig charakterisiert, wie man es selten in einem Roman für Erwachsene findet. Candice nimmt Anteil am Leben all ihrer Mitmenschen. Ihre Lehrerin mit dem Kullerauge (Candice empfiehlt ihr eine Augenklappe, um vom Kullerauge abzulenken), ihr Freund Douglas (aus einer anderen Dimension) sowie dessen Faksimile-Eltern und schließlich die Klassenzicke, die sich von Candice’ ungebrochenem Optimismus überrumpeln lässt.

Jetzt erwarte ich mit Spannung das Feedback des Patenkindes, um meine Meinung mit einer Stimme aus der Zielgruppe abzugleichen. Vorerst: meine uneingeschränkte Empfehlung für alle Altersgruppen.

Außerdem wurde heute das neue Quietdrive-Album The Ghost of What You Used to Be veröffentlicht. Nicht nur das Cover Art gefällt mir sehr gut, auch die Songs machen uneingeschränkt glücklich. Zum Reinhören: Without my hands.

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Roman

Rocko Schamoni – Tag der geschlossenen Tür

Nach ein paar Metern bleibt die Tüte liegen, also bleibe ich ebenfalls stehen und schaue mich verschämt um. Wie kann man nur so planlos sein? Schuld baut sich in mir auf. Schuld wegen meiner Antriebslosigkeit, meiner Unentschlossenheit, meiner Ausgeliefertsein. Schuld wegen meiner Schwäche.

Antriebslosigkeit. Das trifft es im Prinzip ziemlich gut. In diesem Absatz auf Seite 8 des Buches folgt der Protagonist Michael Sonntag (schon wieder ein Wochentagsnachname, siehe Guy Montag in Fahrenheit 451) einer herumwirbelnden Plastiktüte – American Beauty lässt grüßen.

Ich werde versuchen, niemals so schicksalsergeben zu sein. Lieber kämpfe ich bis zum letzten Augenblick gegen die Vorbestimmung an, um das Leben selbst in der Hand zu behalten. Auch wenn das mein Schicksal sein sollte.

Wie kann man überhaupt gegen die Vorbestimmung ankämpfen? Egal, was man tut, wenn man an Vorbestimmung glaubt, lässt sich immer argumentieren, was man gemacht hat, wäre vorbestimmt, auch wenn man glaubt, eigentlich das andere gemacht zu haben. Zu philosophisch. Michael Sonntag also lebt offenbar rein von einer Kolumne für ein städtisches Blatt, eine andere ernsthafte Arbeit verrichtet er nicht. Stattdessen lebt er in den Tag hinein, gibt sich als Museumswärter aus, schmachtet eine Verkäuferin an, ärgert sich über dies und das. Er weiß zwar im Großen und Ganzen, was er nicht will, aber sonst eigentlich nichts. (Merkt man, dass er mir unsympathisch ist?)

Ich frage mich, wer von denen, die ich kannte, seinen Träumen nähergekommen ist. Kenne ich jemanden, dessen Vorstellungen von sich selbst wahr geworden sind? Der ein klares Bild von sich und seinen Zielen hatte und dieses Bild auch einlösen konnte?

Die Selbstreflexionen haben mich dann doch immer wieder so reingezogen, dass es mich fast ärgert, das zuzugeben. Antworten? Fehlanzeige. Nur immer neue Fragen, als ob man sich als grüblerisch veranlagter Mensch nicht schon selbst täglich mit genug Fragen herumzuschlagen hätte.

Jede Satire ist überflüssig, die Welt ist so mies, die Menschheit so kaputt, dass dem Ganzen eigentlich nichts mehr hinzuzufügen ist.

Auch die Nebenfiguren, der Nachbar (und später Mitbewohner) Bob, der Freund/Bekannte (?) Novak, die vermeintliche Hure Nora scheinen herumzuflattern wie die oben beschriebene Plastiktüte. Jobs, Beziehungen, Lebensinhalte, alles ist flüchtig.

Auf dem Klappentext jubelt die Berliner Zeitung: „Ein literarisches Gegenstück zur Leistungsgesellschaft.“ So wird es wohl gemeint sein.

RANDNOTIZ: So eine Telefonzelle will ich auch.

ERGÄNZUNG: Gibt es auch in Wien! Sogar mit Geocache!

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Roman

Ela Angerer – Bis ich 21 war

Meine Eltern haben nie ein Boot besessen. Die Szene auf dem Foto sieht nach Glück aus. Nach dem Glück fremder Leute, bei denen wir zu Gast sind.

Über ein Interview im Wiener-Magazin war mir dieses Buch aufgefallen, natürlich habe ich wieder mal kein genaues Zitat parat, aber in meiner Erinnerung warf das Interview die Frage auf, was der Beweggrund der Autorin war, eine derartige Kindheit in einem autobiografischen Roman zu thematisieren. Über den Inhalt wurde nicht viel verraten, geheimnisvoll, perfekte Werbung irgendwie.

Die Ich-Erzählerin beschreibt ihre Kindheit mit einer desinteressierten Mutter, die einen reichen Cadillac-Fahrer heiratet und fortan nur noch an ihren Pelzmänteln und Bridge-Turnieren hängt. Die Erzählerin und ihre Schwester wachsen unter Hausangestellten, Dienstboten und Kindermädchen in einem Schloss auf. Da sie großteils sich selbst überlassen sind, suchen sie sich selbst eine Beschäftigung, die Erzählerin landet dabei bereits mit 12 Jahren in der Dorfdisco und perfektioniert Jahr für Jahr Lügen und Ausweichmanöver, um ihren steigenden Drogenkonsum zu verheimlichen.

Wenn man sich heimlich mit solchen Fragen herumschlägt, obwohl man doch eigentlich nur funktionieren will soll – zu Hause, in der Schule, beim Friseur, im Bus –, dann möchte man sein Gehirn ruhigstellen. In meinem Fall erwiesen sich die Drogen dabei als große Hilfe, wobei ich ja erst am Anfang einer langen Testphase mit den unterschiedlichsten Mitteln stand.

Als die Eltern schließlich mitbekommen, was mit der Tochter los ist, wird sie ins Internat in die Schweiz verfrachtet. Auch aus den dortigen strengen Regeln findet die Protagonistin zumindest für die Wochenenden gekonnt eine Ausflucht. Es scheint, dass einzig der fixe Rückkehrtermin jeden Sonntag Abend sie davon abhält, in eine intensive Drogensucht abzurutschen.

Nur Dinge aussprechen, für die man Worte findet. Nur Szenen festhalten, die sich ohne tieferen Sinn ereignen. So gesehen muss man alle Fotodokumente, die einem im Laufe der Zeit von Verwandten, Bekannten oder Wildfremden unterkommen, neu bewerten. Weil es immer nur um das geht, was darauf fehlt.

Was in den Rezensionen als schonungslos und offen beschrieben wird, hat mich beim Lesen eher irritiert. Die Geschichte gibt vor, die Welt aus dem Blickwinkel des Kindes zu betrachten und doch kann kein Kind dermaßen abgeklärt Risiken eingehen, ohne jemals an die Folgen zu denken.

Die Beschreibung auf Amazon enthält mehr Dramatik als das ganze Buch:

Die Eltern sind abwesend, das Personal hilflos. Mit dreizehn beginnt das Mädchen eine Affäre mit einer jungen Krankenschwester und nimmt Drogen. Das fällt sogar den Eltern auf – die Tochter kommt ins Internat und lernt dort, dass es das Böse wirklich gibt.

Dass es das Böse wirklich gibt … klingt nach Horrorschocker und verfolgt wohl auch dieses reißerische Ziel. Jedoch lenkt dies in meinen Augen eher vom wirklichen Thema des Buches ab: Allein gelassene Kinder können sich nicht entwickeln. Kinder brauchen Führung, um lernen zu können, mit den Freiheiten und Verführungen des Lebens umzugehen. Eine Anklage oder ein Aufruf?

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Krimi Roman

Jo Nesbo – Schneemann

Er lauschte ihren ermüdenden Lügen und versuchte einen Sinn darin zu finden, Leute einzusperren, die sich schon längst selbst eingesperrt hatten. In einem Gefängnis aus Hass und Selbstverachtung, dass er selbst nur allzu gut kannte.

Der Ton ist von Beginn an düster, kalt und antriebslos. In den ersten Romanen um Harry Hole, war dieser stets ein Getriebener. Getrieben von dem von ihm verursachten Unfall, der einen Kollegen in den Rollstuhl brachte. Getrieben von der Suche nach dem Prinzen, den er als Mörder seiner Kollegin Ellen sah. Getrieben von er eigenen Sucht, die ihm ständig wie ein Stein im Weg liegt.

In diesem Roman hatte ich ein völlig anderes Gefühl. Obwohl Harrys Beziehung zu Rakel ein weiteres Revival erfährt, ist klar, dass dieser Lebensabschnitt vorbei ist. Nur ein einziger Absturz passiert Harry im Rahmen dieser komplizierten Ermittlung, in der mehrmals ein falscher Verdächtiger zum vermeintlichen Serienmörder gekürt wird. Den Nachfolgeroman Leopard bereits gelesen habe, weiß ich bereits, dass die Geschichte in eine andere Richtung weitergehen wird. Der Autor gibt Harry eine Chance, zu einem geordneten Leben zu finden und reißt ihm dieses dann unter den Füßen weg, um ihn so richtig ins Chaos zu stürzen. Das Hin-und-Her und Auf-und-Ab des Lebens ist die Waffe des Krimiautors. Zugespitzt auf Drama, versteht sich.

RANDNOTIZ: Bei einer berufsbedingten Bildrecherche fiel mir auf Fotolia dieses Bild ins Auge, das mich zwischen zwei Ebenen hin und her reißt:

Tree of Knowledge - Book Storage, books are stored on a tree

Design, das sich mit der Lagerung von Büchern beschäftigt, interessiert mich immer, speziell jetzt, wo ich für eine neue Wohnung zu planen habe. Auf dieser Ebene spricht mich dieser Tree of Knowledge durchaus an, jedoch die Unordnung, mit der die Bücher hier zusammengeworfen aussehen, erzeugt in mir das Gefühl, die Bücher sofort herausnehmen und ordentlich stapeln zu wollen. Es wird also wieder ein klassisches geordnetes Bücherregal werden müssen, wenn ich meine Zeit nicht ausschließlich mit dem Umsortieren von Büchern verbringen will.

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English Roman

Robin Sloan – Mr. Penumbra’s 24-Hour Bookstore

“Magic is not the only power in this world,” the old mage said gently, handing the horn back to its royal owner. “Griffo made an instrument so perfect that even the dead must rise to hear its call. He made it with his hands, without spells or dragon-songs. I wish that I could do the same.”

Es könnte kein passenderes Buch für diesen Anlass geben: Am heutigen Tag vereint sich der 400. Post auf diesem Blog mit dem 7. Geburtstag desselben. Am 26. November 2007 erschien der erste Post, damals noch auf meinem last.fm Profil (inzwischen gelöscht). Damals hätte ich vermutlich nicht gedacht, dass ich so lange dranbleiben würde, über (fast) jedes Buch, das ich gelesen habe, einen Text zu schreiben. Ja, ich habe über die Jahre einige Bücher ausgelassen, teilweise, weil mir meine Meinung dazu zu privat ist, um sie öffentlich zu teilwen, teilweise, weil ich dem Buch / Autor / Thema nicht noch mehr Öffentlichkeit schenken wollte.

With each new mega-project she describes, I feel myself shrink smaller and smaller. How can you stay interested in anything – or anyone – for long when the whole world is your canvas?

Eine warmherzige Empfehlung kann ich jedoch für Mr. Penumbra aussprechen. Empfehlungen aus der Ecke problems of a book nerd sind meistens eine Lesefreude, aber dieses Buch übertrifft vielleicht nicht alles, aber einiges.

Clay stolpert auf der Suche nach einem Job in Mr. Penumbras Buchhandlung und findet sich überraschend schnell als Nachtverkäufer hinter dem Tresen (gibt es dafür ein österreichisches Wort?) wieder. Natürlich ist nachts im Buchgeschäft nicht viel zu tun, auch wenn Clay nach und nach die etwas seltsamen Besucher kennenlernt, die nichts kaufen, sondern sich aus den hinteren Regalen Bücher ausleihen. Aus Langeweile beginnt er, das Buchgeschäft auf seinem Laptop in 3D nachzubauen. Gemeinsam mit der aufstrebenden Google-Mitarbeiterin Kat löst er mehr zufällig ein Rätsel, das ihn auf die Spur einer geheimen Gemeinschaft bringt. Seit Jahrhunderten sind deren Mitglieder mit der Entschlüsselung des Buches eines Aldus Manutius, der Zeitgenosse von Gutenberg gewesen sein soll, beschäftigt. Das Buch soll den Schlüssel des Lebens enthalten. Clay und Kat nehmen die Herausforderung an, den Code mit modernen Mitteln zu knacken.

Meine Zusammenfassung ist wie so oft viel langweiliger als die tatsächliche Geschichte, weil das Buch einfach so nett geschrieben ist. Clay hat jede Menge Freunde mit seltsamen Hobbies wie etwa sein Mitbewohner Matt, der als Ausstatter beim Film arbeitet und außergewöhnliche Talente im Herstellen von Requisiten (oder gefälschten Büchern) aufweist. Jedes Kapitel bringt ein neues Puzzle hervor, für das Clay und seine Freunde nach etwas Drehen und Wenden und manchmal auch ein paar Schritten rückwärts eine Lösung finden.

Wird der Code am Ende geknackt? Die Antwort ist wie so oft: Ja und Nein! Aber die Reise dahin ist jede Minute wert!

There is no immortality that is not built on friendship and work done with care. All the secrets of the world worth knowing are hiding in plain sight.