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Roman

Josef Haslinger – Opernball

CN: Terrorismus, Mord, Gewalt, sexuelle Gewalt, Ermordung von Angehörigen, Suizid, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Holocaust, Konzentrationslager, Krieg, graphische Beschreibungen von Kriegsverbrechen, Rassismus


Zu diesem Buch hat mich wiederum ein Literatur-Geocache geführt. Allerdings hab ich nach den ersten 100 Seiten dann mit Sicherheit feststellen können, dass ich zwar den richtigen Autor hatte, aber das falsche Buch. Da war ich dann aber schon mittendrin in der Geschichte …

Die Content Notice von oben möchte ich nochmal ergänzen: Einige Passagen in diesem Buch haben mich sehr mitgenommen. Das passiert mir nicht oft, ich habe in meinem Arbeitsalltag auch hin und wieder mit medizinischen Fotos aus dem realen Leben zu tun und kann mir diese mit leichtem Ekel ansehen und dann wieder vergessen. Bei sehr gewalttätigen Szenen in Filmen oder Serien schaue ich lieber weg, tatsächlich sind aber die Begleitgeräusche meistens schlimmer als die Bilder. Bei Büchern hatte ich das in meiner Erinnerung nur äußerst selten, das Einzige, das mir jetzt spontan einfällt, ist A Clockwork Orange. Ganz so schlimm war es in diesem Buch nicht, aber in einigen Szenen werden sehr bildhaft Gewalttaten beschrieben, das will sich vielleicht nicht jede Leser:in zumuten.

Da das Buch schon mit den sterbenden Menschen in der Oper beginnt, ist es kein Spoiler, zu verraten, worum es in dem Buch geht: Der Opernball, ein traditionelles Wiener Ereignis mit vielen internationalen Gästen, wird Ziel eines Terrorismusanschlags mit Giftgas. Erzählt wird das Buch aus der Sicht eines Journalisten, der bei diesem Anschlag aus dem außerhalb der Oper stehenden Regiewagen hilflos zusehen muss, wie sein Sohn als Kameramann in der Oper hinter der Kamera stirbt. Seine persönliche Betroffenheit führt zum Versuch, die Hintergründe des Anschlags aufzuklären. Seine Perspektive wechselt sich ab mit der eines Polizisten, der die gewaltvollen Demonstrationen rund um die Oper vor und während des Opernballs schildert, und der des einzigen Terroristen, der den Anschlag überlebt hat. Alle diese Perspektiven enthalten grausame Details.

Der Journalist erzählt von der Vergangenheit seines Vaters, der bei der Befreiuung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen dabei war und Fotos vom unaussprechlichen Leid hütet, das er damals erlebt hat. In seiner Arbeit als Kriegsberichterstatter wurde der Journalist selbst Zeuge von unfasslicher Grausamkeit. Erschreckend dabei ist außerdem, wie kühl er von diesen Erlebnissen berichtet, wie er mehr an seine Geschichte und an die Bilder denkt, als an die Menschen, die die Opfer dieser Grausamkeit sind.

Der Polizist erzählt von den Aggressionen, die Polizisten (von Polizist:innen ist nur in Nebensätzen und abwertend die Rede) während Demonstrationseinsätzen empfinden und wie sich die Einsatzkräfte gegenseitig aufstacheln, um im Chaos nicht die Nerven zu verlieren. Dabei werden die Demonstrierenden entmenschlicht, um das gewaltvolle Vorgehen gegen sie zu rechtfertigen.

Der Terrorist (im Buch genannt: der Ingenieur) erzählt, wie es zu dem Anschlag kam. Wie sich die Gruppe bildete, wie aus zuerst harmlosen Saufgelagen Gewalttaten gegen Ausländer:innen werden, wie ein Brandanschlag geplant und durchgeführt wird. Dabei ist deutlich zu verfolgen, wie der Ingenieur, der zwar schon zu Beginn eine deutlich menschenfeindliche Einstellung zur Schau trägt, radikalisiert wird, wie er sich dem Sektenführer unterwirft, wie dessen religiöses Gehabe keinen Widerspruch duldet und sich der Ingenieur als der Auserwählte fühlt, der den anderen Mitgliedern der Gruppe vorgezogen wird.

Der Roman ist im Jahr 1995 erschienen, das ist aber (abgesehen von der Abwesenheit von Smartphones) kaum spürbar. All dieser Hass ist in unserer Gesellschaft heute genau so präsent wie damals. Gerade deshalb ist dieses Buch vielleicht aktueller, als ich es mir wünschen würde.

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Roman

Jörg Mauthe – Die große Hitze

CN: Das Buch enthält Beschreibungen bzw. Bezeichnungen von kleinwüchsigen Menschen, die als ableistisch verstanden werden können. In meinen Augen sind diese wie der gesamte Rest des Buchs rein satirisch gemeint, ich möchte dennoch darauf hinweisen.


Wieder mal ein Buch für einen Geocache und vielleicht das beste Buch, das mir jemals durch einen Geocache zugelaufen ist. Ich habe mich so dermaßen amüsiert! Der Unterhaltungswert ist sicher sehr individuell, schon außerhalb von Österreich dürfte wohl vieles an satirischem Wert verloren gehen. Aber für mich war’s genial!

Das Buch wurde 1974 veröffentlicht und ist trotzdem aktueller denn je. Es lässt sich einordnen ins Genre climate fiction, das es damals natürlich noch nicht gab. Jörg Mauthe beschreibt ein Österreich, indem aufgrund großer Hitze und zunehmendem Wassermangel die Gesellschaft Stück für Stück auseinanderzubrechen droht. Sein Protagonist Legationsrat Dr. Tuzzi nimmt seine Rolle und seine Aufgaben als Beamter in einem interministeriellen Komitee sehr ernst. Als er den Auftrag zugewiesen bekommt, in den österreichischen Bergen nach Zwergen zu suchen, weil die ja wissen müssten, wo in den Bergen es noch Wasser gibt, nimmt er diesen Auftrag mit all seiner Beamtenehrfurcht an und begibt sich auf die Suche.

Während im ersten Teil die satirische Beschreibung der österreichischen Beamtentätigkeit sowie der Auswirkungen der Klimaveränderungen auf das alltägliche Leben in der Großstadt für Unterhaltung sorgen, ist es im zweiten Teil der eindeutige Absturz in die Absurdität der Zwergensuche (und der sich anschließenden Verhandlungen). Ganz große Empfehlung!

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Krimi Roman

Fritz Lehner – Seestadt

CN: Mord, Gewalt, Geschwurbel


Ein wegen Totschlags verurteilter Mörder (ja, genau so meine ich das) wird mit Fußfessel auf Bewährung entlassen und fristet nun ein neues geregeltes Leben als „Aura-Chirurg“ im neuen Wiener Stadtviertel Seestadt. Kundschaft für seine Aura-Chirurgie findet er genug in der Bevölkerung des neuen Stadtteils, der sich angeblich über einem früheren Kriegsschauplatz befindet. Das Herumschneiden in der Aura seiner Patient:innen ist ihm jedoch bald nicht mehr genug. Der Fund eines Bajonetts kombiniert mit einer Idee für das perfekte Alibi gibt den Ausschlag zur neuen Mordserie, die die Seestadt erschüttern wird …

Viel Lokalkolorit, von dem ich sicher nach nur wenigen Besuchen (zB 2015) in der Seestadt nicht alles verstanden habe. Die Erzählung aus der Perspektive des Mörders lässt unter anderem die anderen zwielichtigen Gestalten der Geschichte normal wirken, geradeso als wären die Opfer die eigentlichen Fremdkörper in der Seestadt. Ein amüsanter Krimi für Menschen, die sowas mögen.

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Roman

Martin Prinz – Der Räuber

CN dieses Buch: Mord
CN dieser Post: –


Ein Räuber sitzt umzingelt auf einem Berg. Noch ist ihm sein Platz, der finstere Wald, eine Insel. Kalt ist es in der Nacht und sternenklar. Die Straßen füllen sich langsam mit Transportern und Mannschaftswagen. Es ist eine Art von Krieg. […] Der Räuber lächelt, wenn er seinen Verfolgern aus der Finsternis zusieht. Ein Räuber kämpft immer an der Seite des Mondes. Er sitzt da und lächelt. Das ist auch Krieg. Jetzt sind wieder die anderen am Zug.

Fürs Erste reicht’s mir dann mit den Literatur-Geocaches. Dieses kurze Werk lässt sich zwar flüssig lesen, die Flucht des zum Mörder gewordenen Bankräubers Rettenbacher und seine Gedanken auf dieser Flucht ließen mich jedoch kalt. Das (Davon-)Laufen als Metapher für die Flüchtigkeit der Welt? Die Flucht als Spiel, bei dem sich der einsame Räuber immer wieder im Vorteil gegenüber den Hundertschaften der Polizei sieht, die ihn verfolgen? Hat bei mir nicht gezündet.

Er durfte nicht immer allein deshalb durch die Welt hetzen, damit sie im Stillstehen nicht zusammenbrach. Er wollte ihr zumindest manchmal ganz unbewegt zusehen, wie sie sich vor ihm in ängstlicher Hektik abmühte.

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Krimi Roman

Günter Brödl – Platzangst

CN dieses Buch: Alkoholmissbrauch, Spielsucht, Prostitution, Mord, Pornografie, BDSM, Snuff-Videos
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Wieder mal durch einen Literatur-Geocache auf dieses Buch gekommen, das sich als unterhaltsamer Krimi mit Schauplatz Wien und der Kunstfigur Dr. Kurt Ostbahn als Protagonist auszeichnet. Mir sind ja langsam die Krimireihen, wo irgendwelche Menschen, die eigentlich nicht beruflich mit Verbrechen zu tun haben, in einen Kriminalfall nach dem anderen stolpern zumeist suspekt. Da ich hier aber gleich den dritten Teil zur Hand hatte, in dem noch dazu auch der bereits zwangspensionierte Kriminalinspektor aus den ersten beiden Bänden selbst auf eigene Faust ermittelt, hat es sich hier irgendwie ganz natürlich angefühlt. Der vom Pech gejagte Ostbahn-Kurti will eigentlich nur ein Badezimmer in seiner Wohnung einbauen lassen, die dafür engagierten Handwerker finden jedoch bei einem anderen Auftrag eine Leiche und ziehen ihn mit hinein, worauf eins das andere gibt. Gezahlt wird noch in Schilling, die Schauplätze in Wien sind ausführlich und liebevoll beschrieben und charakterisiert und so manches Wiener Original taucht im Verlauf der Geschichte auf. Perfekt für alle, die Krimis (mit Wien-Bezug) mögen. 

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Sachbuch

Roman Sandgruber – Rothschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses

CN dieses Buch: Holocaust, Krieg, Krankheit, Tod
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Für den absoluten Bewegungscharakter der Welt gibt es kein besseres Mittel als das Geld. Geld ist Schmiermittel und Geld ist Information. Ein Informationsvorsprung, damals mit Brieftauben und verschlüsselter Briefpost, dann mit Telegrafie und Telefon, heute mit Internet und Kryptografie, kann Geld bedeuten und viel Geld bringen.

Geschichte generell ist ja leider einer meiner Schwachpunkte. Natürlich habe ich in der Schule grob mitbekommen, was sich in den letzten hundert Jahren so getan hat. Zusätzlich habe ich noch ein paar Kenntnisse über bestimmte Epochen erworben, weil ich mich für bestimmte Personen interessiert habe (zB Kaiserin Elisabeth oder Wolfgang Amadeus Mozart). Größere bzw. langfristigere Zusammenhänge ergeben sich daraus aber nahezu gar nicht.

Gerade habe ich aus Interesse alle Posts aus diesem Blog aus der Kategorie Sachbuch durchgeschaut. Häufungen gibt es bei den Themengruppen Medien/Design/Fotografie, Theater/Musik, Selbsthilfe/Persönlichkeit und – für mich unerwartet – Religion. Geschichte hingegen kommt praktisch nicht vor.

Passend zu diesen Fakten habe ich zu diesem Buch auch nur gegriffen, weil es mit einem Literatur-Geocache in Verbindung steht. Als ich es in der Bücherei aus dem Regal genommen hatte, hätte ich es mir beinahe anders überlegt: ein Hardcover mit über 500 Seiten, definitiv kein Buch zum Herumtragen. Nun bin ich aber froh, dass ich mir die Mühe des Heimtragens gemacht habe, es war insgesamt schon sehr interessant.

Die Geschichte der Rothschild-Familie beginnt im 18. Jahrhundert und wird bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts verfolgt, als die Wiener Linie der Rothschilds mangels männlicher Nachkommen endete. Von der Frankfurter Judengasse aus arbeitet sich Mayer Amschel Rothschild empor, sein Sohn Salomon Mayer Rothschild begründet die Wiener Linie und die Wiener Privatbank Rothschild und bleibt in engem Kontakt mit seinen Brüdern, die in Frankfurt, London, Italien und Paris leben und arbeiten. Die Familiengeschichte hier im Detail nachzuzeichnen wäre kaum sinnvoll, ich möchte aber ein paar geschichtliche Highlights herausgreifen:

  • Nathaniel Rothschild besaß eine Sommervilla auf der Hohen Warte, zugehörig zur Gemeinde Reichenau. Diese wollte er in eine Stiftung für Tuberkulosekranke umwandeln, was der beliebten Fremdenverkehrsgemeinde gar nicht recht war. Ein Zitat aus einer Zeitung gibt deutlich wieder, wie zu Ende des 19. Jahrhunderts mit Kranken umgegangen wurde. Die gute Luft soll bitte den gestressten Stadtmenschen vorbehalten bleiben und die Kranken will man schon gar nicht sehen. Auch dass der unerwünschte Anblick kranker Menschen in dem Bericht VOR der Ansteckungsgefahr genannt wird, spricht Bände:

[…] dass gesunde Menschen oder solche, die zur Stärkung ihrer vom Stadtleben etwas mitgenommenen Nerven eine Sommerfrische aufsuchen, sich nicht eine solche wählen werden, wo ihnen auf Schritt und Tritt der peinvolle Anblick mitleidserregendster Krankheitsformen geboten wird und ihnen durch die Luftströmung eventuell Tuberkelkeime zugeführt werden […]

  • Eine Verbindung zu meinem früheren Interesse an Kaiserin Elisabeth ergab sich ebenfalls. Es wird berichtet, dass die Kaiserin am Tag vor ihrer Ermordung bei Caroline Julie Rothschild in ihrer Villa am Genfer See zu Gast war:

Man besichtigte die Kunstschätze und den weltberühmten Park mit den herrlichen Orchideenhäusern, Volieren und Aquarien. Gräfin Sztáray, die Hofdame der Kaiserin, berichtete später, Elisabeth habe schon lange keinen so hellen, wolkenlosen Tag wie diesen 9. September gehabt.

  • Der bereits oben erwähnte Nathaniel Rothschild war neben seinen wirtschaftlichen und karitativen Aktivitäten auch an Sport interessiert und 1894 an der Gründung des First Vienna Football Clubs beteiligt. Die Vereinsfarben Blau und Gelb, in denen noch heute gespielt wird, wurden anhand des rothschildschen Familienwappens gewählt.

Dennoch gilt er als der wichtigste Geburtshelfer des österreichischen Fußballs. Die Gründung des First Vienna Football Clubs, heute einfach „Vienna“, erfolgte am 22. August 1894 im Gasthaus „Zur schönen Aussicht“. Baron Nathaniel und sein Zentraldirektor Julius Schuster waren persönlich anwesend.

Das Buch wurde 2019 für den Preis Wissenschaftsbuch des Jahres nominiert. Obwohl sich der Autor sehr eng an die Quellen hält (das Quellenverzeichnis listet über 1.138 Verweise auf), ist das Buch flüssig zu lesen und lässt die Geschichte weniger staubig wirken, als sie sich von außen vielleicht anfühlen mag. Die vielen Fotos tragen dazu bei, einen Eindruck von den beschriebenen Epochen zu bekommen, in denen die Rothschild-Familie gelebt hat. Zum Final des Geocaches habe ich bereits eine Vermutung. Aber diese Geschichte wird vielleicht später auf einem anderen Blog erzählt ;-)

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Roman

Stefanie Sargnagel – Dicht

CN dieses Buch: Drogenmissbrauch, Obdachlosigkeit, Verwirrung, Krankheit, Tod, Suizid, sexuelle Handlungen, Gewalt
CN dieser Post: –


Die Autorin war mir zuvor aus den sozialen Medien bekannt, habe mich aber nie wirklich mit ihrer Arbeit beschäftigt. Ich halte mich ja nach Möglichkeit von sozialen Medien und speziell ihren aufgeplusterten Dramen fern. Den Roman hab ich wegen eines Literatur-Geocaches gelesen und tatsächlich ist mir auch beim ersten Versuch die Lösung gelungen (das kommt sehr selten vor, irgendeine Kleinigkeit ist ja immer …).

Das Buch begleitet die Ich-Erzählerin auf ihren Streifzügen durch das Wien ihrer Jugend, bei denen sie sich in für Eltern haarsträubende Situationen bringt und doch wie durch ein Wunder niemals zu Schaden kommt. Schule ist uninteressant, konsumiert wird, was da ist. Sie beschreibt allerhand originelle Menschen und Situationen, was durchaus Unterhaltungswert hat. Einen tieferen Sinn konnte ich dem Buch jedoch nicht entnehmen. Auf der Wikipedia-Seite wird der Roman als autofiktional bezeichnet.

Autofiktion bezeichnet in der Literaturwissenschaft einen „Text, in dem eine Figur, die eindeutig als der Autor erkennbar ist […], in einer offensichtlich […] als fiktional gekennzeichneten Erzählung auftritt“.[1] Der Begriff geht auf den französischen Schriftsteller und Kritiker Serge Doubrovsky zurück, der Autofiktion als „Fiktion strikt realer Ereignisse und Fakten“ definierte.[2]

(Was vermutlich einen Kunstgriff darstellt, um eigene Erlebnisse in einem Text zu verarbeiten und aber trotzdem immer behaupten zu können, dass es ja alles nur Fiktion wäre?)

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Roman

Kurto Wendt – Sie sprechen mit Jean Améry, was kann ich für Sie tun?

CN dieses Buch: Vandalismus
CN dieser Post: –


Auf eben dieses Mittelstück war auch die städtische Hauptbücherei gesetzt worden. Wie ein großes Schlachtschiff der Intellektualität, an der Grenze zwischen bürgerlicher Innenstadt und proletarischer Vorstadt, nicht als Ausschluss, sondern als Vermittlung, so wurde sie wahrgenommen. Auch wenn der sinnliche Eindruck der Ecke klarmachte, dass das Bücherschiff von beiden Seiten nur geduldet war, weil es die Verkehrshölle nicht behinderte.

Der rebellische Frank schlägt sich von einem Gelegenheitsjob zum nächsten durch, hat ein freundschaftliches Verhältnis zu seiner AMS-Beraterin, eine Vorliebe für selbst organisierten Vandalismus verbunden mit einem ausgeprägten moralischen Gewissen. Seine Abneigung gegenüber dem aktuellen aufgebrummten Job im Callcenter eines österreichischen Netzbetreibers legt er um in einen kreativen Umgang mit den Kund:innen, der ihm schließlich zum Sprung in die Platin-Abteilung verhilft. Seine Konversation mit der verehrten Frau Kammersängerin ist ein absolutes Highlight. Dass in der Geschichte eigentlich nicht viel passiert, ist dabei absolute Nebensache. Wie im obigen Zitat angedeutet, beschreibt der Autor mit viel Detailverliebtheit verschiedene Orte in Wien. Auf das im Buch oft besuchte Lokal in Ottakring bin ich schon sehr gespannt.

Randnotiz: Beim Lesen dieses Buchs musste ich sehr an eine bestimmte Person aus meiner Vergangenheit denken. Aus Gründen sind wir nicht mehr in Kontakt, daher kann ich das Buch nicht weiter reichen.

Randnotiz 2: Erst nach dem Posten habe ich bemerkt, dass dies der 900. veröffentlichte Post in diesem Blog ist! 900 Bücher in nicht ganz 15 Jahren.

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Roman

Angela Lehner – Vater unser

CN dieses Buch: Suizid, Körperfunktionen und -flüssigkeiten, Essstörung, sexueller Missbrauch von Kindern, sexuelle Handlungen
CN dieser Post: Erwähnung eines Mahnmals über Missbrauch, Folter und Ermordung von Kindern und Jugendlichen (in der Realität, nicht im Roman)


Vor dem Mahnmal steht eine Tafel, die über ein Ereignis informiert, von dem in Österreich alle wissen, an das wir uns aber nicht gern erinnern. Wir Opfer haben eben ein schlechtes Gedächtnis, wir können nichts dafür.

Dieses Buch habe ich wie so viele in letzter Zeit aus den literarischen Geocaches heraus gefischt. Es ist ein sehr interessanter Roman, der eine Protagonistin zeigt, die als Ich-Erzählerin zu Anfang und auch später immer wieder sehr glaubhaft und kompetent wirkt. Stück für Stück stellt sich jedoch heraus, dass wir Leser:innen ihr nicht wirklich vertrauen können. Ich fühlte mich an ein Buch erinnert, das ich kürzlich gelesen habe, das auch eine Protagonistin zeigt, deren Verwirrung sich erst im Verlauf der Geschichte enthüllt.

Schauplatz ist zu einem großen Teil das Wiener Otto-Wagner-Spital, das auf eine wechselhafte Geschichte zurück blickt. Das obige Zitat bezieht sich auf die Zeit des Nationalsozialismus, in der auf dem Gelände die Jugendfürsorgeanstalt »Am Spiegelgrund« eingerichtet war. Unter dem Deckmantel der Nervenheilanstalt wurden „kranke, behinderte und „nicht erziehbare“ Kinder und Jugendliche medizinischen Versuchen ausgesetzt“, gequält und auch ermordet. Daran erinnern die 772 Licht-Stelen des Mahnmals für die Opfer vom Spiegelgrund.

Ein Mensch, der weiß, dass weniger okay wäre, aber mehr macht, wurde an irgendeinem Punkt im Leben zum Optimum erzogen. Da hat jemand von diesem Menschen das maximal Richtige verlangt. Das Richtigste sozusagen. Daran hat sich der Mensch gewöhnt.

Das Buch hat mich sehr nachdenklich gemacht, da die Protagonistin teilweise sehr gezielt die Tiefen der menschlichen Persönlichkeit auslotet. Viele ihrer „Diagnosen“ klingen schlüssig und erwecken erfolgreich den Eindruck, dass sie eigentlich ihrer Umwelt geistig voraus ist. Wie sich dieser Eindruck mehr und mehr auflöst, und doch immer wieder Zweifel aufkommen an der Wahrheit ihrer Wahrnehmungen der Aussagen und Handlungen anderer, fand ich mitreißend und sehr gelungen.

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Krimi Roman

Edith Kneifl – Endstation Donau

CN dieses Buch: Mord, Gewalt, sexuelle Handlungen
CN dieser Post: –


Aus Gründen lese ich aktuell nur so genannte leichte Literatur. Dieser Krimi kam aber immerhin mit einem Literatur-Geocache im Gepäck, der vergleichsweise einfach zu lösen war (und den ich auch verlinken darf, weil der Titel des Buches auch der Titel des Caches ist). Am Ende fehlte mir nur eine Antwort und die konnte ich aus dem Kontext erraten und somit den Multichecker zufrieden stellen. Das Final befindet sich an einem thematisch passenden Ort, der allerseits so abseits liegt, dass er mir ein enerviertes Schnaufen entlockte.

Wenn ich mehrere Krimis hintereinander lese, fallen mir leider die Muster auf, nach denen viele dieser Krimiserien aufgebaut sind.

  1. Zuerst stellt sich immer die Frage, ob die Protagonist:in selbst mit Polizeiarbeit zu tun hat oder nur zufällig in Kriminalfälle stolpert (in diesem Fall Zweiteres, wirkt oft unglaubhaft bei wiederholtem Auftreten).
  2. Dann spielt die Persönlichkeit dieser Protagonist:in natürlich eine große Rolle: Ist sie rebellisch, unkonventionell und will sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden geben? Oder ist sie eher bedacht, vorsichtig und nähert sich der Lösung auf intellektuelle Weise durch das Kombinieren von Hinweisen an? (in diesem Fall Ersteres, wirkt oft sympathischer, kann aber in Kombination mit dem Hineinstolpern in Kriminalfälle [siehe Punkt 1] den Effekt des „Oida, wie dumm kann ein Mensch sein?“ auslösen).
  3. Viele sympathische Krimis würzen mit Elementen, die nicht traditionell zum Krimigenre gezählt werden: Lokalkolorit, kulinarische Ergüsse, interessante Fakten über die Orte, an denen sich die Ereignisse abspielen (in diesem Fall alles davon: die Wiener Kleinganoven treffen sich am Mexikoplatz und auch andere Wiener Schauplätze dürfen mitspielen, die Protagonist:in darf sehr teuren Kaviar verkosten, die einzelnen Schauplätze der Donaukreuzfahrt werden ausführlich beschrieben inkl. den problematischen Themen der Regionen [Wilderei, Umweltverschmutzung, Armut]).

Wenn ich jetzt noch mehr Krimis lese, fallen mir vermutlich auch noch mehr Parallelen auf. Einen hab ich noch hier liegen, der auch eine Geocache-Verbindung hat. Spätestens danach muss ich mich wieder anderen Themen zuwenden, damit mir die Krimis nicht langfristig zum Hals heraushängen.