Categories
Roman

Hannu Raittila – Canal Grande

CN: Alkoholmissbrauch, Andeutung sexueller Handlungen


Ein dem Leben völlig entfremdetes wissenschaftliches Erkenntnisinteresse führt einen solchen Wissenschaftler dazu, sogar den eigenen Tod interessiert zu betrachten.

Ein weiterer Ausflug in die finnische Literatur, angestoßen durch einen weiteren Literatur-Geocache. Eine Gruppe von Expert:innen aus Finnland besucht Venedig. Über den Zweck dieser Reise herrschen unter den Beteiligten unterschiedliche Annahmen vor. Der Ingenieur Marrasjärvi fühlt sich berufen, die Strömungen der Kanäle und der Lagune zu untersuchen, um so herauszufinden, wie Venedig vor dem Versinken gerettet werden kann. Dabei stets an seiner Seite steht der wackere Dozent Heikkilä, der aus kunsthistorischer Sicht auf die Stadt – und das gesamte Leben – blickt. Kulturrätin Snell sieht ihre Aufgabe hauptsächlich darin, in Italien die finnische Lebensart bekannter zu machen (unter anderem verschenkt sie praktikables finnisches Geschirr, mit dem die Italiener:innen nichts anfangen können). Vierter im Bunde ist Saraspää, der eigentlich nur von Bar zu Bar taumelt und generell nur seine eigenen Ziele (die allerdings der Leser:in verborgen bleiben) verfolgt.

Unterhaltsam ist das hauptsächlich deshalb, weil die geradlinige finnische Lebensart mit der italienischen Leichtigkeit immer wieder in Konfrontation gerät. Des Öfteren fragt sich der Ingenieur, wie denn hier jemals etwas zustande gebracht werden kann und warum sich die Italiener:innen nicht ein Beispiel am skandinavischen Vorbild nehmen. Eine großartige Szene ist auch, als Marrasjärvi und Heikkilä verhaftet werden, weil die vom Ingenieur angebrachten Strömungsmesser für Terrorismus gehalten werden. Im Rahmen der Aufklärung dieses Missverständnis muss unverhältnismäßig viel Espresso aus winzigen Tassen getrunken werden, was aus der Sicht des Ingenieurs völlige Zeitverschwendung darstellt.

Ich fühlte mich erinnert an Die große Hitze, einen Roman, der die österreichische Bürokratie aufs Korn nimmt und köstlich parodiert. Ein literarisches Werk finnischer Herkunft, das Kulturdifferenzen als Grundlage nimmt und darauf aufbauend eine interessante Geschichte konstruiert.

Jeder vernünftige Mensch begreife, dass das Leben unmöglich wäre, wenn man die Gesetze wörtlich nähme.

Categories
Krimi Roman

Donna Leon – Verschwiegene Kanäle

Spät in der Nacht habe ich mangels anderer Optionen ein neues Buch angefangen und irgendwie konnte ich mich zu nichts anderem durchringen als dem letzten Band aus dem Sammelsurium der Brunetti-Reihe, die ich vor einigen Jahren aus einem Erbe erhalten habe.

Wie gewohnt (eine gewisser Gewöhnungseffekt hat sich schon lange vor dem 12. Fall eingestellt) wird ein gesellschaftskritisches Thema behandelt, in diesem Fall einerseits politische Korruption und andererseits die Seilschaften, die in politischen und militärischen Kreisen bestimmen, wer gewinnt und wer verliert. Wie so oft wird der Fall zwar aufgeklärt, die Verantwortlichen jedoch nicht zur Verantwortung gezogen. Ein Muster, das vermutlich so realistisch wie frustrierend ist.

Categories
Krimi

Donna Leon – Die dunkle Stunde der Serenissima

Nach der schweren Kost brauchte ich zur Entspannung etwas Leichtes. Das Leichteste auf meinem Bücherregal war definitiv der letzte der geerbten Brunetti-Bände. Achtung, es folgt ein Spoiler: dass aus einer Geschichte, die sich zuerst um gestohlene bzw. ergaunerte Gemälde und andere Kunstgegenstände dreht und dabei viele geschichtliche Fäden Richtung Kriegsgeschehen aufnimmt, am Ende ein Eifersuchtsdrama wird, fand ich schon eher enttäuschend. Alle schwierigen Themen werden nur angerissen, alles bleibt an der Oberfläche. Damit bin ich jetzt definitiv durch.

Categories
Krimi Roman

Donna Leon – Beweise, dass es böse ist

Vor ewigen Zeiten hatte ich mir mal diese Zeilen aus einem Interview mit Donna Leon notiert, das ich in einer Zeitung gelesen hatte. Es passt an dieser Stelle recht gut, weil gerade bei diesem Buch es genau so wirkt: als hätte sie sich vorher nicht überlegt, wer die böse Nachbarschaftshexe ermordet haben könnte.

Sie sagen, dass Sie beim Schreiben nie wissen, wie ein Fall ausgehen wird …
Ich denke nicht darüber nach, das kommt von selbst.

Was gibt Ihnen diese Sicherheit?
Ich verlasse mich darauf, dass ich als Studentin Hunderte solcher Werke gelesen habe. Es ist wie mit einer Haydn-Sinfonie: Wenn Sie 103 gehört haben und die 104. erklingt, wird Sie nichts überraschen, Sie wissen blind, wohin Sie welcher Ton führt.

Roter Faden sind die sieben Todsünden, die in den Gesprächen zwischen Brunetti und seiner Frau immer wieder gestreift werden. Leider muss ich sagen, dass dies für mich wirklich der langweiligste Brunetti-Roman ever ist. Zwei (geerbte) Bände stehen immer noch auf dem Regal der ungelesenen Bücher. Vielleicht packe ich sie gleich in einen Karton …

Reading Challenge 2015: A book you own but have never read

Categories
Krimi Roman

Donna Leon – Blutige Steine

Es könnte eventuell wieder ein kurzer Beitrag sein, zum Zwecke der weihnachtlichen Entspannung wollte ich mir wieder mal einen gepflegten Krimi vom Regal nehmen, diesen Zweck hat der Brunetti auch diesmal wieder erfüllt. Der Spannungsfaktor ist diesmal eher dezent, es kommt bis zum Schluss zu keinem Showdown. Trotzdem finde ich diesen Krimi besser aufgebaut als viele andere. Brunetti kämpft diesmal weniger gegen die tatsächlichen Mörder sondern gegen die internen Querelen. Sein Chef untersagt ihm die Ermittlungen, sowohl Innen- und Außenministerium mischen sich ein und sogar auf den Computer der kompetenten Sekretärin Elettra wird von außen zugegriffen. Von allen Brunetti-Krimis der letzten Zeit hat mir dieser deutlich besser gefallen, aber es bleibt natürlich nach wie vor dabei, dass der Brunetti einfach Geschmackszache ist. Mit einem Harry Hole ist er sowieso nicht zu vergleichen. Steht da nicht auch noch was im Regal? Ich muss weg …

Categories
Krimi Roman

Donna Leon – Wie durch ein dunkles Glas

Mit diesem Brunetti-Roman habe ich etwas Neues versucht. Am Kindle hatte ich aktuell A Million Little Pieces, das eignete sich nicht zum Lesen kurz vor dem Schlafengehen und auch der Typografiewälzer von Robert Bringhurst erwies sich als ungeeignet für die Bettlektüre. Also den Brunetti direkt neben das Bett und das war die perfekte Entscheidung. Nur ein Toter, der erst in der zweiten Hälfte des Romans das Zeitliche segnet, eigentlich kann man hier beinahe nicht von einem Krimi sprechen. Und trotzdem zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Categories
Krimi Roman

Donna Leon – Das Gesetz der Lagune

Wie jedes Mal weiß ich nicht so recht, was ich über den Brunetti-Krimi schreiben soll. Gerade bei einem Krimi soll man ja die Handlung nicht verraten und den Brunetti mag man eben oder man mag ihn nicht (kenne Personen beider Lager). Ich lese ihn immer wieder mal zwischendurch und als Nebenbei-Buch für die Pausen zwischen 1Q84 (es ging so schnell vorbei), eignete es sich perfekt.

Wiederum spitzte sich hier die Handlung gegen Ende auf einen Knalleffekt zu, lange bleibt der Täter im Dunklen und letztendlich ist der Verlust eines langjährigen Brunetti-Begleiters zu beklagen, der sich vermutlich auch noch in den nächsten Romanen schmerzhaft bemerkbar machen wird.

Categories
Krimi Roman

Donna Leon – Feine Freunde

Er dachte an Paola, die gesagt hatte, wie froh sie sei, dass sie an Drogen nie etwas gefunden hatte, weil sonst alles mögliche hätte passieren können; er selbst besaß nicht ihre Aufgeschlossenheit und hatte Drogen nie probiert, auch als Student nicht, als alle um ihn herum dieses oder jenes rauchten und ihm versicherten, nur so könne er seinen Geist von den beengenden Vorurteilen des Bürgertums befreien. Sie hatten sich nicht vorstellen können, wie sehr er damals nach bürgerlichen Vorurteilen strebte, nach allem Bürgerlichen überhaupt.

Da hat sich diesmal ein sehr bezeichnender Satz gefunden, der möglicherweise auch eine Antwort an all jene schickt, die den Kommissar Brunetti stets für seine Bürgerlichkeit verachten. Auch ich kann nicht verhehlen, dass ich abgründige Charaktere im Allgemeinen spannender finde. Wenn man sich jedoch auf Brunetti einlässt, dann findet man mit „Feine Freunde“ einen relativ vielseitigen Krimi, der mit Drogensucht, Zinswucher und Korruption gleich mehrere heiße Themen behandelt und zu einem großen Ganzen verknüpft. Nicht überragend ist allerdings das Ende, das sich anfühlt, als hätte die Autorin noch dringend einkaufen müssen. Beinahe erwartungsgemäß.

Categories
Krimi Roman

Donna Leon – In Sachen Signora Brunetti

Sonne im Winterwald

Ach, welch beruhigende Normalität entfaltet sich in Donna Leons Venedig. Selbst bei einem einigermaßen originellen, wenn auch wenig spannenden Kriminalfall, selbst wenn Brunettis Frau wenn schon nicht betroffen, doch zumindest involviert sein könnte … selbst dann plätschert Brunetti ruhig und entspannt vor sich hin. Eine Erholung sozusagen …

Brunettis Frau Paola ist eine sehr moralische Frau mit starken Wertvorstellungen. Die Kirche ist ihr ein Dorn im Auge, wie man in mehreren der Krimis lesen kann. In diesem Fall wendet sich ihr Ärger gegen ein Reisebüro, das Reisen nach Thailand anbietet – ein Deckmantel für Kinderprostitution. Die Reisen anzubieten ist in Italien keine Straftat, was in Thailand geschieht, bleibt in Thailand. Was genau Paola bezwecken will, indem sie dem Reisebüro die Scheibe einwirft, bleibt im Unklaren. Die Medienaufmerksamkeit hätte sich doch wohl auch ohne diese Straftat auf diese Ungerechtigkeit lenken lassen? Im Gegensatz zur Lösung des Kriminalfalls gibt es für diesen Konflikt zwischen dem Ehepaar keine Lösung. Wie real, aber leider auch langweilig. Wieder mal. Aber schnell vorbei. Und erholsam. Irgendwie.

Categories
Krimi Roman

Donna Leon – Nobilta

Venedig (c) robe68/SXC

Das altrömische Thema fand drinnen seine Fortsetzung, denn Patta saß im Profil und präsentierte seine wahrhaft römische Imperator-Nase. Als er den Kopf zu Brunetti umwandte, wich das Kaiserliche etwas eher Schweinsähnlichem, was daher kam, dass Pattas Augen mit der Zeit immer tiefer in dem ewig gebräunten Gesicht verschwanden.

Wie man auch meinen vorherigen Posts zu den Brunetti-Krimis entnehmen kann, fällt mir meistens nicht viel ein. Würde man das beschriebene Verbrechen nacherzählen, wäre der ganze Spaß verdorben. Wie so oft ergibt sich die Auflösung erst auf den letzten Seiten, während vorher Kapitel über Kapitel nichts zu passieren scheint. Es bleibt ein ums andere Mal nur dies zu sagen: wer diese Art von Krimis schätzt, wird daran nichts auszusetzen haben. Ich selbst zähle mich bedingt zu dieser Gruppe. Für mich ist ein Brunetti-Krimi eine willkommene Abwechslung, wo nicht allzuviel Denkarbeit nötig ist, denn das Tempo, indem Brunetti die Kriminalfälle löst, reicht im Allgemeinen aus, um den Leser gerade beim Thema zu halten, aber nicht zu sehr zu beschäftigen. So kann man auch mal eine Woche Pause machen und hat keine schlaflosen Nächte, weil man den Mörder noch nicht kennt. Schließlich entfaltet sich auch hier eine Ebene unter dem offensichtlichen Mord, Motive, die mit dem Opfer nur bedingt zu tun haben. Ein geschickt getarnter, manchmal etwas langatmig aufgedeckter Kriminalfall für Kommissar Brunetti.