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Erfahrungsbericht Sachbuch

Natasha Lunn – Conversations on Love

Kürzlich Vor viel zu langer Zeit habe ich auf meinem Mastodon-Account nach Leseempfehlungen gefragt:

Ich würde gern mehr lesen:
* von Selfpublishing-Autor:innen
* über nicht-traditionelle Lebensformate/Lebensumstände (Polyamorie, queer, trans, adhd/autism, disabled)
* Memoir, real-life-stories, persönliche Erfahrungen

Die gesammelten Empfehlungen findet ihr weiter unten nach der heutigen Buchrezension.


CN: Fehlgeburt, Tod von nahestehenden Personen, Trauer


[…] love is a lifelong project, a story that we can’t skip to the end of. How lucky are we, to know we will never finish it? Because there is never a final page, only a series of beginnings.

Die Autorin unternimmt eine Reise durch die verschiedenen Formen der Liebe, die uns im Verlauf unseres Lebens begegnen (können). Sie führt Interviews mit Menschen über unterschiedliche Beziehungsformen (nicht im Polyamory oder No-Mono-Sinn, sondern einfach die unterschiedlichen Formen der Beziehungen, die wir mit anderen Menschen haben können, wie mit Eltern, Geschwistern, Partner:innen, Freund:innen, …) und untersucht dabei implizit auch die verschiedenen Rollen, die wir in diesen Beziehungen annehmen können.

We have this romantic ideal that we will find ‘The One’, a soulmate, a one and only. And in this romantic union, we believe that we are also ‘The One’ for our partner. We believe we are unique, irreplacable and indispensible.

Im Rückblick auf ihre früheren Versuche, romantische Liebe zu finden, geht die Autorin auch kritisch mit ihrem jüngeren Selbst ins Gericht. Sie hinterfragt, warum wir romantischen Beziehungen so viel mehr Wert geben als Freundschaften? In Polyamorie-Thematik kommt diese Frage üblicherweise in der Form: Warum soll ich mehrere Freundschaften haben können, aber nicht mehrere romantische Partnerschaften? Beides geht jedoch in eine ähnliche Richtung: Warum bewerten wir Freundschaften anders als romantische Partnerschaften?

Sie kommt zu dem Schluss, dass es eine Falle sein kann, romantische Liebe als die Lösung unserer Probleme zu sehen. Zu oft klammern wir uns an Illusionen, wir verlieben uns nicht in die Person, die vor uns steht, sondern in unsere Vorstellung von dieser Person. Ein anderes wiederkehrendes Thema ist der kapitalistische Druck, unter dem wir in der westlichen Welt heute täglich stehen: Die Werbung suggeriert uns, dass wir immer noch mehr, immer noch etwas Besseres haben könnten. Das kann unbewusst dazu führen, dass wir nie zufrieden sind mit dem Leben, mit der Partnerschaft, die wir jetzt gerade haben.

Im Zusammenhang mit ihrem Wunsch nach Elternschaft, der zuerst zu einer Fehlgeburt führt, gehen die späteren Kapitel des Buchs sehr in Richtung Trauer und was der Verlust von geliebten Menschen bedeuten kann. Mehrere Dinge passieren gleichzeitig oder ineinander verwoben:

  • Die Liebe für die verstorbene Person geht nicht weg.
  • Die Trauer um den Verlust der Person begleitet uns unser weiteres Leben lang.
  • Oft ist es nicht nur die Trauer um diese Person, sondern um ein Stück unserer eigenen Identität, das wir mit dieser Person verloren haben.

How do you mourn the loss of a future you never really had?

Die traurige Realität ist, dass wir niemals völlig über Trauer hinweg kommen. Wir lernen nur, damit zu leben.

Ich habe unzählige Zitate mehr aus diesem Buch heraus geschrieben. Aber ich glaube, jede:r sollte es selbst lesen, um sich das herauszuholen, was zu seinem eigenen aktuellen Leben, zur aktuellen Liebes- und Beziehungssituation passt. Wenn ihr gerade selbst mit dem (unerfüllten) Wunsch nach Elternschaft ringt, ist das vielleicht nicht der beste Zeitpunkt, dann könnte euch das Buch zu nahe gehen.

Abschließend möchte ich noch einige der interviewten Personen aufzählen, viele von ihnen haben selbst Bücher veröffentlicht, die ich auch schon gelesen und beschrieben habe, alle sehr empfehlenswert:


Kürzlich Vor viel zu langer Zeit habe ich auf meinem Mastodon-Account nach Leseempfehlungen gefragt:

Ich würde gern mehr lesen:
* von Selfpublishing-Autor:innen
* über nicht-traditionelle Lebensformate/Lebensumstände (Polyamorie, queer, trans, adhd/autism, disabled)
* Memoir, real-life-stories, persönliche Erfahrungen

Und ich habe eine Flut an Empfehlungen bekommen! Ursprünglich habe ich versucht, mir jede Empfehlung zumindest oberflächlich anzusehen, um sie einordnen zu können. Da ich das aber 6 Monate danach noch immer nicht geschafft habe, veröffentliche ich hier eine vollständige Liste aller Empfehlungen, teils mit mehr oder weniger Background, je nachdem, wie es mir möglich war.

Die Genre-Zuordnungen sind von mir und beruhen nicht auf den Texten bzw. Meinungen der empfehlenden Personen (außer wenn konkret als „Zitat“ ausgewiesen). Ich hätte das gerne alles genauer gemacht, aber dann wäre dieser Post wohl nie fertig geworden … daher sind hier teilweise mehr oder weniger Infos verfügbar, gegebenenfalls werde ich später noch welche ergänzen, wenn ich mich mit den Empfehlungen näher befasst habe.

Sachbücher

Emilia RoigDas Ende der Ehe: Über dieses Buch habe ich bereits im Lila Podcast gehört (Empfehlung, ich fand die Episode interessant). Es ist ein Sachbuch und hinterfragt, wie die Institution der Ehe gesellschaftliche Strukturen tradiert und Geschlechterrollen normiert.

Leena Simon – Digitale Mündigkeit: Dieses Buch habe ich tatsächlich schon im Regal der ungelesenen Bücher stehen, weil ich letztes Jahr dachte, ich würde es für eine Hausarbeit benötigen, die ich dann aber aus Gründen nicht geschrieben habe. Das Sachbuch hinterfragt Chancen und Risiken der Digitalisierung, erklärt den bildungswissenschaftlichen Begriff der Mündigkeit und seine Bedeutung für Freiheit und Demokratie in unserem digitalisierten Zeitalter.

Tanja Kollodzieyski beschäftigt sich mit Ableismus

Durchgeschüttelt und auf den Kopf gestellt von Petra Lachinger

Hannah C. Rosenblatt

Romane (verschiedener Genres)

Self-Publishing-Autorin Anni Bürkl schreibt Krimireihen mit Schauplätzen im Ausseer Land sowie in Wien, unterhaltsame Literatur, aber auch Zeitgeschichte. Wir sind auf Mastodon miteinander bekannt, ich habe kürzlich zwei ihrer Bücher „testgelesen“. Ihre Reihe „Haus der Freundinnen“ bestehend aus drei Büchern habe ich mir auf die Leseliste gesetzt.

Self-Publishing-Autorin Nike Leonhard schreibt Fantastik: „rachsüchtige Geister, zweifelhafte Heilige, betrügerische Vampire, verärgerte Dryaden und ähnliches. Liebe und Romantik kommen vor, sind aber nur ein Aspekt von vielen“.

Maike Claußnitzer (@ardeija@literatur.social) ist als Übersetzerin tätig und schreibt selbst historische Fantasy in Form von Romanen und Geschichten. In ihrem Roman Tricontium (Leseprobe, PDF) versuchen eine Richterin, ein Hauptmann und ein Dieb die Hintergründe eines Spukgeschehens aufzuklären. Dieses Buch habe ich auf meine Wunschliste gesetzt und bin gespannt darauf.

Amalia Zeichnerin (@amalia12@mastodon.social) schreibt viktorianische Krimis, Phantastik und Romance und zeichnet Fantasylandkarten und Charakterportraits. Ihre Landkarten sind wunderschön, ihr könnt Beispiele unter diesem Link sehen. Speziell ihre Reihe „Hexen in Hamburg“ („eine Mischung aus Urban Fantasy, Cosy Mystery und magischem Realismus“) wurde mehrfach empfohlen und ich werde auf jeden Fall mal reinlesen.

Sanguen Demonis von @anna_zabini (diesen Account scheint Anna aufgegeben zu haben) klingt für mich auch sehr spannend, spielt in Wien und wird vom Verlag als Dark/Urban Fantasy LGBTQIA+ Roman beschrieben. Eine Leseprobe gibt es auf der Webseite des Verlags. 

Derselben Person gefiel auch „Knochenblumen welken nicht“ von Eleanor Bardilac (das Buch ist bei den großen Onlinehändler:innen zu finden). Aus dem Verlagstext:

Das erfrischend andersartige Fantasy-Debüt von SERAPH-Gewinnerin Eleanor Bardilac begeistert mit vielschichtigen Charakteren, einer packenden Story und einer detailreichen Götterwelt.

Die Fortsetzung „Knochenasche rottet nicht“ ist im Ohne Ohren Verlag erschienen.

Mehrmals empfohlen wurde Judith Vogt (@Atalante), speziell ihre Werke Anarchie Déco und Schildmaid. Schildmaid wird als eine „moderne Interpretation nordischer Sagen“ beschrieben und spielt in einem Wikinger-Milieu. Über Schildmaid schrieb eine andere Person:

Das hat die schönste trans Repräsentation, die ich bisher in einem Fantasytitel gelesen habe.

Anarchie Déco spielt im Berlin der 1920er-Jahre, jedoch inklusive magischer Elemente, die diese Epoche in ein anderes Licht rücken. Beides klingt für mich sehr spannend, ich verfolge auch die Serie von Volker Kutscher, die im Berlin dieser Zeit spielt, mit großem Interesse. Auf ihrer Webseite finden sich neben Romanen und Hörspielen auch Rollenspiele.

Ace in Space

So ziemlich alle meine Kriterien dürfte Romy Wächter erfüllen, sie wurde mehrmals empfohlen, in ihrem Mastodon-Profil schreibt sie:

Meine #queer.en Werke behandeln u. a. die Themen #Autismus #BDSM #Liebe #Asexualität #Polyamorie #Partnerschaftsgewalt #Depression #Psychologie #MentalHealth #Suizidalität #Feminismus

Die Trilogie klingt für mich so spannend, dass ich eigentlich sofort loslesen möchte (aber dann würde dieser Post niemals fertig … ihr wisst schon …):

Vor dem Hintergrund eines Kriminalfalls entspinnt sich mit Paranuit ein queerer Entwicklungsroman von hoher erzählerischer Dichte, in dem sich erotische, spannende und psychologische Elemente ineinanderfügen. Minutiös und dialogverliebt wird die Entstehung zwischenmenschlicher Beziehungsgeflechte abgebildet.

Lana Harper – ‘Payback’s a Witch’ und die anderen Romane der Reihe

Gennadi Ratson – Dunkel am Ende des Lichts

Ifleria-Reihe von Effie Calvin („Prinzessinnen, die Prinzessinen heiraten, Drachen und viel Fantasy-Content“)

die Bücher von Vicorva

Die Haptik der Wände von @skalabyrinth (muss ich mir unbedingt anschauen, ich war begeistert von Wenn es nicht passiert)

Maschinenmacht von E. V. Ring

Akwaeke Emezi: „Pet mit gebärdendem trans Teen als Hauptperson, The Death of Vivek Oji, Freshwater und You made a Fool of Death with your Beauty

Lieselotte Luft

Ergänzung August 2024:  skye gänseblum – Die Träume sind kaputt Eine Geschichte, in der queere Charaktere mit Neopronomen und chronischen Krankheiten im Mittelpunkt stehen und zusammen auf eine Reise durch Traumwelt und Realität gehen. Große Empfehlung!

Verschiedenes

Queer*Welten: Mastodon, Website, Verlag

Queer*Welten ist ein alle sechs Monate erscheinendes queerfeministisches Science-Fiction- und Fantasy-Zine, das sich zum Ziel gesetzt hat, Kurzgeschichten, Gedichte, Illustrationen und Essaybeiträge zu veröffentlichen, die marginalisierte Erfahrungen und die Geschichten Marginalisierter in einem phantastischen Rahmen sichtbar zu machen.

Poetry von Justin Chin, z.B. “Gutted” (Englisch)

Eva Maria Wohlfahrter hat auf ihrem Bl0g Gespräche mit schwer traumatisierten Menschen veröffentlicht.

Kurzgeschichte „LichtTraum“ von I. L. Villiam: „Lunarpunk, möglicherweise Slice of Life“

Quellen / Listen

Libreture ist eine Sammlung von Webseiten, wo es DRM-freie Bücher, Comics oder Magazine zum Download gibt. Zuerst hat mich die Aufmachung etwas überfordert. Am ehesten hilft aber die Suche nach einem Genre weiter, wie auch ganz oben auf der Seite empfohlen wird. Mit Suchbegriffen wie „sci-fi“, „speculative fiction“ oder „cozy crime“ findet ihr hier am ehesten, was euch interessieren könnte. Ich habe mir ein paar der verlinkten Webseiten angesehen, darunter waren:

  • Silver Sprocket: „independent publisher championing socially conscious and independently produced comic books, graphic novels, and related arts.“ Im Online-Store findet ihr Comics + Zines, T-Shirts, Patches, Sticker, Music und Pins.
  • Qindrie Press: an independent comics publisher based in Edinburgh, Scotland, founded by comic creator Eve Greenwood in 2020. Die Werke gibt es jeweils als Buch oder als PDF-Download zu erwerben, wobei die PDF-Downloads sehr günstig sind. Ins Auge gestochen ist mir When I Was Me: Moments of Gender Euphoria (PDF-Download: 4 GBP).
  • Morgana Best: „writes cozy mysteries packed to the brim with compelling plots, quirky characters, and a furry friend or two“. Sie schreibt Serien, also für alle, die gerne binge-lesen, es gibt genug Material. Außerdem enthält ihre Webseite süße Tierfotos ;-)

Weiters wurde empfohlen die Buchliste: „Phantastik mit Diversität“ gepflegt von Amalia Zeichnerin von 2019–2022. Es handelt sich um ein Google Doc, in dem mittels Suchfunktion bequem nach verschiedenen Queer-Themen gesucht werden kann.

Literaturliste zu Progressiver Phantastik fürs Brecht-Haus von Judith Vogt

Und hier noch eine Quelle, die ich mir selbst vor Kurzem in die Bookmarks gespeichert habe: Möchtegern hat in ihrem Autorinnenblog über queere Buchbegegnungen beschrieben. 

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Roman Science Fiction

skalabyrinth – Wenn es nicht passiert

CN dieses Buch/dieser Post:
Erwähnung von Gefühlen wie Anxiety, Overload und Meltdown

Mehr Informationen zum Inhalt dieses Buchs findet ihr in diesem Thread von skalabyrinth auf Mastodon, über den ich dieses Buch entdeckt habe.


Ich bin gewohnt, durch meine pure Existenz zu verwirren.

In letzter Zeit habe ich mich aufgrund von unterschiedlichen persönlichen Begegnungen etwas mehr mit dem Thema Autismus und den unterschiedlichen Erfahrungen betroffener Menschen befasst. Die Kombination der Themen, die in diesem Buch behandelt werden, fand ich daher sehr interessant. Und nach dem Lesen kann ich nicht sagen, was mir am meisten die Augen geöffnet hat (weil alles so augenöffnend war):

  • Zentrales Thema in diesem Buch ist die Repräsentation von autistischen Personen mit Autismus, den unterschiedlichen Formen, die Autismus annehmen kann, den Erfahrungen, die betroffene autistische Menschen machen und mit welchen Unterstützungen sie in ihrem Leben besser zurecht kommen können. Für mich sind durch diese Beschreibungen manche Begegnungen, die ich in der Vergangenheit hatte, klarer geworden. Ich habe das Gefühl, dass es mein Verständnis von dem Alltagserleben von autistischen Menschen mit Autismus erweitert hat. Ich konnte auch Parallelen zu Situationen erkennen, wo ich selbst die Person war, der ein anderer Umgang, ein anderes Verständnis, eine andere soziale Normalität geholfen hätte, mit der Situation besser umzugehen:
    • Sehr intensiv fühle ich den Wunsch, in einer Welt zu leben, wo Menschen so miteinander umgehen wie in diesem Buch. Es wird darauf geachtet, wie es anderen Personen geht, es werden einfache Unterstützungsleistungen angeboten, es wird klar kommuniziert. Es wird Verständnis geübt, wenn Menschen das Bedürfnis haben, sich mal zurückzuziehen bzw. eine Pause brauchen auch in bzw. speziell von sozialen Situationen.
    • Eine Art Höhepunkt des Buchs ist der Besuch eines Festivals durch eine Person, für die solche Situationen besonders schwierig sind. Dies wird ermöglicht durch Teams, die es Menschen, die mit sozialen Situationen oder großen Menschenmengen Schwierigkeiten haben, ermöglichen, trotzdem an Veranstaltungen teilzunehmen. In einer Form, von der ich nicht beurteilen kann, wie sehr sie der im Buch beschriebenen Betreuung entspricht, gibt es das bereits bei den Veranstaltungen des Chaos Computer Clubs (CCC) durch das Team c3auti.

Viele Leute kommunizierten nach bestimmten Regeln, die für ihn nicht erfassbar waren, weshalb er es durch so etwas wie Vorsichtsverhalten ausglich, bestimmtes Kopieren, Nachahmen von Verhaltensmustern, die für ihn nicht viel Sinn ergaben, aber ohne die es regelmäßig zu Missverständniskatastrophen kam.

    • Das Thema „klare Kommunikation“ ist so wichtig, dass ich es erneut erwähnen will. Immer wieder wird auch das Thema Subtext erwähnt, eine Form der unterschwelligen Kommunikation, die von vielen neurodivergenten Menschen nicht verstanden werden kann. Durch die klare Kommunikation von eigenen Bedürfnissen und Grenzen können alle Beziehungen profitieren, nicht nur jene, die neurodivergente Personen einschließen.
  • Die Einteilung von Büchern in (fiktive?) Genres, die irgendwelche Menschen in der Buchindustrie erfinden, damit sie Bücher an bestimmte Personengruppen vermarkten können, ist mir seit Langem unangenehm. Ich hatte lange gedacht, ich würde diesen Blog Post einleiten mit einer Beschreibung davon, wie dieses Buch meine persönlichen Genre-Grenzen erweitert hat und bin jetzt erst darauf gekommen, dass ich diese Genres und die darauf beruhenden Grenzen ja gar nicht leiden kann. Also weg damit.
  • Über die unterschiedlichen Formen von Asexualität wusste ich bisher überhaupt nichts. Eine Übersicht (in englischer Sprache inkl. Abkürzungen und Flaggen) habe ich bei asexuals.net gefunden.
  • Weiters möchte ich aus diesem Buch gern die Bezeichung Herzwesen in meinen Alltagssprachgebrauch übernehmen. Immer wieder kommt im Gespräch die Frage auf, wie wir die wichtigen Menschen in unserem Leben bezeichnen: Im Englischen und genderneutral funktioniert partner meiner Meinung nach ganz gut. Im Deutschen wird darin immer gleich das Geschlecht mitkommuniziert bzw. impliziert (Partner:in). Ähnliches gilt für andere deutsche Formen von Beziehungsbeschreibungen wie Lebensgefährt:in. Die Bezeichnung Herzwesen umgeht einerseits das ganze Genderthema und beinhaltet außerdem keine Definition der Art der Beziehung bzw. was die Beziehung alles beinhaltet oder nicht beinhaltet.

Außerdem hat mich dieses Buch dazu inspiriert, auch mal außerhalb meiner üblichen und etablierten Quellen für meine Literaturauswahl nachzuschauen. Auf Mastodon habe ich inzwischen zwei Bücher in meinen Bookmarks, die ich mir näher anschauen möchte. Ziel: pro Monat ein Buch aus einer alternativen Quelle (zB Self-Publishing) und/oder mit einem Thema, das im Mainstream zu wenig Platz findet.

EDIT (9. März 2023): Ich wurde darauf hingewiesen, dass sich die Mehrheit der autistischen Menschen für Identity First ausspricht, „also nicht Menschen mit Autismus, sondern Autist*innen oder autistische Menschen“. Daher habe ich im Text oben die entsprechenden Korrekturen vorgenommen.

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English Roman

Claire Vaye Watkins – I Love You but I’ve Chosen Darkness

CN dieses Buch: Geschlechtsteile, Porno, Sexualität, Drogen, Vergewaltigung, Menstruation, Abtreibung, Geburt
CN dieser Post: –


Bevor dieser Titel der Titel eines Buchs war, war es schon der Name einer Band. Während des Lesens habe ich mich immer wieder gefragt, was das eigentlich heißen soll/kann: die Dunkelheit zu wählen. Und dann dieses Aber davor. Das Buch gibt auch nicht wirklich Antworten auf diese Fragen.

My problem is I have the job she never got to have and the education she never got to have and I’m intimidating and not as nurturing as anyone thought I’d be. My problem is I didn’t convert. My problem is, I’m all set.

Das Buch ordnet sich selbst in das relativ neue Genre Autofiction ein (offenbar gibt es da noch Begriffsunterschiede, in der englischen Wikipedia finde ich auch das Genre Autobiografiction, wo mir gerade der Unterschied nicht klar wird). Gemeint ist jedenfalls eine Verschmelzung von Fiktion und Biographie. Die Protagonistin dieses Buchs heißt wie die Autorin und teilt wesentliche Bestandteile ihrer Lebensgeschichte. Jedoch ist die Geschichte eben nicht als Memoir oder Autobiografie zu verstehen, sondern als Erzählung, die sich an Fakten orientiert, die inneren Lebenswelten der Protagonist*innen aber fiktionalisiert.

Die Erzählung der Protagonistin wird unterbrochen von Briefen, die ihre Mutter, Martha Watkins, lange vor Claires Geburt an ihre Freundin Denise geschrieben hat. Dadurch soll verdeutlicht werden, dass die Protagonistin bereits vorbelastet ist durch die Schmerzen und Sorgen, die das Leben ihrer Mutter bestimmt haben. Dies wird teilweise verwendet, um ihren schwierigen Umgang mit ihrer eigenen Mutterschaft zu erklären.

Motherhood had cracked me in half. My self as a mother and my self as not were two different people, distinct.

Die Autorin beschreibt letztendlich eine Frau voller Selbstzweifel, die sich an den Erwartungen, die die Gesellschaft und/oder sie selbst an sich stellt, aufreibt. Für mich blieben sie und die anderen Protagonist*innen irgendwie fremd, viele Szenen fühlten sich abgehoben oder übertrieben an. Die Darstellung bzw. Beschreibung von offenen oder polyamoren Beziehungen diente in meinen Augen eher nur dazu, die Unkonventionalität der Protagonist*innen herauszustreichen. Entscheidende Motivationen blieben mir unklar. Möglicherweise ist aber auch genau dieser Effekt das Ziel: zu verdeutlichen, dass unsere (Lebens-)­Entscheidungen von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst werden, auf die wir selbst oft gar keinen Einfluss haben. Selbst wenn wir uns ein erfülltes Familienleben wünschen, können uns unsere Gene und/oder unsere Sozialisation davon abhalten, dies auch zu verwirklichen. Manchmal kann uns die Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit auf einen anderen Weg führen. Und manchmal gibt es einfach keinen richtigen Weg.

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Roman

Sally Rooney – Conversations With Friends

You can love more than one person, she said.

That’s arguable.

Why is it any different from having more than one friend? You’re friends with me and you also have other friends, does that mean you don’t really value me?

Diese Geschichte enthält dermaßen viel Konfliktpotential, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Im Zentrum der Geschichte steht Frances, eine Studentin, die Gedichte schreibt und im Großen und Ganzen nicht weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Gemeinsam mit ihrer Freundin (und Ex-Partnerin) Bobbi lernt sie im Rahmen einer Veranstaltung das Ehepaar Melissa und Nick kennen. Daraus entwickelt sich langfristig ein komplexes Beziehungsgeflecht mit einer Unzahl an Stolpersteinen.

All my delusional beliefs about my own value and my pretensions to being a kind of person I wasn’t.

Frances’ Verhalten in Beziehungen wird von vielen Faktoren beeinflusst. Mit ihrem Vater hat sie ein schwieriges Verhältnis, ihre Mutter wirft ihr vor, ihren Vater nie geliebt zu haben. Frances hält sich selbst für wertlos und fordert ihre Mitmenschen heraus, in dem sie sie hintergeht, ihnen die kalte Schulter zeigt oder sie schlicht beleidigt. Wenn diese dann erwartungsgemäß abweisend reagieren, fühlt sich Frances in ihrer Wertlosigkeit bestätigt. Sie redet sich selbst ein, ohnehin keine Macht zu haben, was ihr erlaubt, andere Menschen zu verletzen, da sie ohnehin nicht die Macht hat, diese Menschen zu verletzen.

You can’t control what she thinks of you anyway. […] What you’re doing now is deceiving her just for the illusion of control, which probably isn’t worth it.

Schließlich kommt auch noch eine medizinische Komponente ins Spiel. Frances wird mit Endometriose diagnostiziert (eine chronische Erkrankung, bei der Zellen ähnlich der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter produziert werden, was zu massiven Schmerzen führen kann). Die Krankheit scheint Frances endgültig von einem „normalen Leben“, das sie sich innerlich wünscht, abzuschneiden.

Die Darstellung einer sich aus einer ungünstigen Situation heraus entwickelnden Polybeziehung ist mit einigen für mich nachvollziehbaren Schilderungen von Eifersucht, Selbstzweifeln und anderen Emotionen in diesem Zusammenhang verbunden. Die Unmittelbarkeit, mit der ich diese Emotionen nachempfinden konnte, hat mich einerseits sehr berührt und andererseits aber auch befremdet. Als außenstehende Leserin konnte ich immer wieder sehen, dass die Personen einfach nicht (ehrlich) miteinander kommunizieren. (Wenn wir selbst Teil dieser Kommunikation sind, haben wir diesen Überblick üblicherweise nicht.) Wenn sie kommunizieren, dann bringen sie ihre Gefühle nicht zum Ausdruck. Natürlich machen wir uns verletzlich, wenn wir unseren Partnern unsere Sorgen und Ängste in Bezug auf die Partnerschaft anvertrauen. Aber das Vertrauen, dieser Person die eigene Verletzlichkeit auch zumuten zu können, ist in meinen Augen eine Säule einer langfristigen Partnerschaft.

Well, but what does it mean for a relationship to ‘work out’?

Die Frage, was es bedeutet, dass eine Beziehung „funktioniert“, gewinnt im Polykontext eine andere Bedeutung. Klassische, monogame Beziehungen haben selbst dann, wenn dies nicht unmittelbar ausgesprochen ist, üblicherweise ein „bis dass der Tod uns scheidet“ als Ziel. Dass dieses Ziel heutzutage immer weniger erreicht wird, macht unsere Welt zu einem Museum gescheiterter Beziehungen (das gibt es übrigens tatsächlich: Museum of Broken Relationships in Zagreb). Den Erfolg von Beziehungen an einem Maßstab zu messen, fühlt sich kalt und unnötig an, aber trotzdem tun wir es Tag für Tag. Wenn unsere Kriterien nun aber auf schönen Erinnerungen oder gemeinsam erlebten Höhepunkten oder voneinander gelernten Lebenserfahrungen beruhen würden, dann könnten wir auch beendete (und eben nicht gescheiterte) Beziehungen als Erfolg betrachten.