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Roman

Salvatore Niffoi – Die barfüßige Witwe

Endstation made with Cam+

„Aber wenn wir alt sind, haben wir uns dann immer noch so lieb wie jetzt?“
„Wir haben uns auch noch lieb, wenn wir gestorben sind, Mintò!“

Es erscheint als bemerkenswerte Ironie, dass es Salvatore Niffoi einerseits gelingt, dieses Versprechen sterben zu lassen und andererseits in der Erfüllung dieses Versprechens andere sterben zu lassen. Es entspinnt sich eine Liebesgeschichte zwischen Mintonia und Micheddu, der im trostlosen Sardinien der Zwischenkriegszeit vom Kleinkriminellen schließlich zum gesuchten Banditen wird. Gegen die Widerstände der Familien heiraten die beiden, versuchen sich in der kargen Landschaft ein Leben aufzubauen. Doch eine Intrige reißt sie auseinander: das Buch beginnt mit dem Tod Micheddus, er wurde ermordet, angeblich in Notwehr. Seine Frau will dies natürlich nicht glauben. In ihrer Lebensbeichte erzählt sie die Entstehung dieser unmöglich scheinenden Liebe, angefangen von ihrer Kindheit über die Heirat und die trostlose Zeit ihrer Ehe, die sie zumeist getrennt verbringen, Micheddus schließlich unleugbar werdende Affären, bis zur Zeit nach Micheddus Tod. Sein zweites Kind trägt Mintonia noch im Bauch.

Nur Blut sag ich in meinen Augen, bitteres Blut, das mir glühend in den Kopf stieg. Tziu Imbeces Ratschläge, das Beispiel von Mannai Gantina, die in ihrem Leben keine einzige Fliege getötet hatte, die Bücher, die ich wie Brot unter den Eichen konsumiert hatte, der Unterricht bei Mastru Ramiro liefen an mir herunter wie Wasser auf den wächsernen Blättern der Steineiche. In mir kochte ein ursprünglicher Hass, der sich von nichts und niemandem bändigen ließ.

Letztendlich lässt sich der Hass nur durch Rache beruhigen. Auge um Auge, so hält es die Familienjustiz in diesen dunklen Tagen in einsamen Dörfern, wo es kaum eine Zukunft gibt, schon gar nicht für Mintonia, die Frau des ermordeten Banditen Micheddu. Ihre Rache erschüttert und berührt zugleich. Eine einfühlsame Geschichte über eine unmögliche Liebe.

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Sachbuch Unterhaltung

Karl Shaw – Das Lexikon der Geschmacklosigkeiten

Torte(c)Lichtbild Austria/PIXELIO

Terry Kath, der Gitarrist der US-Band Chicago, hielt sich 1978 auf einer Party in seinem Haus eine Pistole an den Kopf, die er irrtümlicherweise für nicht geladen hielt.

Eine Sammlung von ähnlich spannenden Weisheiten findet man in Karl Shaws Lexikon der Geschmacklosigkeiten. Wer sich an solchen Informationen ergötzen kann, findet hier jede Menge Material. Über diesen Geschmack möchte ich jetzt gar nicht diskutieren.

Kaiserin Elisabeth von Österreich (1837-1898). Am 10. September 1898 hielt sich die Gemahlin des österreichischen Kaisers Franz Joseph in Genf auf und wollte gerade an Bord eines Schiffes gehen. Auf dem Weg vom Hotel zur Anlegestelle stach ihr der 26-jährige italienische Arbeiter Luigi Lenchini mit einer Feile in die Brust. Der Mörder gab später zu, dass er persönlich gar nichts gegen die Kaiserin hatte und eigentlich König Umberto II. von Italien töten wollte, sich aber die fünfzig Lire nicht leisten konnte, die die Fahrt bis nach Rom gekostet hätte.

Wäre diese Anekdote nicht auf den letzten Seiten des Buchs verewigt, hätte ich das Buch tatsächlich vorzeitig weggelegt. In jedem Fall hieß der Attentäter Luigi Lucheni. Geläufig ist mir aus der Elisabeth-Biografie von Brigitte Hamann, dass Lucheni eigentlich den Herzog von Orleans ermorden wollte, diese jedoch nicht am geplanten Tag eintraf. Ob die Geschichte mit Umberto von Italien stimmt, kann ich also nicht nachweisen (persönlich sowieso nicht und auch nicht mit Quellen), aber hier zeigt sich auf jeden Fall, dass nicht genau recherchiert wurde. Wie glaubwürdig sind also die anderen Anekdoten zu beurteilen?

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Erzählung Klassiker

Joseph Conrad – Das Herz der Finsternis

Seeadler(c)Dietrer/pixelio.de.jpg

Und schließlich neigte sich die Sonne auf ihrer vorgezeichneten unsichtbaren Bahn tief herab und wechselte von gleißendem Weiß zu stumpfem Rot, ohne Strahlen und ohne Wärme, als wolle sie, wie tödlich getroffen von der Berührung mit der Dunstglocke über einer Menschenmenge, plötzlich verlöschen.

Wie ich nun nachträglich der Wikipedia entnehmen konnte, basiert Joseph Conrads Erzählung „Herz der Finsternis“ auf seinen eigenen Erfahrungen als Kapitän. Während der Lektüre hatte ich mich öfter gefragt, wo diese Flussfahrt eigentlich passiert, falls es irgendwo genau definiert wurde, habe ich das wohl überlesen. Conrad selbst war Kapitän auf einem Flussdampfer an den Stanley-Fällen im Kongo.

Die Untätigkeit als Passagier, meine Einsamkeit inmitten all der Leute, mit denen mich nichts verband, die spiegelglatte, unbewegte See, das gleichförmige Dunkel der Küste schienen mich wie in traurigem, dumpfem Wahn von der Wahrheit der Dinge fernzuhalten. Wenn manchmal die Stimme der Brandung herüberdrang, dann freute ich mich richtig darüber, wie über die Rede eines Bruders.

Er beschreibt das Leben auf dem Flussdampfer in allen Einzelheiten. Die Zusammenarbeit mit den „Wilden“, die er als Hilfen anheuern muss. Er verliert seinen mühsam angelernten Steuermann und ist erneut auf sich gestellt. Sein ganzes Denken richtet sich auf das Finden des bejubelten Mr. Kurtz, der als Legende im Urwald lebt.

Ein bißchen erinnerte mich die Erzählung an Gabriel Garcia Marquez: Bericht eines Schiffbrüchigen. Gleichzeitig bleibt Joseph Conrad seltsam distanziert, obwohl er doch seine eigenen Erfahrungen beschreibt. Mehr konnte ich diesem Buch leider nicht entnehmen.

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Unterhaltung

Pascal Mercier – Nachtzug nach Lissabon

Lissabon(c)paulosimao/SXC

Und zu dieser sonderbaren, beunruhigenden Unzuverlässigkeit meines Urteils kommt noch eine Erfahrung hinzu, die, seitdem ich sie kennengelernt habe, mein Leben stets von neuem in eine verstörende Unsicherheit taucht: dass ich in dieser Sache, über die hinaus es für uns Menschen eigentlich nichts Wichtigeres geben kann, genauso schwanke, wenn es um mich selbst geht.

Wird ein Roman von der Kritik zu sehr hochgejubelt, kann dies auch dazu führen, dass man ihn gar nicht erst angreifen will, weil man sich vor einer zwangsläufigen Enttäuschung fürchtet. „Nachtzug nach Lissabon“ war für mich so ein Roman, der auf dem Regal der ungelesenen Bücher sitzend auf mich herunterstarrte. Die Bedenken hätten nicht unangebrachter sein können.

Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist – was geschieht mit dem Rest?

Der Lehrer Raimund Gregorius verlässt mitten im Unterricht seine Klasse, um sich auf den Weg nach Lissabon zu machen. Eine Portugiesin, die er nie wiedersehen wird, bringt ihn auf die Spur eines portugiesischen Autors und Schriftstellers. Dessen Gedanken zu unterschiedlichsten Bereichen des Lebens bringen Gregorius zum Nachdenken über sein Leben. Was hat er verpasst? Was hätte er anders machen können? Ein Roadmovie auf den Spuren von Amadeu de Prado beginnt. Gregorius lernt nicht nur den Autor sondern sich selbst neu kennen.

Es ist der Tod, der dem Augenblick seine Schönheit gibt und seinen Schrecken. Nur durch den Tod ist die Zeit eine lebendige Zeit. Warum weiß das der HERR nicht, der allwissende Gott? Warum droht er uns mit einer Endlosigkeit, die unerträgliche Ödnis bedeuten müsste?

Gregorius entdeckt Amadeu de Prado als äußerst vielfältigen und differenzierten Menschen. Sowohl seine Familie als auch seine damaligen Freunde spürt Gregorius auf. Er schafft es, von allen angenommen und ins Vertrauen gezogen zu werden. Er spielt Schach in einem verrauchten portugiesischen Schachclub, lässt sich eine neue Brille anpassen und kauft sich schließlich einen neuen Anzug. Durch das, was Gregorius über den Autor erfährt, erkennt er immer mehr über sich selbst und fühlt sich Prado zunehmend näher als seinem eigenen Leben zuhause in Bern.

Er vermisse auf der Liste die Liebe, sagte Gregorius. O’Kellys Körper spannte sich, und für eine Weile war er hinter dem Rausch wieder ganz wach. „Daran glaubte er nicht. Mied sogar das Wort. Hielt es für Kitsch. Es gebe diese drei Dinge, und nur sie, pflegte er zu sagen: Begierde, Wohlgefallen und Geborgenheit. Und alle seien sie vergänglich. …“

Obwohl Amadeu de Prado selbst nur durch die Worte in seinem Buch und durch die Erzählungen der Menschen, die ihn kannten, zu Wort kommt, prägt sein Leben Gregorius’ Bild von der Gesellschaft. Lange fragt man sich, zu welchem Ende Mercier diese Geschichte wohl führen wird: Wird Gregorius eine Wahrheit über sein Leben erkennen und dann geläutert zurückkehren? Wird er sein bisheriges Leben zurücklassen und in Lissabon die geheimnisvolle Frau von der Brücke wiederfinden? Wird Gregorius sterben und diese ganze verrückte Reise ist nur die Folge eines Gehirntumors, der ihm die Sinne verwirrt? Ahnt er bereits, das er sterben muss, als er aus seinem Leben ausbricht, um sich auf die Suche nach Prado zu machen?

Aber wenn wir uns aufmachen, jemanden im Inneren zu verstehen? Ist das eine Reise, die irgendwann an ihr Ende kommt? Ist die Seele ein Ort von Tatsachen? Oder sind die vermeintlichen Tatsachen nur die trügerischen Schatten unserer Geschichte?

Nicht alle Fragen werden beantwortet. Das ist auch nicht nötig, denn wer Gregorius’ und Prados Geschichte aufmerksam verfolgt, wird daraus problemlos Erkenntnisse für sich selbst ziehen können. Ein Meisterwerk, das Jubel und Recht zurecht erhalten hat.

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Roman

Guillaume Musso – Ein Engel im Winter

Nach langen Wochen habe ich es endlich geschafft, alle alten Blogeinträge von last.fm ins neue WordPress zu übertragen und auch wenn die Zeit zum Lesen in letzter Zeit knapp war, hat sich einiges an Material angesammelt. 

Ein Engel im Winter habe ich von meiner Schwester zu Weihnachten bekommen, sie hat es von meiner Amazon Wunschliste herausgepickt, wo ich schon gar nicht mehr wusste, dass ich mir das gewünscht hatte. Es war auf jeden Fall ein Glücksgriff, ein ausnehmend mitreißender Roman über das Leben, den Tod und die Liebe.

“Und was war am Ende des Tunnels?”
“Ich kann es nicht in Worte fassen.”
“Bitte, versuch es.”
Das Kind fuhr also fort. Seine Stimme wurde immer leiser. “Eine Art weißes Licht – stark und mild zugleich.”
“Erzähl weiter.”
“Ich wusste, dass ich sterben würde. Ich wollte auf das Licht zugehen, aber da war so etwas Ähnliches wie eine Tür, die mich daran hinderte.”

 Der Protagonist Nathan Del Amico wäre als Kind beinahe in einem Teich ertrunken und hat dabei eine Nahtoderfahrung erlebt, der er sich im Erwachsenenalter erneut stellen muss. Er ist geschieden und liebt sein Kind über alles, da seine Frau ans andere Ende von Amerika gezogen ist, kann er seine Tochter jedoch nicht so oft sehen. Warum seine Ehe auseinander gegangen ist, weiß er selbst nicht mehr. 

Dass er um seine Frau kämpfen muss, wird ihm erst durch einen Boten klar. Erst nach einiger Zeit erkennt er in dem Arzt, der ihn auf seltsame Weise belästigt, den Arzt, der ihm damals das Leben gerettet hat. 

Sie hielt den Ring mit aller Kraft fest und rezitierte in Gedanken wie eine Beschwörung:
Stark wie der Tod ist die Liebe.
Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen,
auch Ströme schwemmen sie nicht weg. 

Eine sich langsam aber stetig entwickelnde Geschichte steuert auf ein dramatisches Ende zu. Wunderbar aufgebaut und mit der Botschaft, die man sich immer wieder vergegenwärtigen sollte: Man weiß nie, wann der Tod zu einem kommt, daher sollte man jeden Tag leben, und seinen Lieben diese Liebe immer wieder zeigen.