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Claudia Hammond – The Art of Rest

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Aus einem Grund, den ich noch nicht vollständig hinterfragen konnte, gefallen mir Buchtitel mit der Formulierung The Art of […]. Vielleicht ist es eine absurde Neigung zur Kunst, die ich ja weitgehend nicht verstehe, was mich aber nicht davon abhält, mich dem Thema immer wieder schrittweise anzunähern. In diesem Buch geht es jedoch eigentlich um eine Studie, in der Menschen nach den Aktivitäten befragt wurden, die sie ausführen, um sich zu entspannen. Die Autorin untersucht dann in einzelnen Kapiteln die Top-10-Entspannungstätigkeiten und weist anhand von unterschiedlichsten Quellen nach, warum uns diese Tätigkeiten entspannen.

Wer sich für die gesamten Ergebnisse interessiert, muss das Buch selbst zur Hand nehmen, die Lektüre ist durchaus interessant. Ich möchte in diesem Post ein paar Details herausgreifen, die mich selbst immer wieder in dem einen oder anderen Kontext beschäftigen:

Im Hinblick auf die entspannende Tätigkeit Fernsehen argumentiert die Autorin, dass das Versinken in anderen Welten und sich dadurch Ablenken von der eigenen Realität auf Dauer keine Probleme löst, sondern Einsamkeit und Isolation sogar noch verschlimmern kann. Als kurzfristige Ablenkung nach einem harten Arbeitstag, an einem Abend, an dem wir keine Energie mehr haben für andere entspannende Tätigkeiten, hat das Fernsehen jedoch einen viel schlechteren Ruf, als ihm eigentlich zusteht. Wichtig ist dabei außerdem, dass wir uns selbst nicht extra Stress machen, weil wir uns wegen des stressigen Tages vor den Fernseher legen. Das Fernsehen sollte eben kein Vergnügen mit Gewissensbissen (guilty pleasure) sein, sondern etwas, das wir uns bewusst gönnen und bei dem wir kein schlechtes Gewissen haben. Dann taugt diese Tätigkeit auch gut als Entspannung.

It isn’t a long-term solution to loneliness of course, but loneliness is often temporary, and when it is, television could help by distracting us from painful feelings and providing a sense of companionship.

Ein wiederkehrendes Thema im Buch ist das Konzept der Untätigkeit (idleness). In der Arbeit, wenn wir Haushalt machen oder Erledigungen, stellen wir uns oft vor, wie schön es wäre, jetzt nichts tun zu müssen. Wenn wir jedoch tatsächlich nichts zu tun haben, neigen wir dazu, diese Zeit erst recht wieder mit Tätigkeiten zu befüllen. Hier kommt dann die Natur ins Spiel: Wenn wir uns auf einen Spaziergang in den Wald begeben, fühlt sich dies anders an, als wenn wir einfach nur auf der Couch liegen und an die Decke starren. Die Geräusche und Gerüche der Natur bedeuten etwas, das unserem Körper und unserem Geist erlaubt, loszulassen. In Japan wurde schon im vergangenen Jahrhundert die Formulierung shinrin-yoku (“forest bathing” or “taking in the forest atmosphere”) verwendet, um die heilenden Kräfte der Natur zu umschreiben.

There can be idleness in being out in the countryside, but it is excusable idleness. We are doing something, even if it is just being in a natural place. There is meaning in it.

Im letzten zusammenfassenden Kapitel gibt die Autorin den Leser:innen einige Tipps mit auf den Weg, wie sie das Beste aus ihren Entspannungszeiten herausholen können (womit sich die Katze in den Schwanz beißt …). Die Kurzfassung (bzw. die Punkte, die mir am wichtigsten erschienen):

  • Wir sollten versuchen, unsere Entspannungszeiten bewusst wahr zu nehmen. Es ist egal, was wir in dieser Zeit tun, so lange wir uns bewusst sind, dass wir jetzt in einer Entspannungszeit sind und am Ende des Tages auch wissen, dass wir an diesem eine Entspannungsphase hatten.
  • Selbst bei noch so guter und umfangreicher Planung werden immer unerwartete Dinge passieren. To-Do-Listen werden niemals enden. Wenn wir das akzeptieren und diese Listen auch mal beiseite lassen können in dem Wissen, dass wir uns später darum kümmern werden, dann können wir auch die Entspannungszeiten bewusster genießen.
  • Viele von uns (und ich bin definitiv mit in dieser Gruppe dabei) haben sich angewöhnt, so viel wie möglich in unsere Zeit, in einen einzelnen Tag rein quetschen zu wollen. Oft habe ich mit meinen Terminen jongliert, um etwas noch zu erledigen, was auch problemlos Zeit gehabt hätte. Von diesem ständigen Streben nach Effizienz möchte ich mich verabschieden. Es ist nicht nötig, alles in Rekordzeit zu erledigen.
  • Manchmal ist es auch einfach nötig, sich von Tätigkeiten und Verpflichtungen zu verabschieden, um mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge zu haben. (Ja, das ist eine Binsenweisheit, aber ich finde, es kann nicht oft genug wiederholt werden.)
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Erfahrungsbericht Essays Sachbuch

Jenny Odell – How to Do Nothing

These paintings taught me about attention and duration, and that what I’ll see depends on how I look, and for how long.

Wie die Autorin an einer Stelle selbstironisch anmerkt, ist es unwahrscheinlich, dass viele Leser*innen dieses Buchs tatsächlich herausfinden wollen, wie Nichts-tun funktioniert. Der Untertitel Resisting the Attention Economy beschreibt eigentlich deutlicher, worum es in dem Buch geht. Die Autorin sammelt unzählige Beispiele aus der Literatur, Performance-Kunst und anderen Kunstrichtungen, um zu zeigen, wie wir unsere Aufmerksamkeit bewusst steuern können.

Most of us have experienced changes in rendering: you notice something (or someone points it out to you) and then begin noticing it everywhere. As a simplistic example, my attention now “renders” to me a world more full of birds than before I was an avid bird watcher. […] When the pattern of your attention has changed, you render your reality differently. You begin to move and act in a different kind of world.

Das bewusste Wahrnehmen der Mechanismen, die unsere Aufmerksamkeit steuern, ist dabei der erste Schritt. Oft braucht es nur eine Pause, ein zusätzliches Durchatmen, um zu erkennen, wann wir uns von Apps, Webseiten und Werbemaßnahmen in eine bestimmte Richtung nudgen und manipulieren lassen.

Viele der aktuellen Medienangebote reißen Informationen aus dem Kontext. Die Autorin zitiert etwa eine Sammlung von Tweets aus ihrer Twitter Timeline, die wenig bis nichts miteinander zu tun haben und für mich kaum interpretierbar waren, weil mir einfach der Kontext fehlte (sowohl zeitlich als auch inhaltlich). In einem natürlichen Umfeld nehmen wir Informationen aber immer in ihrem Kontext wahr. Wenn wir in einem Park sitzen, haben wir immer den zeitlichen und örtlichen Kontext durch den Stand der Sonne, das Gefühl des Bodens unter unseren Füßen, den Wind, der um unseren Kopf streicht und uns die Haare zerzaust.

I stoppped looking at my phone because I was looking at something else, something so absorbing that I couldn’t turn away.

Es geht also eigentlich darum, unsere eigene Wahrnehmung und Aufmerksamkeit bewusst zu steuern. Wenn wir uns die Zeit nehmen, aus dem Hamsterrad der modernen Medien auszusteigen, können wir die Welt durch andere Augen sehen. So zusammengefasst klingt die Botschaft viel zu einfach, das Buch ist jedenfalls lesenswert, wenn auch streckenweise etwas anspruchsvoll.

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Roman

Ilija Trojanow – Eistau

Sie wünscht sich, dass wir einfach nur sind, ich suche nach einer Befreiung in einem wahrhaftigeren Schweigen.

Der Protagonist Zeno verzweifelt am Sterben eines Gletschers. In Rückblenden wird parallel zum Geschehen der Jetzt-Zeit auf einem Antarktis-Kreuzfahrtschiff der Verfall seiner Beziehungen geschildert. Zwischen den aus Zenos Sicht erzählten Kapiteln finden sich kurze Sammlungen von Funksprüchen (?), vage aneinandergereihte Satzfragmente, die ein Geschehen andeuten, das sich zeitlich erst nach der aktuellen Kreuzfahrt abspielt.

Zenos verzweifelte Konfrontation mit einem chilenischen Soldaten, der sich inmitten einer Pinguingruppe eine Zigarette anzündet, seine Abneigung gegenüber den Touristen, seine Sehnsucht nach einem tieferen Alleinsein; all diese einzelnen Situationen sind Haarrisse, die schließlich zu einem Zusammenbruch führen müssen. Unvermeidlich wie das Sterben des Gletschers.

Der Augenblick, in dem Kunst zu Wahrheit wird. Die Vorstellung läßt mich nicht los. Auch das leichtfertig Dahingesagte kann ernst genommen werden. Es beginnt als Haarriss, setzt sich als Sprung fest, endet als zersplittertes Glas.

Das (vorläufige) Ende der Isolation

Die Ausgangsbeschränkungen sind (vorerst) aufgehoben, Treffen in kleinerem Kreis wieder erlaubt.

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit dem bewussteren Wahrnehmen von Gefühlen und Stimmungen. Wenn ich mich gestresst oder genervt fühle, versuche ich, zu ergründen, was genau dieses Gefühl gerade bedeutet, es zu benennen und es anzunehmen. Dabei wurde mir heute klar, dass wir Gefühle und die Situationen, in denen sie entstehen, in der Reflexion mit etwas Abstand meistens anders interpretieren, als sie sich zu dem Zeitpunkt angefühlt haben (das klingt wie eine Binsenweisheit, ist aber in meinen Augen ein Phänomen, das im Alltag nicht so bewusst ist).

Jetzt, wo die Isolation etwas gelockert ist, wird mir klar, dass ich es eigentlich ganz angenehm gefunden habe, mal eine Zeitlang nirgendwo sein zu müssen und Zeit zur Verfügung zu haben, die ich nach meinen eigenen Regeln gestalten kann. Es ist bei Weitem nicht so, dass ich diese Zeit oder die damit verbundene Gestaltungsfreiheit besonders sinnvoll genutzt hätte. Wie ich am 12. April schrieb, ist es mir kaum gelungen, mit der Zeit etwas Sinnvolles anzufangen.

Möglichst schnelle Rückkehr zur Normalität ist nicht zwingend der richtige Weg. Es wäre wünschenswert, wenn wir aus dieser Erfahrung etwas lernen und für die Zukunft mitnehmen könnten. Was das konkret sein könnte, hat sich mir bisher leider nicht enthüllt.

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Roman

Marlen Haushofer – Die Wand

Wenn ich an den ersten Sommer zurückdenke, ist er viel mehr von der Sorge um meine Tiere überschattet als von meiner eigenen verzweifelten Lage. Die Katastrophe hatte mir eine große Verantwortung abgenommen und, ohne dass ich es sogleich merkte, eine neue Last auferlegt. Als ich die Lage endlich ein wenig überblicken konnte, war ich längst nicht mehr fähig, irgend etwas daran zu ändern.

Die Erzählerin wird von einer über Nacht auftauchenden durchsichtigen Wand im Wald eingeschlossen. Außerhalb der Wand scheinen alle Menschen erstarrt zu sein. Am Anfang erstaunlich pragmatisch versucht die Erzählerin, mit dem Verbliebenen zu überleben. Erdäpfel werden eingelegt und mit dem Auftauchen einer Kuh verbessert sich ihre Ernährungslage und gleichzeitig fühlt sie aber auch die Verantwortung, die nun auf ihr lastet. Jeder Gedanke an Selbstmord (sich unter der Wand hindurch graben?) wird von den Tieren (ihre Gefährten sind neben der Kuh der Hund Luchs sowie eine namenlose Katze) unmöglich gemacht.

War ich auf der Alm zweifelte ich an der Wirklichkeit des Jagdhauses, und war ich im Tal, löste sich in meiner Vorstellung die Alm in Nichts auf. Und waren meine Ängste wirklich so närrisch? War die Wand nicht eine Bestätigung meiner kindlichen Furcht? Über Nacht war mir ein früheres Leben, alles, woran ich hing, auf unheimliche Weise gestohlen worden. Alles konnte geschehen, wenn dies möglich gewesen war.

2 Jahre deckt der Bericht ab, der nach einem Knalleffekt, den ich unmöglich spoilern kann, endet, als das letzte Stück Papier vollgekritzelt ist. Die Einsamkeit trieft aus jeder Seite, auch wenn die Erzählerin so scheinbar gelassen damit umgeht. Immer wieder sind auch die Ängste ein Thema. Immerhin ist die Wand aus dem Nichts erschienen, das bedeutet doch, dass bisher geltende Gesetze nicht mehr unbedingt Bestand haben müssen. Alles kann passieren. Der Lauf der Jahreszeiten, die Natur bringen Arbeit und Ruhe in das tägliche Leben der Protagonistin, das dennoch von dunklen Gedanken geprägt ist. Es ist ein beeindruckendes Stück Literatur, aber ich könnte nicht sagen, dass mich die Lektüre in irgendeiner Form glücklich gemacht hätte. Das treffende Wort beklemmend verdanke ich einer Freundin, die kürzlich die Verfilmung mit Martina Gedeck im Fernsehen gesehen hatte.

Reading Challenge: A book that scares you

NOTE: Ursprünglich hatte ich eine andere Kategorie vorgesehen, aber beim Lesen wurde mir streckenweise tatsächlich so unheimlich zumute, dass ich zwischendurch unterbrechen musste. Speziell die Momente, in denen die Erzählerin darüber schreibt, dass sie froh ist, dass ihre Freunde Hugo und Ilse nicht mit ihr gemeinsam eingeschlossen wurden, weil es mit ihnen schwieriger wäre als alleine, finde ich so richtig verstörend.