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Roman

Katja Kettu – Die Unbezwingbare

CN dieses Buch: Gewalt gegen Menschen, Kinder, Tiere; sexuelle Handlungen, Masturbation; sexueller Missbrauch von Kindern, Krankheit (Krebs, Demenz, Neurosyphilis, Typhus), Zwangssterilisation, Totgeburt, Rassismus
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Ich war verdutzt, weil mir der Gedanke, dass ich mich hier auf meinem eigenen Land befand, gar nicht gekommen war. Dass ich überhaupt irgendwelches Land hätte, von dem ich fortgehen und auf das ich zurückkehren könnte.

Dieses Buch erzählt eine Geschichte von zwei unterdrückten Minderheiten: die indigene Bevölkerung im Ojibwe-Reservat in Minnesota und die finnischen Migrant:innen, die sich in derselben Gegend niederlassen. Beide Gruppen werden von der weißen Mehrheit diskriminiert und nicht als menschlich angesehen bzw. behandelt. Die erwachsene Lempi kehrt in das Reservat zurück, in dem sie als Tochter einer Ojibwe-Mutter und eines finnischen Vaters aufgewachsen ist. Ihre Mutter Rose ist auf mysteriöse Weise verschwunden, als Lempi acht Jahre alt war. Ihr Vater leidet nun an Demenz und steht unter Verdacht, am Verschwinden einer Jugendlichen beteiligt zu sein. Lempi kehrt in ihr Heimatland zurück aus der christlichen Gemeinde, in der sie sich gewissermaßen versteckt, um sich nicht mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen zu müssen. Doch die Rückkehr reißt alte Wunden auf. Das Verschwinden von Rose wird jedoch nicht durch Detektivarbeit aufgeklärt sondern durch eine scheinbar natürliche Wendung der Ereignisse. Lempi ist nicht bewusst auf der Suche nach ihrer Vergangenheit. Die Auseinandersetzung mit ihren Wurzeln ergibt sich fast gegen ihren Willen, sie kann sich jedoch dem Sog der Fragen nach den Ereignissen ihrer Kindheit auch nicht entziehen.

Es ist ein grausames Buch, das in vieler Weise aufzeigt, mit welcher Gewalt und unmenschlicher Behandlung sich unterdrückte Minderheiten konfrontiert sehen. Es ist gleichzeitig auch ein hoffungsvolles Buch, in dem Lempi ihre Vergangenheit nicht nur aufklärt, sondern darin auch eine neue Basis für ihre eigene Zukunft findet.

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Roman

Felix Mitterer – Keiner von uns

CN dieses Buch: Gewalt, Mord, sexueller Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung, Verstümmelung, Folter, Rassismus, Prostitution
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Die obige Liste an Content Notices klingt schlimmer als bei Game of Thrones … Tatsächlich enthält das Buch einige sehr üble Details, ist aber im Großen und Ganzen kaum schlimmer als die Folge einer Krimiserie, wie sie oft schon am Nachmittag im Privatfernsehen zu sehen ist. Nach diesem relativierenden Hinweis nun zum Autor.

Felix Mitterer wird im Allgemeinen als modernes österreichisches Literatur-Nationalgut behandelt. Bereits in meiner frühen Schulzeit lernte ich sein Kinderbuch Superhenne Hanna kennen, in späteren Schuljahren begegneten mir immer wieder seine Theaterstücke wie zum Beispiel Kein Platz für Idioten oder In der Löwengrube. Dass er 2020 seinen ersten Roman veröffentlicht hat, wurde mir jedoch erst durch einen Literatur-Geocache nahe gebracht.

Die Geschichte ist eine Fiktionalisierung des Lebens von Angelo Soliman, seiner Frau Clara und seiner Tochter Josephine. Viele historische Details scheinen korrekt (etwa der Todestag von Wolfang Amadeus Mozart und seine Bestattung in einem Massengrab), die Einblicke in die Gefühlswelten der Protagonist:innen und die Verbindungen zum Kaiserhaus sind genau so offensichtlich Fiktion. Mit Gusto zeichnet der Autor etwa die historisch dokumentierte flapsige Persönlichkeit des berühmten Komponisten nach. Er erfindet auch eine sehr gut in seinen Roman passende Entstehungsgeschichte für das von Mozart unvollendete Requiem, das auch heute noch Stoff für Diskussionen und Mythen bildet.

Mitterer versucht, seine Frauenfiguren stärker darzustellen, als es die damalige Zeit zugelassen hätte (ein Problem, das mich kürzlich auch schon in einem anderen Roman gestört hat). Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die meisten Charaktere eindeutig gut oder böse dargestellt werden. Der grausame Professor, die warmherzige Hure, der treue Krüppel, die kämpferische Tochter … all diesen Figuren fehlt es an Tiefe. Der Ausbruch aus dem Narrenturm zeigt deutliche Züge des Deus-ex-machina-Prinzips.

Trotz dieser Kritikpunkte habe ich den Roman großteils gern gelesen und mich auch an den Details aus dieser historischen Epoche erfreut. Nicht unerwähnt lassen möchte ich natürlich auch die gesellschaftskritische Komponente, die in nahezu allen Werken von Felix Mitterer tonangebend ist, und auch hier schon im Titel des Werks anklingt. Irgendwie würde mich sehr interessieren, was meine ehemalige Deutsch-Professorin zu diesem Werk zu sagen hätte.

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English Roman

Marilynne Robinson – Jack

CN dieses Buch: Rassismus, Suizid
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Nun also der vierte Teil der Gilead-Serie, der uns endlich einen Einblick in das tatsächliche Innenleben von Jack, den wir bisher nur durch die Augen des Reverends, seiner Frau Lila und Jacks Schwester Glory betrachten konnten. In den Gesprächen mit Glory (in Home) hatte sich bereits abgezeichnet, dass Jack tiefe Scham empfindet, weil er nach seiner Ansicht (die mit der vieler Menschen der Gesellschaft übereinstimmen dürfte) ein schlechter Mensch ist, der andere mit in die Tiefe zieht.

Dieses Besuch erzählt hauptsächlich die Geschichte und Entwicklung von Jacks Bekanntschaft mit Della Miles, einer afroamerikanischen Frau, Lehrerin und respektabel. Auch nur eine Bekanntschaft zwischen einem weißen Mann und einer afroamerikanischen Frau ist im St. Louis der beschriebenen Zeit dermaßen unmöglich, dass Jack sich nur vergewissern kann, dass Della sicher nach Hause kommt, indem er ihr auf der anderen Straßenseite folgt. Eine Beziehung wird sowohl von Seiten der weißen Gesellschaft als auch von Dellas Familie entschieden abgelehnt.

But excuses only meant that he had done harm he did not intend, which was another proof that he did harm inevitably, intentions be damned.

Mit diesem Zwiespalt plagt sich Jack das ganze Buch lang. Er liebt Della und will sie keinesfalls aufgeben. Gleichzeitig weiß er, dass es ihrer Reputation schadet, mit ihm gesehen zu werden, auch Dellas Familie sieht die Bekanntschaft als klar schädlich für sie an. Eine unlösbare Situation, die Jack immer wieder an den Rand der Verzweiflung treibt.

Am Ende bleiben weitere Fragen offen. Ein nächstes Buch sollte die Geschichte wohl aus der Sicht von Della weitererzählen. Dann erfahren wir vielleicht auch, wie es zu der scheinbar unbefleckten Empfängnis kam …

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Roman

Jean Rhys – Die weite Sargassosee

CN dieses Buch: Rassismus
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«Es war ein Lied über eine weiße Kakerlake. Damit bin ich gemeint. So nennen sie alle von uns, die hier waren, bevor ihre eigenen Leute in Afrika sie an die Sklavenhändler verkauften. Und ich habe selbst gehört, wie die englischen Frauen uns als weiße Nigger bezeichnen. Und wenn ich das alles höre, frage ich mich, wer ich bin und wo mein Land ist und wo ich hingehöre und wieso ich überhaupt geboren wurde. […] »

Leider habe ich dieses Buch über die letzten Wochen so fragmentiert gelesen, dass ich die Geschichte kaum zusammenhängend beschreiben kann. Und eine Einordnung traue ich mir schon gar nicht zu. Notiert habe ich mir zu diesem Buch leider nur dieses Zitat ohne entsprechende Quelle: „Wide Sargasso Sea imagines the secret life of Jane Eyre’s mad wife in the attic.“ 

… Wenn ich für die Hölle bestimmt war, dann sollte es eben die Hölle sein. Keine falschen Himmel mehr. Keine Magie mehr. Du hasst mich und ich hasse dich. Wir werden sehen, wer am besten hasst. Aber zuerst, zuerst werde ich deinen Hass zerstören. Jetzt. Mein Hass ist kälter, stärker, und du wirst keinen Hass haben, um dich daran zu wärmen. Du wirst nichts haben.

Die Geschichte wird in drei Teilen erzählt, in jedem Teil aus der Sicht einer anderen Person. Durch die unterschiedlichen Perspektiven wird ein detailreiches Bild ermöglicht von Zeit und Ort, von einer Epoche, die von Sklaverei, Rassismus, Heimatlosigkeit und immer wieder Hass geprägt ist.


Herr Rau schrieb über seine Schullektüre und ich wurde durch Beiträge von anderen Blogger*innen auf dieses Thema aufmerksam. Normalerweise interessieren mich solche Stöckchen ja nicht, aber nachdem es hier um Bücher geht, möchte ich auch etwas beitragen. An folgende Klassenlektüren kann ich mich spontan erinnern:

Felix Mitterer: Superhenne Hanna

Vermutlich das erste Buch, das wir als Klasse verordnet bekamen. In meiner Erinnerung geht es um Hühner, die unter der Führung der Titelheldin aus einer Käfigfarm ausbrechen. Eine Mischung aus „alles ist möglich, wenn wir zusammenhalten“ und „Aufstand gegen eine ungerechte Diktatur“.

Karl Bruckner: Sadako will leben

Der Fall der Atombombe auf Hiroshima. Das Buch erzählt die Geschichte von Sadako und ihrer Familie, wie sie in der Kriegszeit vor der Bombe leben und wie sich ihre Welt durch die Bombe verändert. Sadako glaubt bis zum Schluss daran, von der Strahlenkrankheit genesen zu können, wenn es ihr gelingt, 1.000 Origamikraniche zu falten. Ein Anti-Kriegs-Roman.

J. D. Salinger: Der Fänger im Roggen

Damit konnte ich damals überhaupt nichts anfangen. Mir erschien Holden Caulfield als sich selbst bemitleidend und abgehoben.

Madeleine L’Engle: Die Zeitfalte

Hätte damals ein Comfort Read sein sollen und speziell die weibliche Hauptfigur war definitiv eine Ausnahme innerhalb unserer Schullektüre. Leider war mir der Stil komplett unsympathisch.

Gernot Wolfgruber: Herrenjahre

Da habe ich mich durchgequält. Erschien mir damals sterbenslangweilig und bis heute ist mir nicht klar, was der Sinn und Zweck dieses Buches gewesen sein soll.

Ulrich Plenzdorf: Die neuen Leiden des jungen W.

Auch damit wusste ich nichts anzufangen. Das Konzept von Mord oder Selbstmord aus Liebe wollte mir sowieso niemals einleuchten. Beim Überfliegen des Wikipedia-Artikels stieß mir die Formulierung „verkanntes Genie“ ins Auge. Mit diesem Menschentypus komme ich bis heute nicht gut klar.

Das waren natürlich nur einige Bücher aus dieser ganzen Zeit, an die ich mich erinnere. Natürlich haben wir auch klassische Dramen (Antigone, die Version von Jean Anouilh, habe ich damals überhaupt nicht verstanden, warum es für sie so wichtig war, ihren Bruder zu begraben) gelesen oder teilweise als Schauspiel besucht (ich erinnere mich an Wer hat Angst vor Virginia Woolf? im Burgtheater (?), wobei das könnte auch im Rahmen des Theater der Jugend gewesen sein).

Bei vielen dieser Texte hatte ich das Gefühl, dass ich die Inhalte zwischen den Zeilen einfach nicht verstanden hatte, weil sie aus einer anderen Welt stammten. Aus einer Welt, deren Regeln ich als Kind in den 1980ern und Jugendliche in den 1990ern nicht kannte. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, war das vielleicht sogar der Sinn des Ganzen. Uns unbedarften Seelen zu zeigen, dass unsere Welt nicht immer so war und wir an den Errungenschaften festhalten sollten, die uns die vergangenen Generationen erkämpft haben.