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Roman Thriller

Daniel Suarez – Kill Decision

Not even twenty-four hours had elapsed since she’d been lying in blissful ignorance on a lumpy cot in Africa. Hard to believe that that humid, cramped little cabin, along with everything in it – along with her foreseeable future – had been incinerated in a flash. None of this seemed real. Not even the room she stood in.

Manchen Autoren kann ich gar nicht genug nachschmeißen. So uneingeschränkt begeistert wie von Daniel Suarez bin ich allerdings selten. Bisher habe ich jedes seiner Bücher gekauft, verschlungen und dann an meinen Bruder weitergereicht (wenn ich mich recht erinnere, brachte mich der sogar auf Daemon). So auch wieder mit diesem hier. Da ich jedoch nicht mehr rechtzeitig vor seinem Geburtstag fertig wurde, hab ich mir gleich noch die Kindle Edition geleistet. Und die beiden Vorgänger auch gleich dazu …

He adjusted the rearview mirror to meet her gaze. “Happy now, Professor? The monsters of the deep know you by name.”
She knelt and looked up at him. “I didn’t have a choice. You gave me no good reason to trust you.“
“Smart people are always difficult. Always looking for answers. And the answers always lead to more questions.“

Unschuldig ins Chaos gestürzt wird diesmal die Ameisenforscherin Linda McKinney. Ihre Forschung über die aggressiven Weberameisen wird zur Steuerung von Kampfdrohnen missbraucht und bringt sie in Lebensgefahr und in die Hände von Odins geheimer Kampftruppe …

They nodded to McKinney and immediately resumed their duties.

Odins Team hält eisern zusammen. Aufgrund ihrer Kenntnisse und der ihr drohenden Gefahren bleibt Linda keine andere Wahl, als sich dem Team anzuschließen. Aber sie gehört nicht dazu. Vor dem Kampfeinsatz übt das Team ein Ritual, an dem sie nicht teilnimmt, das sie nur beobachten kann. Stellvertretend für Linda fühlte ich mich ausgeschlossen, beobachtete an mir ein unmittelbares Unbehagen, nicht zum Team zu gehören.

„… If there’s a valuable brand to protect – whether it’s a person or a dish soap – these fuckers are out there protecting it, shaping the narrative. I mean … who the fell follows dish soap on twitter? How does anyone believe that shit’s real?“

Wie aus den Vorgängerwerken von Daniel Suarez bekannt, beschäftigt er sich intensiv mit politischen und sozialkritischen Motiven der menschlichen Persönlichkeit. Ein Nebenschauplatz ist eine PR-Firma, die sich dem Verbreiten bzw. Promoten von Produkten oder Persönlichkeiten verschrieben hat. Und ja, ich frage mich auch immer wieder, warum Menschen auf Facebook Produkte oder Firmen liken. Spätestens seit der Schwedenbombenrettung und der Wiedererscheinung des Tschisi-Eis (man sollte meinen, dass die Intensiv-Facebooker zu jung sind, um sich daran zu erinnern) glaubt die breite Masse an die Rettungskraft des Social-Media-Riesen. Kluge PR-Firmen sind in der Lage, diese Daten in Formen und Weisen zu nutzen, die selbst dem erfahrenen Mediennutzer Schauer über den Rücken treiben.

„Do you normally leave your doors unlocked and your alarms deactivated?“ – „I didn’t want you to break anything. I’m having a party tomorrow night.“

Auch das Thema Überwachung ist natürlich mit den Drohnen eng verknüpft. Gerade in Österreich gibt es hier ein ständiges Hin und Her. Wenn Innenministerin Johanna Mikl-Leitner Drogen-Haartests zulassen will, aber empört aufschreit, wenn ihre SPÖ-Kollegin Bures die Autobahnkameras zur Überwachung der (nicht funktionierenden) Rettungsgasse nutzen will. Denn genau das ist das Problem: sind die Kameras mal da, warum sie nicht für alles Mögliche nutzen?

Although, this is the problem with a surveillance state; once you build it, it always grows. Do you realize how many industries use this data? How many people are busy building the systems to gather and analyze it? How much economic activity that’s generating?

Nicht zuletzt will der neue Heeresminister Gerald Klug nun auch Drohnen für das österreichische Bundesheer anschaffen. Unbewaffnet selbstverständlich. Aber wenn man liest, was sich die Verantwortlichen für die Beobachtung von Demonstrationen vorstellen, kann einem schon schlecht werden. Etwa Reinhard Zmug von der Luftzeugabteilung des Bundesheers wird zitiert:
Bei Menschenansammlungen würden die Drohnen aus deeskalierend wirken: „Sie beobachten die Leute von oben, und am Boden sieht man nicht allzu viele Soldaten.” So würden auch weniger schnell Konflikte entstehen. „Denn wenn eine Drohne 300 Meter entfernt von Ihnen fliegt, sehen Sie sie nicht mehr. Sie ist so klein und hell, man hört sie auch kaum mehr”, erklärt Zmug. Die Menschen würden demnach auch gar nicht merken, dass sie beobachtet werden. (diepresse.com)

Nicht merken, dass man beobachtet wird … eine Horrorvorstellung in meinen Augen. Suarez Killerdrohnen treiben die Bedrohung in beängstigender Art und Weise auf die Spitze. Und doch fällt es nicht schwer zu glauben, dass sie in geheimen Fabriken vielleicht bereits gebaut werden …

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Sachbuch

Peter Morville & Louis Rosenfeld – Information Architecture for the World Wide Web

Were you expecting a single definition? Something short and sweet? A few words that succinctly capture the essence and expanse of the field of information architecture? Keep dreaming!

Auf eine Art und Weise war dieses Buch schon outdated, als ich es vor Jahren bestellte und ins Regal stellte. Wenn man sich heute die 2007 zuletzt aktualisierten Screenshots anschaut, kann man herzlich darüber schmunzeln. Doch viele der verbreiteten Weisheiten sind nach wie vor gültig und sollte sich so mancher, der im Web zu tun hat, hinter die Ohren schreiben.

Das Buch beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Aspekten von Informationsarchitekturen und geht dabei weit über die oft gehypten Begriffe Usability oder User Experience hinaus. Es beschreibt umfangreich die Wichtigkeit von funktionalen Organisations-, Labeling- und Navigationssystemen. Auch Metadaten und Suchsysteme bilden wichtige Kapitel im gesamten Kosmos.

Bis auf die letzten Kapitel (zwei tatsächlich nicht mehr ganz taufrische Beispiele aus der Praxis) habe ich alle Kapitel mit Interesse gelesen und wurde immer wieder überrascht, wie aktuell und allgemeingültig die Erkenntnisse zu den unterschiedlichen Web-relevanten Themen sind. Auch wenn sich das Web täglich verändert und erneuert, ändern sich die Menschen, die es benutzen, nicht in demselben Tempo. Für einen Basisüberblick über Webarchitekturen und deren Bestandteile ist dieses Buch nach wie vor ein guter Tipp.

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Sachbuch

Klaus Raab – Wir sind online – wo seid ihr?

Tautropfen made with Olloclip and CAM+

Eines haben wir eben doch ganz unzweifelhaft gemeinsam, egal ob wir 16 oder 32 sind: dass wir zu Beginn des digitalen Zeitalters groß geworden sind und die neuen Möglichkeiten selbstverständlich zu nutzen verstehen, ohne zwangsläufig alle wahnsinnig technikaffin und immer nur erreichbar zu sein. Und dass die fortschreitende Digitalisierung für uns gleiche Bedingungen schafft, unter denen wir die Gesellschaft, in der wir leben wollen, organisieren.

Noch ein Manifest aus der und für die Netzgemeinde. Mit den aus Christian Stöckers Nerd Attack bekannten Elementen, die dann zumeist zu einer Rechtfertigung irgendeines Teils der so genannten Netzkultur führen:

– Verherrlichung der guten alten Zeit, als nicht jeder Trottel einen Computer hatte:

Man konnte Mixtapes lesen wir persönliche Briefe. Sie kündeten vom Suchen und Finden der Freundschaft und manchmal auch der Liebe. Wer Musik kopiert, hat demnach Freunde und geht früher oder später eine Bindung ein, aus der irgendwann einmal Kinder hervorgehen, die dann auch Musik kaufen

– Rechtfertigung oder zumindest Erklärungsversuch, warum die Netzgemeinde von Männern dominiert wird:

Ob Lillifee und Hartplastikmachos der Grund dafür sind, dass Frauen später geschlossen in der Küche stehen und Männer in den Krieg ziehen wollen – ich weiß nicht so recht. Vielleicht wird da der Einfluss des Rests der Gesellschaft etwas unterschätzt.

– Anglizismen und das Treiben von Schindluder mit der deutschen Sprache:

Es gibt allerdings Bedeutungsunterschiede zwischen den Anglizismen und den vermeintlichen restdeutschen Synonymen, weshalb man nun einmal sagen kann, dass „Fun“ und „Womanizer“ das deutsche nicht zurückdrängen, sondern reicher machen: Es bereitet Vergnügen, an einem lauen Sommerabend auf dem mit edlem Efeu gezierten Balkon zu sitzen, eine Schale schmackhafter gebratener Auberginen vor sich, und sich an Schopenhauers Wutreden zu laben. Fun ist es dagegen, RTL2 zu sehen. Und George Clooney ist ein Womanizer. Schürzenjäger treten bei Hansi Hinterster auf.

Offen bleibt die Frage, für wen diese Bücher eigentlich geschrieben werden. Braucht die Netzgemeinde diese Rückblicke und Analysen ihrer eigenen Geschichte und ihres eigenen Lebens. Will man den „Offline“ das Internet mittels eines Buches erklären? Das erinnert an „Internet for Dummies“ … Die heutige Jugend rebelliert nicht mehr? Kann man die Jugend nicht Jugend sein lassen … andererseits dürfte die Jugend sich für derartige Schreibwerke ohnehin nicht interessieren. Entbehrlich.

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Sachbuch

Ilija Trojanow, Juli Zeh – Angriff auf die Freiheit

Anti ACTA Demo, 25. Februar 2012, vor dem Parlament, Wien

Man kann sich lebhaft vorstellen, wie eine islamistische Zelle namens „Hessischer Dschihad“ bibbernd in einem Kellerraum in Gießen hockt und sich vor der Rasterfahndung versteckt – erstaunlich rat besaitet, die potentiellen Selbstmordattentäter. Ebenso erstaunlich, wie gut der Innenminister mit dem „islamistischen Potenzial“ und dessen intimen Sorgen ist.

In „Angriff auf die Freiheit“ setzen sich Ilija Trojanow und Juli Zeh ausführlich mit der Entwicklung Richtung Überwachungsstaat auseinander, vermeintlich ausgelöst durch den Terrorismus, der seit dem 11. September 2001 vermehrt durch die Köpfe der Menschen spukt. Der obige Ausschnitt bezieht sich auf die Aussage des deutschen Innenministers, das Instrument der Rasterfahndung hätte eine abschreckende Wirkung auf das so genannte „islamistische Potenzial“. Der Tonfall wird hier schon deutlich klar.

Diese auf den ersten Blick plausible Begründung erweist sich als abwegig, wenn man bedenkt, dass in einem Zeitraum von fünf Jahren (2001 bis 2006) nicht mehr als sechs gefälschte Pässe des alten Modells in Umlauf kamen. Darüber hinaus ist kein einziger Fall bekannt, in dem Terroristen gefälschte Pässe bei sich trugen.

Stück für Stück nehmen die Autoren die Begründungen auseinander, die Politiker und Medien für die Verschärfung von Überwachungsmaßnahmen ins Feld führen. Dabei ist etwas der biometrische Reisepass, in dem unter anderem die Fingerabdrücke gespeichert werden, ein Thema. Der Bevölkerung wird suggeriert, dass diverse Maßnahmen ihre Sicherheit erhöhen würden, obwohl dies einerseits nicht der Fall ist – ja, die Sicherheit kann gar nicht erhöht werden, wie sicher kann man sein? – und andererseits der Datenschutz und die Privatsphäre des Einzelnen völlig außer Acht gelassen wird.

Ein Journalismus, der seine gesellschaftliche Verwantwortung in den Hintergrund treten lässt, schadet der Demokratie. Ein ins Bockshorn gejagter Bürger ist nicht „mündig“ und wird sich nicht als freier, aufgeklärter, selbstbewusster Mensch an politischen Prozessen beteiligen. … Angst ist das wichtigste Instrument von Diktaturen, die ihre Bevölkerung terrorisieren, um Ausbeutungsverhältnisse zu stabilisieren. Wo Angst zum Mittel der Politik wird, stimmt etwas nicht. Wirklich freie Medien dürfen nicht an den gleichen Strippen ziehen wie die Politik, und wenn hundertmal gilt: Angst sells.

Neben den (oft unwissenden) Politikern, die Überwachung den Vorzug vor Datenschutz geben, ist einerseits der Bürger, der (vermeintlich) „nichts zu verbergen hat“, andererseits der nach Schlagzeilen heischende Journalist das „Feindbild“ der Autoren. Es gilt, den mündigen Bürger zur Freiheit und zur Selbstbestimmung zu erziehen, da helfen Medien oft eher den Politikern, indem sie deren Aussagen unreflektiert weitergeben ohne die freie Meinungsbildung zu fördern und auch den Gegenargumenten Raum zu geben.

Ein Privatmann ist nicht wie der Staat an die Menschenwürde, an Verhältnismäßigkeit oder Unschuldsvermutung gebunden. In einer Notwehrsituation wird ihm als seltene und schwerwiegende Ausnahme zugestanden, in panischer Selbstverteidigung um sich zu schlagen. Doch ein Staat, der panisch um sich schlägt, richtet Verheerendes an. Er ist keine Demokratie, sondern ein Staat des Ausnahmezustands.

Gerade im Umgang mit Terroristen wird oft vergessen, dass es sich bei diesen auch um Menschen handelt. Die Politik und auch die Medien fördern diesen Unterschied gezielt. Wer kann sagen, dass er die in Guantanamo ohne Gerichtsverhandlung oder Verurteilung gefolterten und inhaftierten potentiellen „Terroristen“ als Menschen betrachtet, die auch als solche behandelt werden müssen? Jeder Einzelne muss sich Tag für Tag vor Augen führen, dass für jeden Menschen unabhängig von seinen Taten die Gesetze der Menschenwürde gelten müssen. Was immer dieser Mensch auch getan haben mag. Eine Botschaft, die nicht genug betont werden kann.

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Roman

Terezia Mora – Der einzige Mann auf dem Kontinent

Mellow Yellow Flower

Das permanente Angebundensein an den Datenstrom ist mir nicht lästig und überfordert mich keinesfalls. Wenn nichts davon da ist – das überfordert mich.

Terezia Mora zeigt uns einen Protagonisten als hin- und hergerissenen Mann. Stressiger Job, herausfordernde Freundschaften, sensible Frau, die seine Aufmerksamkeit fordernd. Sie erzählt Episoden aus der Vergangenheit, so erinnert sich der Protagonist Darius Kopp etwa in Rückblenden an einen psychischen Zusammenbruch seiner damaligen Lebensgefährten, der schließlich zu einem Heiratsantrag seinerseits führte. Sie hypersensibel, er always on und untrennbar mit der Welt verbunden – man fragt sich bald, ob das gutgehen kann?

Die Idee war brillant, verwegen, Kopps Herz schlug ein schnelleres Tempo an, er riss die Augen auf: staubige, dunkle Balken. Es kommt doch heraus. Es kommt immer alles heraus. Nein, das stimmt nicht. Manches nie … Wozu reicht mein Mut? Das ist nicht die Frage, sondern: Wie findet meine Moral das? Er schloss sanft die Augen.

Sein fragiles berufliches Gerüst wird erschüttert von einer unterwarteten Barzahlung eines Kunden. Niemand außer ihm weiß von dem Geld. Sein Arbeitgeber schuldet wiederum Darius Kopp jede Menge Geld für Spesen und Versicherungszahlungen. Was soll mit dem Bargeld im Karton geschehen? Niemand muss davon erfahren. Aber Darius Kopp hat Skrupel. Und versucht trotz allem, das Richtige zu tun. Was immer das auch sein mag.

Er rannte ins Café hinein, Selbstbedienung, er rannte an den Tischen vorbei, direkt an die Theke, wie ist er auf den Barhocker gekommen, keine Erinnerung, auf einmal saß er drauf. Er keuchte, nicht vor Anstrengung, sondern vor Erleichterung darüber, dass er diesen Hafen gefunden hatte. Essen, Trinken, Internet.

Hier fühlt sich der gemeine Nerd/Geek leicht solidarisch, wobei ich von mir selbst behaupten möchte, dass ich so hysterisch selten in ein WLAN-Café gestürmt bin. Doch in einer fremden Stadt kann das Internet schon Heimat sein, wo es keine andere Heimat gibt. Für Darius Kopp scheint es ein Zufluchtsort zu sein, auch wenn ihn dort weder Erleuchtung noch Erleichterung seiner schwierigen Entscheidungen erwarten.

Er hätte gern einen Lachanfall bekommen, einen hysterischen Lachanfall, dass er hätte taumeln und sich krümmen müssen und aufpassen, dass er nicht wieder in die Kartonwand geriet, aber es gelang ihm nicht.

Während Darius Kopp mit seiner Familie und seinen anderen arbeits- und partnerschaftlichen Sorgen beschäftigt ist, hat der Leser das Geld der Armenier im Karton längst vergessen. Ein kluger Schachzug, denn gleich der Kartonwand stürzt auch Darius Kopps Leben Stück für Stück ein. Verfolgen Sie den Zusammenbruch eines Lebens und was am Ende wirklich wichtig ist. Gespalten.

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Sachbuch

Christian Stöcker – Nerd Attack

Senningbach im Winter

Endlich ein Buch für die Nerdgesellschaft. Wenn man selbst einigermaßen Zeit mit der Lektüre bzw. dem Hörgenuss von mehr oder weniger technikaffinen Blogs und Podcasts verbringt, lässt sich der Eindruck nicht ganz verdrängen, dass das Lesen von Büchern in dieser internetaffinen Gesellschaft zusehends zum Sonderfall wird. Ob man die Bücher nun auf einem eBook-Reader konsumiert macht in meinen Augen keinen Unterschied, ob man seine Informationen jedoch nur aus dem Internet bezieht, schon. Ich halte es für ähnlich ungesund, wie wenn jemand seine Information nur aus der Kronen Zeitung bezieht. Was könnte also wohl die selbst ernannte Nerdgesellschaft besser zum Lesen verführen als ein Buch über die Nerdgesellschaft selbst.

Die Konsumenten dagegen mussten mit einem zigarrenkistenkleinen Kasten mit ein paar Knöpfen vorliebnehmen, “nur Tasten für ja, nein und kaufen”, wie ein CCC-Mitglied das später spöttisch formulierte. Der neue Dienst war ein Konsumwerkzeug, ein System, dessen technische Struktur nicht vorsah, dass Normalbürger sich produktiv damit auseinandersetzten, ein Affront gegen die Hacker-Ethik.

Der Autor Christian Stöcker zählt sich natürlich selbst zur Zielgruppe seines Buches. Anhang seiner eigenen Evolution im Umgang mit dem Computer beschreibt er die unterschiedlichsten Phänomene, die sich im und um dem Computer Stück für Stück entwickelt haben. Eines der bedeutendsten dieser Phänomene ist in meinen Augen, dass schon in frühester Zeit den Hackern ein Dorn im Auge war, wenn sie mit wenigen Kontrollmöglichkeiten wie zum Beispiel Knöpfen (im obigen Beispielzitat) abgespeist werden. Der Entdeckergeist, herauszufinden, was man mit der Maschine alles machen kann, prägt noch heute das Leben vieler Interessierter auf diesem Gebiet und unterscheidet sie von jenen, die hilflos vor dem Gerät sitzen, anstatt Google solange mit Suchbegriffen zu bewerfen, bis sich eine Lösung auftut.

Hätte die Musikbranche sich rechtzeitig und ohne fremde Hilfe geeinigt, sie könnte ohne Zwischenhändler ungleich höhere Gewinne aus dem Geschäft mit den Dateien einfahren.

Natürlich werden auch Themen wie das gerade wieder sehr präsente Urheberrecht nicht vergessen. Ich vermisse hier – wie auch bei den meisten anderen Diskussionen zu dem Thema unter den Betroffenen der Internetgesellschaft – eine kritische Auseinandersetzung in der Form „wie könnte man es besser machen?“. Das möchte ich jetzt weniger dem Autor zum Vorwurf machen, sondern allgemein zu Bedenken geben. Die Gegner von ACTA (Disclaimer: zu denen ich mich selbst zähle) vergessen leider zumeist, einen Gegenvorschlag zu unterbreiten. Die totale Freiheit zu fordern ist idealistisch, aber keine umsetzbare Alternative. Bei der „Löschen statt sperren“-Diskussion in den vergangenen Jahren war es klar: Löschen ist nicht nur die bessere, sondern die einzige Lösung. Ein so klares Statement können die ACTA-Gegner bis dato nicht nur nicht vorweisen, es wird auch das wichtige Interesse an einem zensurfreien Internet vermischt mit Themen wie Urheberrechtsverletzungen. Die Aussage, dass die „Content-Mafia“ das Problem selbst lösen könnte, wenn sie endlich brauchbare Angebote liefern würde, unterstütze ich zwar, jedoch löst das nicht alle Probleme.

Bedenklich ist außerdem (ich schweife nur noch kurz ab), dass die Verlagsbranche mit den kopiergeschützten eBooks genau denselben Fehler zu machen scheint wie es die Musikindustrie vor einem Jahrzehnt bereits vorgeführt hat. Die Konsumenten werden verwirrt mit unterschiedlichen DRM-Systemen, kein Gerät kann alle Formate anzeigen und bietet somit tatsächliche Wahlfreiheit beim Kauf der Inhalte (am ehesten geht das noch mit dem iPad, jedoch finde ich die Benutzung des Adobe-DRMs durch die meisten Anbieter wenn nicht bedenklich, dann doch zumindest fragwürdig). Durch die unterschiedlichen Formate und Inkompatibilitäten verärgert man potentielle Kunden (keine Annahme, ich habe es selbst in meiner Familie erlebt) und bremst die Entwicklung, anstatt sie zu fördern und den Kunden attraktive Angebote zu bieten. Wie ich inzwischen erfahren habe (Hörensagen), kann man auch eBooks inzwischen hervorragend raubkopieren. Wann bieten Verlage endlich Kombiangebote an? Wann senken Verlage endlich die Preise? Wenn ein eBook die Hälfte eines Paperbacks kosten würde (angesichts der offensichtlichen Ersparnisse in der Produktion im Vergleich mit dem Papierbuch wäre das noch immer teuer), würde möglicherweise der Komfortfaktor das Raubkopieren bereits unnötig machen. Aber vermutlich muss wieder erst Apple den Verlagen zeigen, wie es geht. Oder Amazon übernimmt endgültig die Herrschaft über die Buchwelt.

Zurück zu Nerd Attack! Den Titel finde ich etwas unglücklich gewählt, er erweckt den Eindruck, die Nerds würden sich bewaffnen, um die „normale“ Gesellschaft anzugreifen. Im Buch selbst wird dieser Eindruck nicht bestätigt, aber in meinen Augen könnte der Titel durchaus den einen oder anderen Nerd-Sympathisanten von der näheren Beschäftigung mit dem Thema abhalten.

Abschließend möchte ich betonen, dass sich die Lektüre definitiv lohnt. Der Hardcore-Nerd wird sich zweifellos wiederfinden und bei jeder Erwähnung bekannter Memes mitschmunzeln. Die Nerd-Sympathisanten und Nachwuchs-Nerds gewinnen möglicherweise einen besseren Einblick in die Entstehungsgeschichte so mancher heute bekannter Phänomene. Aber auch dem Milieu vollkommen Fernstehende gewinnen neue Einsichten, wie diese Internetmenschen ticken und wenn sie sich darauf einlassen vielleicht sogar darüber, warum sie ticken, wie sie ticken. Ob es sich als Manifest eignet, bleibt wohl der Netzgemeinde selbst überlassen.

Wer mehr zum Buch lesen will, klickt hier:

Bombasstard’s Ranting Zone

Und hier der Link zur Besprechung der Kaltmamsell: Vorspeisenplatte

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Sachbuch

Holm Friebe, Sascha Lobo – Wir nennen es Arbeit

Stromkugel im Technischen Museum Wien, made with Cam+

Ihre Sprache und ihre E-Mails orientierten sich am Stil des Beat-Poeten Jack Kerouac. Wie nachhaltig der Eindruck der Hippie-Revolte sogar auf die Welt der Hochfinanzen durchgeschlagen hat, zeigt auch ein aktuelles und anekdotisches Beispiel aus England, wo rund 4.000 Investmentbanker und Manager von Hedgefonds sich alljährlich auf einer Wiese bei Knebworth zum „Hedgestock“-Festival treffen. Unter dem Motto „Make money, not war“ feiern sie dort drei Tage lang in Batikgewändern und Blumenkostümen zu Original-Woodstock-Musik.

Ich bin nicht up-to-date. Dieses Buch, diese Hommage an die Internetgesellschaft des neuen Jahrtausends, erschien erstmals 2006, hat also bereits 5 Jahre auf dem Buckel. Im Netz entspricht das wohl eher Jahrzehnten. Heute würde so ein Werk seine Verbreitung vermutlich nur mehr werbefinanziert als eBook finden.

Gerade die deutsche Bloglandschaft spiegelt diese digitale Bohème, die Friebe und Lobo portraitieren, ausführlich wieder. Obwohl nur die wenigsten Mitglieder dieser Gesellschaft tatsächlich von ihren Internetaktivitäten leben können, sympathisieren große Gruppen von Angestellten (speziell in technikaffinen Branchen) mit dem Freiberuflerdasein der Bohèmians. Damals wie heute. Somit findet sich eine ausreichend große Zielgruppe, die sich dieser neuen (?) Subkultur zugehörig oder zumindest verbunden fühlen.

In den ersten Kapiteln erörtern die Autoren die Merkmale dieser Gesellschaft bzw. ihrer Mitglieder und beschreiben mitreißend, wie Lebensmodelle abseits der Norm aussehen können. Im Internet kann jeder seine 15 Minuten Ruhm finden und manchmal entsteht daraus sogar eine erfolgreiche Karriere, von der die Protagonisten sogar leben können. Dazu muss man sagen, dass die Möglichkeiten in diesem Bereich sich in den fünf Jahren, die seit dem Erscheinen vergangen sind, die Vorzeichen doch gravierend geändert haben. Die Geschäftsmodelle ändern sich, die Finanzierung durch Werbung hat signifikant den sauren Beigeschmack verloren. Gerade der iTunes App Store trägt weiter dazu bei, die Gratiskultur zu fördern. Wo sich User manchmal über Spiele beschweren, die für 99 Cents oder 0,79 Euro ohnehin beinahe geschenkt sind, und lieber auf werbefinanzierte Gratisangebote zurückgreifen.

Machen wir uns keine Illusionen über die maximale Reichweite der digitalen Bohème. Es könnten vielleicht ein paar Leute mehr nach ihren Regeln leben und arbeiten, als sich derzeit trauen, aber nicht alle. Wie die alte Bohéme nicht ohne das Bürgertum und seine Mäzene denkbar war, so braucht auch die digitale Bohème ein prosperierendes wirtschaftliches Hinterland, sonst kann sie einpacken.

Beruhigenderweise verkünden die Autoren kein Evangelium (wäre auch sehr unpassend in der zunehmend religionsfeindlichen Zielgruppe der digitalen Bohèmians). Der Müllmann wird niemals freiberuflich tätig sein und frei entscheiden können, ob er den Müll im Stadtteil am Montag oder Donnerstag abholt (oder mal eine Woche gar nicht, wenn er keine Lust hat). Die Prinzipien, die Lebenswelten, die Möglichkeiten, die sich den Angehörigen der Internetkultur bieten, lassen sich nicht auf alle Lebens- und Arbeitsbereiche übertragen, eine funktionierende Infrastruktur wird weiterhin von Firmen- und öffentlichen Strukturen gewährleistet werden müssen. Greifen Sie zu, es sind nur wenige Plätze frei in diesem Boot …

Was Ansätze wie der von Bergmann demonstrieren, ist aber vor allem, dass die Landkarte der zukünftigen Arbeit noch viele weiße Flecken aufweist und mehr Dinge zwischen Himmel, Erde und Internet machbar sind, als sich Politiker trauen, ins Parteiprogramm zu schreiben. Das Wechselspiel aus Technologie, Stadtentwicklung, Kultur, sozialem Wandel und Politik wird Lebens- und Arbeitsformen ermöglichen und hervorbringen, die uns heute noch utopisch erscheinen.

Nach fünf Jahren wäre bereits ein Update, nein, sogar ein völlig neues Werk möglich, das beispielsweise die technischen Aspekte der Cloud-Technologie, politischer Themen wie Datenschutz und Vorratsdatenspeicherung oder wirtschaftlichen Faktoren wie die Weltwirtschaftskrise im Internetkontext behandelt. Aufruf an die Autoren der digitalen Bohème: Es gibt noch viel zu tun.

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English Sachbuch

Dave Shea/Molly E. Holzschlag – The Zen of CSS Design

Wasserblume(c)yongy/SXC

The CSS Zen Garden was created as a showcase for CSS design. It shows impressively what can be achieved by separating content from design. In the accompanying book the authors show several aspects of design and how you deal with these aspects in CSS. Each chapter shows several designs that are outstanding in a special field of design.

The book works nicely as an inspiration and explains some techniques that might be interesting for a CSS newbie. Experienced CSS users will not learn that much from it and I have to say that some designs and techniques might already be outdated in this fast-moving internet world. I haven’t done that much in web design in the last years, so I found the book quite inspiring and it’s also great fun to surf through the designs on the CSS Zen Garden Website. If you’re looking for inspiration that should be the first place to go. If you also love books than go and get this one.

Weitere Informationen:
CSS Zen GardenDave Shea’s blog mezzoblueMolly E. Holzschlag’s blog

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Krimi Thriller

Daniel Suarez – FreedomTM

Netzwerkkabel(c)pseudoxx/SXC

„No conspiracy necessary. It’s a process that’s been happening for thousands of years. Wealth aggregates and becomes political power. Simple as that. ‘Corporation’ is just the most recent name for it. In the Middle Ages it was the Catholic Church. They had a great logo, too. You might have seen it, and they had more branches than Starbucks. Go back before that, and it was Imperial Rome. It’s a natural process as old as humanity.“

Pete Sebeck as The_Unnamed_One is on his quest following the Thread given to him by the Daemon. His companion Laney Price has the reputation score on the Darknet to help him on his way. Sebeck himself is still in grief because of the loss of his former life and his wife and son. He has to learn how to navigate the Darknet and he needs to understand what the purpose of the new communities is. The world economy changes and Matthew Sobol’s new world order is evolving. The Major is trying to keep his minions in place and keep control of the economy.

„Nobody implanted anything. These people pay for their own tracking devices.“ Price pointed to a nearby cell phone kiosk slathered with graphic images of beautiful people chatting on handsets. „A cell phone’s location is constantly tracked and stored in a database. Don’t have a cellphone? Bluetooth devices have a unique identifier, too. Phone headsets, PDAs, music players. Just about any wireless toy you might own. And now there are radio-frequency-identity tags in driver’s licenses, passports, and in credit cards. They transpond to radio energy by emitting a unique identifier, which can be linked to a persons’s identity. Privately owned sensors at public choke points are harvesting this data throughout the world. It doesn’t have to do anything with the Daemon.“

Technology is ruling our world. Already. What’s most disturbing about the story is the truth in it. All of this could happen tomorrow and who knows what really happened behind the scenes of the world financial crisis. What we don’t know, is what’s dangerous. Loki Stormbringer, Pete Sebeck and The Major, none of them knows really what the others plan or do (Pete Sebeck doesn’t even know his own plans while following the thread). All of them do tap in traps, and all of them loose something on the way. While Daemon was about technology and it’s flaws, FreedomTM is about economy and how the mighty try to keep control of the world. Let’s see where this thread will lead Daniel Suarez in the future.

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English Krimi Thriller

Daniel Suarez – Daemon

Stacheldraht(c)johnnybergSXC_1162409_24434279.jpg

Deutsche Zusammenfassung unten / For German summary scroll down

Soon he reached a circular chamber with a beam of sunlight shining down from a hole in the ceiling, illuminating a section of the wall. It appeared to be the basement of a shattered tower. Several barred windows ringed the walls in the shadows. It was a dead end.

Thanks goes to my brother for turning my attention to this great thriller. It’s as enthralling as frightful especially if you know, that most of the technologies described already exist.

The death of the computer game guru Matthew Sobol is followed by some strange incidents that makes the police first try to shut down the servers of his enterprise Cyberstorm. Next they try to enter his house to shut down the servers to kill the so-called „Daemon“, that Sobol has installed to take over world domination. Many people lose their lives until they find out that the Daemon lives in the internet and cannot be shut off.

FBI: „Just shut down the internet.“
The others gave him a patronizing look.
FBI: „You guys built the damned thing. Why can’t you turn it off?“
NSA: „Let’s stick to reasonable suggestions, shall we?“
FBI: „I don’t mean for a long time – just for a second.“
DARPA: „The Internet is not a single system. It consists of hundreds of millions of individual computer systems linked with a common protocol. No one controls it entirely. It can’t be shut down. And even if you could shut it down, the Daemon would just come back when you turned it back on.“

In the background the Daemon recrutes his subjects in Sobols computer games „Over the Rhine“ and „The Gate“. Only the best players find the back doors and beat the challenges Sobol has installed for them. One of them is Brian Gragg, former thief of identities on the internet, who know becomes one of the Daemon executives and as such a nightmare to the authorities who fight the Daemon. Of course their own task force gets infiltrated by the Daemon, it seems to be everywhere.

Suarez has no qualms to let his characters die and also come back to life if they haven’t fully served their purpose. Fortunately the second part Freedom TM is already available and I’m looking forward to learn how the story continues for Jon Ross and Natalie Philips.

Deutsche Zusammenfassung: Durch meinen Bruder kam ich zu diesem grandiosen Thriller, der sich mit den beängstigenden Tatsachen der uns umgebenden Technologien auseinandersetzt. Vieles, das in diesem Buch beschrieben wird, existiert tatsächlich bereits, wenn auch oft im Verborgenen.
Der Tod des Computerspielgurus Matthew Sobol setzt einige verdächtige Vorgänge in Gang, was dazu führt, dass die Polizei zuerst versucht, die Server seiner Firma Cyberstorm zu stoppen. Als die Polizei versucht, in sein Haus einzudringen und die dortigen Server zu stoppen, verlieren viele Menschen ihr Leben, bevor sie herausfinden, dass der Daemon im Internet lebt und nicht durch simples Herunterfahren eines Servers gestoppt werden kann.
Der Daemon rekrutiert seine Gefolgsleute vorerst durch Hintertüren in Sobols Computerspielen „Over the Rhine“ und „The Gate“. Nur die Besten bestehen die Herausforderungen. Einer von ihnen ist Brian Gragg, Identitätsdieb und jetzt einer der Führer des Daemon-Imperiums. Natürlich wird auch die Task Force des FBI vom Daemon infiltriert, er ist überall.
Suarez hat keine Skrupel, seine Figuren sterben und auch wiederauferstehen zu lassen, wenn sie ihren Zweck noch nicht vollständig erfüllt haben. Zum Glück ist der zweite Teil Freedom TM bereits erhältlich und ich bin bereits gespannt auf diese Fortsetzung.