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Kurzgeschichten

H. C. Artmann – How much, Schatzi?

Ein kuß in ehren konzipiert wird zum blindwütigen geilbiß, veranlaßt den schrei einer bislang makellos gebliebenen Jungfrau, schnellt einen ruhenden jäger aus haferlschuh und hose, verursacht den waidwidrigen tod eines sonnenhungrigen hasen, überflort die frühlingsfreude einer freundlichen witterung, verstummt das wimmerrohr eines fröhlichen waldfreaks, verkehrt ein idyll aus warmem licht und heitrem junglaub in eine garstige gehenna, in ein scheol aus wohlstandsmüll und zähneklappern, ja gar nicht zu denken an die malträtierten mannen eines längstdahingehuschten grottenklausners aus hehrer zeit!

Wie letztens schon dieses Artmann-Werk diente dann auch diese Geschichtensammlung zur Lösung eines Mystery-Caches. Truth be told: Aus anderen Gründen hätte ich dieses Buch wohl kaum gelesen. Mit diesen Geschichten, die jede Realität Lügen strafen, um der Wahrheit näherzukommen (Klappentext), konnte ich auch nicht mehr anfangen als mit den Mythen aus Lappland. Hier beschäftigt sich Artmann hauptsächlich mit den Abgründen der Menschheit, Gier, Lust, Macht, Betrug, … Seine Protagonisten haben kaum je eine gute Eigenschaft, Spritzer von Höflichkeit gegenüber Höhengestellten sind da schon das Höchste der Gefühle. Horizonterweiterung.

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Erzählung Kurzgeschichten

H. C. Artmann – Mein Erbteil von Vater und Mutter

Schon vor Jahren hatte ich mit meinem ersten Literaturcache begonnen. Den Autor H. C. Artmann hatte ich recht schnell identifiziert, dann zeigten sich jedoch die ersten Schwierigkeiten. In den letzten Wochen habe ich die Recherchen zu den Literaturcaches wieder aufgenommen und unter anderem dieses Buch aus dem Magazin der Hauptbücherei ausheben lassen. Sozusagen eine Rarität und wahrscheinlich noch das einfachste von den vier zu findenden Werken.

Die Geschichten aus Lappland sind blutrünstig und grausam, da wird mit einem Augenzwinkern Menschen die Haut abgezogen, Verwandte werden verspeist, auch der Fuchs hat eine sehr sadistische Ader. Hand aufs Herz, hier handelt es sich wieder um eine astreine Erweiterung der eigenen Filterblase, auf dieses Buch wäre ich sonst sicher nie gekommen, empfehlen kann ich es auch nicht wirklich, wenn man nicht das Wesen der Literatur an sich untersucht. Bin schon gespannt auf die weiteren Artmann-Werke.

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Kurzgeschichten Reise

Roger Willemsen – Die Enden der Welt

Wie auch schon beim Atlas der entlegenen Inseln überkommt mich beim Lesen von Roger Willemsens Reiseerlebnissen stückchenweise das Fernweh. Er beschreibt nicht nur die Orte selbst, er beschreibt Gefühle, wie etwa sehr deutlich in diesem Abschnitt über die kleine Stadt Isafjördur im äußersten Nordwesten Islands:

Nachts schlagen nur noch die Leinen gegen die Fahnenmasten. Das war der Anfang: Ein Geräusch im Kopf, eine korrespondierende Stimmung. Von dem Wunsch beflügelt, das zu hören, bin ich losgeeist. Meine Sehenswürdigkeit war ein Geräusch, aufgelöst in einem Wind mit Schneegeschmack.

Auf der einen Seite muss man die Geschichten einzeln aber jeweils an einem Stück lesen, um die Atmosphäre richtig spüren zu können. Auf der anderen Seite zieht sich ein Thema durch alle Geschichten durch: die Einsamkeit des Reisenden und die Gemeinschaft mit zufällig Mitreisenden. Obwohl man an die meisten beschriebenen Ort eher nicht reisen möchte, ist es das Gefühl des Unterwegs-seins, des Unbekannten, das gleichzeitig anziehend und abstoßend, erhebend und beängstigend wirkt.

Das Ende der Welt, wurde mir gerade bewusst, das ist auch das eigene Zuhause, von einem bestimmten Standpunkt der Fremde aus betrachtet, und weil es so ist, sind diese entlegenen Stätten, die Enden, keine Tore, durch die man aus der Welt hinausgelangt. Aber manchmal sieht es genau so aus, dachte ich, und reiste am nächsten Tag ab, ohne noch einmal im Postamt gewesen zu sein.

Eine rückblickend gruselige Episode ereignete sich bei einem Trip nach Mandalay in Indien. Ein Wahrsager bescheinigt dem Autor: „Älter als achtzig Jahre werden? Nein, das ist leider unmöglich für Sie.“ Roger Willemsen starb im Februar 2016 im Alter von 60 Jahren an Krebs.

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Kurzgeschichten

Wolfgang Freitag – Zu den Schattenorten von Wien

Reading Challenge: A book that takes place in your hometown

In der Bücherei hatte ich eigentlich etwas anderes über Wien ausleihen wollen, das jedoch nicht auffindbar war und das hat sich als Glück erwiesen, denn Wolfgang Freitags Reportagen über Orte in Wien, an denen der Normalsterbliche üblicherweise nicht landet, sind äußerst informativ und gut geschrieben.

Durch mein Zweithobby Geocaching bin ich tatsächlich in vielen der beschriebenen Gegenden schon gewesen, kürzlich etwa am Rinterzelt, auch schon im Arenbergpark (im Rahmen eines Multis, den ich gerade nicht mehr finde) und außerhalb des Krematoriums in der Nähe des Zentralfriedhofs. Die Geschichten hinter den Kulissen geben jedoch noch einen ganz anderen Einblick, die Texte sogar mehr als die beiliegenden Fotos.

NOTE: Ich habe versucht, etwas Lesbares über Stockerau zu finden, wurde aber leider nicht fündig. Unser Stadt-Dichter Nikolaus Lenau hat Gedichte geschrieben und das ist nach wie vor nichts für mich.

Damit bin ich mit der Reading Challenge auch fertig und habe nur geringfügig länger gebraucht. Diese Verzögerung führe ich auf meinen Umzug im vergangenen Sommer zurück. Ohne den hätte ich es bestimmt geschafft ;-)

Jetzt freue ich mich schon darauf, endlich die vielen Bücher aus dem Regal und von der Liste zu lesen, die nicht in eine der Kategorien gepasst haben.

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Kurzgeschichten

Woody Allen – Mere Anarchy

Bei Woody Allen kann ja nichts falsch sein, dachte ich. Ich bin ja kein Cineast, aber Whatever works hat mich damals in einer interessanten Lebensphase erwischt und noch heute verbinde ich mit diesem Film eine Leichtigkeit des Seins, die mir im Alltagsleben oft abgeht.

Seine Satiren waren dann aber doch nicht das Richtige für mich. Das Format hat mich umgehend an die Kolumnen erinnert, die Dirk Stermann für das Wiener Magazin schreibt. Absurde Geschichten, die mit realen Begebenheiten oft nur einen winzigen roten Faden gemein haben. Für Woody Allen brauchte ich allerdings bei jedem dritten Satz ein Wörterbuch. Natürlich erfreue ich mich jetzt an der Kenntnis des Wortes meticulous, aber das Lesen wurde durch die vielen unbekannten Worte doch deutlich erschwert. Hinzu kommt auch noch, dass ich diese Art von absurdem Humor nur in kleinen Dosen ertrage. Dieses Format muss man einfach mögen. Nicht ganz meins.

Reading Challenge 2015: A funny book

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Kurzgeschichten

Judith Schalansky – Taschenatlas der abgelegenen Inseln

Auf der endlosen, kugelförmigen Erde kann jeder Punkt zum Zentrum werden.

Dieses Buch hatte ich zuerst jahrelang auf einer Wunschliste, dann habe ich es bei einer meiner Amazon-Bestellungen mitbestellt, dann stand es ewig im Regal. Eigentlich hatte ich es als A book at the bottom of your to-read list aus dem Regal genommen, da die Inseln jedoch in sehr kurzen Episoden beschrieben werden, wird nun A book of short stories abgehakt.

Die zweidimensionale Weltkarte ist ein Kompromiss, der die Kartografie zu einer Kunst zwischen ungehörig vereinfachender Abstraktion und ästhetischer Weltaneignung werden ließ. Am Ende geht es schlichtweg darum, die Welt zu erfassen, nach Norden auszurichten und gottgleich zu überblicken.

Was mich an diesem Buch interessiert hatte, wurde mir schon beim Lesen der Einleitung klar. Seit über zehn Jahren hängt in meinem Büro eine Europakarte, auf der ich die Orte, die ich besucht habe, mit Pinnadeln markiert habe. Es macht mir Freude, mir die Verteilung der Pinnadeln anzuschauen, weiß Flecken auf der Landkarte zu identifizieren und mir Urlaubsreisen auszumalen, die ich unternehmen könnte. In kleinerem Rahmen unternehme ich solche Reisen ständig auf der Geocaching-Map, wenn ich zu planen versuche, welche Caches sich in sinnvoller Reihenfolge kombinieren lassen. Diese Freude am Reisen auf der Landkarte beschreibt auch Judith Schalansky in ihrem Vorwort.

Das Konsultieren von Karten kann zwar das Fernweh, das es verursacht, mildern, sogar das Reisen ersetzen, ist aber zugleich weit mehr als eine ästhetische Ersatzbefriedigung.

Im Taschenatlas hat die Autorin kleine (und nicht so kleine) Inseln versammelt, viele sind unbewohnt, manche versammeln erstaunlich viele Personen auf kleinem Raum. Zu jeder Insel findet man die Information der Fläche in Quadratkilometern sowie die Einwohnerzahl, eine grafische Darstellung der Insel sowie die Entfernungen zu den nächsten Inseln bzw. dem Festland (zur Einordnung auf der Skala der Einsamkeit).

Zu jeder Insel gibt es auch eine Geschichte. Eigentlich sind es weniger Geschichten als Anekdoten, kurze Episoden, die einen interessanten Aspekt herausgreifen und in blumiger Sprache beschreiben. Über St. Helena wird beispielsweise die Ausgrabung des dort verstorbenen Napoleon erzählt.

43 Männer schleppen den Sarkophag in strömendem Regen zur Straße, wo er auf einen Wagen gehievt wird, bedeckt von einem violetten Bahrtuch, mit goldenen Bienen und versalem N bestickt. Drei Tage später, am 18. Oktober 1840, wird der Anker gelichtet. Der Kaiser kehrt heim.

Ein besonders berührendes Beispiel ist die Beschreibung der unbewohnten Insel Semisopochnoi (russisch: hat sieben Hügel).

Hier – über dem pazifischen Feuerring – redet die Erde mit sich selbst, von Menschen weitgehend unbemerkt. Immer wieder kommt es zu Vulkanausbrüchen, die niemanden bedrohen. Der Höllenhundberg ist der lebhafteste. Er wacht mit drei Gipfeln über das schüttere Bergland, das der immerwährend bedeckte Himmel purpurn färbt. Ein paar der Krater stoßen ab und an kleine Rauchfahnen aus, aber das können auch Wolken sein, die an den Gipfeln hängen bleiben.

Unter anderem lernte ich neues über die Schrecken des Eises und der Finsternis. Der Titel geht wohl zurück auf die Namen zweier Schiffe, die während einer Expedition im ewigen Eis eingeschlossen wurden: Terror und Erebus.

Der Schrecken und die Finsternis bleiben verschollen. Eine kleine Insel aus Lavagestein ist Franklins Denkmal, sein Grab aber liegt unter Eis am anderen Pol.

Alles in allem eine spannende Sammlung an Geschichten über Orte, an denen auch ich definitiv niemals sein werde (Untertitel des Buches: Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde). Wer seinen Urlaub zuhause verbringt, wird in dieser Geschichtensammlung sicher etwas Trost finden.

Die Sehnsucht wird immer größer sein, größer als die Befriedigung durch das Erreichen des Ersehnten.

Reading Challenge: A book of short stories

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Kurzgeschichten Roman

John Green, Maureen Johnson, Lauren Myracle – Tage wie diese

Schon allein die Kategorisierung ist schwierig. Eigentlich sind es drei Geschichten von drei Autoren, doch die Geschichten spielen alle in derselben zeitlichen und örtlichen Ebene (geradezu aristotelisch) und nehmen Bezug aufeinander.

Der Leser verfolgt zuerst Jubilee, deren Eltern bei einer Schlägerei um ein Sammlerstück verhaftet werden. Auf dem Weg zu den Großeltern bleibt der Zug im Schnee stecken. Jubilee landet im Waffelhaus und schließlich bei Stuart. Einen interessanten Weg ins Waffelhaus haben auch Tobin, JP und „der Herzog“. Dabei entdeckt Tobin seine Gefühle für das Mädchen, mit dem er seit Ewigkeiten befreundet ist. Die dritte Geschichte führt alle Protagonisten bei Starbucks zusammen, wo Addie arbeitet. Sie hat ihren Freund Jeb betrogen und zweifelt nun an der Beziehung.

Am besten hat mir noch Jubilees Geschichte gefallen, ihr trockener Umgang mit den Cheerleadern und viele weitere Details ihrer Persönlichkeit machen sie in meinen Augen zur sympathischsten Persönlichkeit des Buchs. Die beiden weiteren Geschichten waren mir zu vorhersehbar. Auch dabei gab’s natürlich interessante Wendungen, aber der Ausgang war von Anfang an klar.

Für jugendliche Leser dürfte dieses Buch bestens geeignet sein. Sie sind mutmaßlich noch nicht so vertraut mit den literarischen Methoden, um von Stereotypen gelangweilt zu sein. Auch die Übersetzung ist in Ordnung (über das Teetassenschwein hab ich mich immer wieder gewundert). Auch ja, und Weihnachten. Mitten im Sommer. Das hat damals bei David Baldacci (The Christmas Train, keine Rezension von mir, das war v0r meinen bloggenden Zeiten) zwar wunderbar funktioniert. Muss es aber nicht immer.

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Kurzgeschichten Reise

Kristian Detlev Jensen – Von japanischen Brotbüchsen

Kasper lebt in Nyborg. Er hat mir mal die Schule gezeigt, wo Saybia übte, bevor die Band von einem Tag auf den anderen ihren Durchbruch hatte. Ich habe es sofort im Ohr. Dieses Vermissen wie bei einem Abschied auf einem Bahnhof. „I stay to watch you fade away“.

Ich hatte es auch sofort im Ohr. Das vorliegende Buch ist eine Sammlung von Reisereportagen, die der Autor für ein dänisches Zugmagazin geschrieben hat, ich vermute, man kann es mit dem österreichischen VOR-Magazin vergleichen (indem ich jedoch noch nie ähnlich schöne Reportagen gefunden hätte). Ich erinnere mich noch, dass mich der Titel angesprochen hatte, dass ich damals vermutlich gerade Reiselust empfunden habe (wie sie mich oft beim Lesen von Reisereportagen überkommt). Dass dann bereits in der ersten Geschichte eine Band vorkommen würde, die auch in meiner Vergangenheit eine große Rolle spielte, die ich monatelang für mich allein hatte, weil sie nicht mal in der österreichischen Alternative-Szene ankam, konnte ich nicht erwarten. Dazu gibt es eine interessante Geschichte: Saybia (der genannte Song übrigens The Second You Sleep) traten beim Forestglade Festival in Wiesen 2003 auf. Sie waren eine der ersten Bands, die spielten, der bereits anwesende Teil der Besucher war damit beschäftigt, sich für die weiteren Acts mit Bier zu stärken. Ich stand relativ einsam in der ersten Reihe direkt vor der Band. Einer der traurigsten Gigs, die ich je erlebt habe, obwohl sie trotzdem mit Engagement spielten. Atmosphäre ist halt schon wichtig bei so einem Konzert.

Einen Teil der Zuggeschichten habe ich tatsächlich im Zug gelesen (total meta), bin ja selbst öfter auf der Schiene unterwegs, obwohl in dieser Zeit gerade keine Langstreckenfahrt dabei war (meine Langstrecken beschränken sich auch meist auf Wien-Salzburg oder Wien-Klagenfurt). Der Autor schreibt so inspirierend, dass man selbst Lust bekommt, aus dem Fenster zu schauen und zu notieren, was man sieht und denkt, nur könnte man gleichzeitig nicht weiterlesen und das wäre dann auch wieder schade.

Er beschreibt auch Begegnungen im Zug, was mich sofort an die seltsame Frau erinnerte, die mich letztens im Zug nach Salzburg heimsuchte. Ich sitze eigentlich lieber im Großraumwagen, um genau diesen Zwangsgesprächen aus dem Weg zu gehen. Diesmal hatte ich jedoch eine Reservierung für ein Abteil bekommen und erfreute mich gerade an der Positivität, dass der Hund herumlaufen und sich unter der Bank verstecken kann, als diese Frau zustieg und praktisch sofort ihre ganze Lebensgeschichte ausbreitete. Sie war unterwegs zu ihrer kranken Mutter nach Italien, die wegen einer Hüftverletzung operiert werden musste und es dauerte keine 20 Minuten, da breitete sie ihre persönlichen Überlegungen zur Sterbehilfe vor mir aus …

Natürlich trifft auch hier wie bei den meisten Reisereportagen die Tatsache zu, dass die Reise im Allgemeinen beschönigt wird. Bei meiner gerade selbst absolvierten Reise (im Großen und Ganzen recht schön), traten immer wieder kleine Ärgernisse auf, die je nach Größe und Relevanz mehr oder weniger die Stimmung trüben (wir durften in Triest mit unserem Hund inkl. Maulkorb nicht im öffentlichen Bus fahren – WTF?). Solche Episoden kommen niemals in den Reisereportagen vor, es wird immer alles total schön geredet und selbst das nicht ganz so Angenehme wird beschönigt und als „Selbsterfahrung“ verkauft (siehe Klosterfasten … don’t get me started …). Andererseits machen die Reisejournalisten zweifellos nur ihren Job, sie sollen ja Reiselust verkaufen. Also darf man sich wohl nicht so mitreißen lassen. Oder man muss sich ausreichend auf die Reise vorbereiten und einen Assistenten zuhause haben, der einen bei Schwierigkeiten schnell aus der Patsche telefoniert ;-) Eine inspirierende Sammlung von Reisereportagen, die Lust darauf macht, unterwegs zu sein.

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Blog Kurzgeschichten

Austrofred – Ich rechne noch in Schilling

Rotor, Parque des Atracciones, Madrid

Letzte Woche haben sie in Wien einen neuen Möbel Lutz aufgesperrt, und zwar mit einer absolut lässigen Aktion, nämlich einem Schnitzel um 95 Cent. Das finde ich umso lobenswerter, als viele andere Firmen bei solchen Anlässen mittlerweile ja fast nur mehr Handys oder „iPods“ verschenken. Nur: Handy braucht man nur eines, aber ein Schnitzel braucht man jeden Tag!

Da drückte mir der Waldläufer dieses Büchlein mit dem seltsamen Mann auf dem Cover in die Hand, ich nahm es mit nach Madrid, wo es mir als Verbindung in die zurückgelassene Heimat diente. Und diesen Zweck hat es gut erfüllt. Grundsätzlich bin ich ja kein Fan davon, Blogbeiträge gesammelt in Buchform zu veröffentlichen, es widerspricht in meinem Verständnis dem Sinn und Zweck des Blogs, nämlich, aktuelle Themen zeitnah zu behandeln (Anwesende offenbar ausgenommen). Aber auch rückblickend macht es Spaß, den Schnitzel- und Bühnenexzessen des „Champions“ beizuwohnen, der mir bisher mehr von seiner Mitarbeit beim FM4 Frequency ABC bekannt war. Ich bin ja nicht mehr up to date …

Jedenfalls liefert der Austrofred in seinem Blog/Buch Geschichten und Anekdoten aus der Musikwelt sowie allgemeine Betrachtungen zum Wiener Schnitzel. Ich war ja selbst zu etwa dieser Zeit auch häufiger Gast bei der Hermi auf ein Schnitzel, kann mich also bestens identifizieren. Als Queen-Fan beschäftigt sich der Autor auch mit dem damals gerade angekündigten Queen-Musical „We will rock you“, von dem ich sehr gerne wüsste, ob es den hohen Ansprüchen gerecht werden konnte:

Was mir Hoffnung macht: Letzte Woche hat mir ein Radio Wien-Mitarbeiter erzählt, dass er das Musical in London schon gesehen hat und dass es, rein von der Musik her, enorm geschoben hat. Hoffentlich haben sie im Raimundtheater eine gescheite Endstufe stehen.

Bei einem aktuellen (Oktober 2011) Check musste ich leider feststellen, dass das Tagebuch/Blog nicht mehr so aktuell ist (letzter Eintrag im Moment vom 29. August 2011) und noch dazu kein RSS-Feed zur Verfügung steht. Das mag aus dem Wissen, dass das Tagebuch 2004 gestartet wurde, in Ordnung sein, aber ohne RSS-Feed geht’s halt heutzutage in meinem Verständnis einfach nicht mehr. Wer eine Reflexion auf die Jahre 2004 bis 2006 mit unterhaltsamen Analysen aus der österreichischen Musikwelt sucht und sich am amüsanten, sympathischen Stil erfreuen kann, macht hier sicher keinen Fehler.

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Kurzgeschichten

Etgar Keret – Pizzeria Kamikaze / Der Busfahrer, der Gott sein wollte

FlowerPower(c)jusone/SXC

„Sag mal“, forschte Uzi nach, „stimmt das, was gesagt wird, dass sie dir bei euch, bevor du so eine Aktion startest, siebzig geile nymphomanische Jungfrauen in der nächsten Welt versprechen? Nur für dich, Solotanz?“ – „Tun sie“, erwiderte Nasser, „und schau dir an, was daraus wird. Ich bin auf Alkohol herabgesackt.“ – Dann warst du am Ende also der Depp, Nasser“, sagte Uzi schadenfroh. „Bei Gott“, Nasser nickte, „und du, was haben sie dir versprochen?“

Es wird an der Zeit, wieder mal ein uneingeschränktes Loblied zu singen und niemand hätte es mehr verdient, als der geniale Etgar Keret. Allein schon die Idee, eine Geschichte in einer Welt spielen zu lassen, die nur von Selbstmördern bevölkert wird. Menschen, die aus einer ihnen unwirtlich gesinnten Welt fliehen, landen in einer Welt, die auch um nichts besser ist und noch dazu zusammen mit lauter Menschen, die ebenfalls keinen Sinn im Leben sehen. Wer würde sich da nochmal umbringen? Freundschaften entwickeln sich, die Bewohner dieses seltsamen Ortes werden schubladisiert nach der Art, in der sie sich töteten und demnach Körperschäden erlitten. Am besten haben es da die unversehrten Tablettenopfer. Als ob diese schräge Welt nicht schon genug wäre, bevölkert Keret diese auch noch mit Persönlichkeiten, die allesamt mehr oder weniger plausible Gründe zum Selbstmord hatten, und schickt diese in Situationen, die sie mit dem trockensten Humor bewältigen, den die Welt außerhalb Großbritanniens jemals erlebt hat.

Viele der weiteren Kurzgeschichten sind so kurz wie prägnant und amüsieren oder verstören, jedoch kaum etwas dazwischen. Je nachdem, welches Gefühl sich der Autor gerade ausgesucht hat, genau mit diesem lässt er den Leser zurück. Brutal oder poetisch beschreibt er menschliche Abgründe und scheiternde Existenzen. Ohne jedoch zu vergessen, dem Leser hin und wieder einen Lichtblick zu erlauben: Nicht alles auf der Welt ist schlecht. Betrachtet man das Leben und die Gesellschaft mit dem notwendigen Schuss schwarzen Humors, lässt sich aus jeder noch so sauren Zitrone ein sensationelles Gefühl ziehen. Pflichtlektüre. Punkt.

Weitere Informationen: Etgar Keret – personal websitePerlentaucherLyrikwelt