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Krimi Roman

Enric Balasch – Sagrada

Erneut nahm der Architekt die Fotos und Zeichnungen zur Hand und betrachtete sie aufmerksam, wobei er bisweilen lächelnd den Kopf schüttelte, als riefen sie angenehme Erinnerungen in ihm wach. Von Zeit zu Zeit unterbrach er sich, um einen Schluck Kaffee zu trinken. Nach einer Weile hatte er die Bilder in mehrere Häufchen sortiert, von denen er schließlich eins Munárriz hinschob.

An diesem Punkt der Geschichte hatte ich den Gedanken „wenn das jetzt der Da Vinci Code wäre, dann wäre dieser Architekt der Böse und würde sich dann an die Fersen des Inspektors heften“. Jetzt kann man sagen, ich lag falsch oder der Autor hat aufgepasst, nicht zu nahe am Da Vinci Code anzustreifen … Der Feind ist hier ein geheimnisvoller radikaler Orden von Hund und Hahn. Er tritt kaum in Erscheinung, auch der Leser sieht ihn beinahe nur in der Funktion des Toten, der Munárriz und seine Geliebte Mabel (wozu diese blöde Trennungsgeschichte am Rande, sind wir hier in einem Fortsetzungsroman?) auf die Spur des Orden bringt.

„Ich meine wirkliche Geheimbünde, solche, von denen niemand je gehört hat und die im Verborgenen eine unvorstellbare Macht ausüben.“

Diese Fantasie von den alleegeheimsten Geheimbünden hat wohl Autoren rund um den Erdball jahrelange Freude beschert. Hier hat es allerdings nicht zur wirklichen Spannung ausgereicht. Bei einem einzelnen Showdown, der sich auf einer von 388 Seiten abspielt, kann man von einem Thriller wohl auch eher nicht sprechen. Ein Kriminalfall, ja. Aber die Ermittlungen spielen sich hauptsächlich in langatmigen Gesprächen ab, in denen sich der Inspektor über mehr oder weniger bewiesene historische und architektonische Fakten belehren lässt.

Zu allem Überfluss kommt das unbefriedigende Ende: Dass sich der Inspektor damit zufrieden gibt, dass der Mordfall, mit dem alles begann, nicht aufgeklärt wird und die Kirche alles unter sich ausmacht und unter den Tisch kehrt (klingt hier ein Funken Kritik an?), hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Leider blieb dieser Mystery-Thriller im Ambiente der von mir hoch geschätzten Kirche in Barcelona hinter den Erwartungen zurück.

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Krimi Roman

Jo Nesbo – Der Fledermausmann

„Ich bin mit Zwei-Griff-Punkt aufgewachsen und einer Symphonie nie näher gekommen als mit Gruppen wie Yes oder King Crimson. Ich höre keine Musik aus dem letzten Jahrhundert, okay? Alles vor 1980 ist für mich Steinzeit.“

Die Anfangsgeschichte von Harry Hole. Im ersten Roman erklärt Jo Nesbo nicht nur, wie man den Nachnamen eigentlich ausspricht („Holy“ sagen zumindest die Australier) sondern auch wie Harry zum Alkoholiker wurde. Denn die Vorgeschichte ist vor dem ersten Roman passiert. Hier ist Harry bereits ein rehabilitierter Ermittler, der nach Australien geschickt wurde, um fürs Erste von der Bildfläche zu verschwinden und harmlos beschäftigt zu werden. Doch aus dem harmlosen Mordfall wird schnell ein Blutbad, mit dem Harry persönlich zu kämpfen hat …

Ich sitze hier in einer Bar, dachte Harry, und höre einem Transvestiten zu, der mir eine Vorlesung über australische Politik hält. Plötzlich fühlte er sich in etwa ebenso zu Hause wie Harrison Ford in der Barszene in Star Wars.

Bin schon sehr gespannt auf den nächsten Fall. Der lässt einen einfach nicht mehr los …

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Krimi Roman

Bernhard Aichner – Leichenspiele

Vadim, daneben Max und Baroni. Sie tranken.
Über die letzten drei Tage redeten sie nicht, über die Toten, sie wollten sich in diesem Moment keine Gedanken darüber machen, was passieren würde, würden sie Vadim die Wahrheit sagen. Sie wollten sich einfach einen Moment lang um nichts kümmern, sich gehen lassen, sie wollten einfach nur kurz stillstehen, abtauchen, sich leicht fühlen, unbeschwert. Kurz wollten sie auch ohne Sorgen sein, keine Probleme haben, keine Entscheidungen treffen, einen Moment lang wollten sie einfach nur unwissend sein, dumm sein, sich unbeschwert trinken, ohne nachzudenken, keine Minute nach vorn, nicht an morgen, nicht an die Leichen in der Gerichtsmedizin, nicht an Anton. An nichts wollten sie denken. Sie tranken einfach. Bis es dunkel wurde.
Nur drei Männer an der Bar und volle Gläser neben der Autobahn.

Na, da hätten wir mal wieder einen abgründigen Krimihelden wider Willen. Der Totengräber Max hat im vorhergehenden Buch offenbar seine Frau verloren und verkriecht sich an einem weit entfernten Strand. Sein bester Freund Baroni steckt in Schwierigkeiten und holt Totengräber Max zurück auf seinen Friedhof und damit direkt in ein äußerst tödliches Ränkespiel. Denn Organhändler wollen Baronis Notlage ausnutzen und Max soll die Leichen auf dem Friedhof vergraben. Dass das nicht lange gutgehen kann, erklärt sich von selbst.

Besonders geschickt stellen sich die Freunde nicht an, weder im Umgang mit den Leichen, noch im Ermitteln. Wie auf dem Präsentierteller laufen sie letztendlich in die Arme des Mörders und kommen doch mit dem Schrecken davon (das dürfte nicht zuviel verraten sein, den Helden einer Krimireihe bringt man nicht leichtfertig um). Ein alkoholgeschwängerter Krimi um Ausschweifungen aller Art, auf seine (unkorrekt österreichische) Art originell, auch wenn man beim Lesen schon mal den Kopf schüttelt über Max und Baroni, die von einer unangenehmen Situation in die nächste stolpern. Immer den nächsten Schnaps in Sicht …

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Krimi Roman

Donna Leon – Das Gesetz der Lagune

Wie jedes Mal weiß ich nicht so recht, was ich über den Brunetti-Krimi schreiben soll. Gerade bei einem Krimi soll man ja die Handlung nicht verraten und den Brunetti mag man eben oder man mag ihn nicht (kenne Personen beider Lager). Ich lese ihn immer wieder mal zwischendurch und als Nebenbei-Buch für die Pausen zwischen 1Q84 (es ging so schnell vorbei), eignete es sich perfekt.

Wiederum spitzte sich hier die Handlung gegen Ende auf einen Knalleffekt zu, lange bleibt der Täter im Dunklen und letztendlich ist der Verlust eines langjährigen Brunetti-Begleiters zu beklagen, der sich vermutlich auch noch in den nächsten Romanen schmerzhaft bemerkbar machen wird.

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Krimi Roman

Wolf Haas – Der Brenner und der liebe Gott

Und noch einer im Boot der Krimikameraden. Der Brenner-Nachzügler von Wolf Haas, als der mit dem Brenner eigentlich schon fertig war. Und so ist der Brenner über weite Strecken dieses Romans nicht der Brenner, sondern der Herr Simon – pensionierter Polizist, der sich als Chauffeur für einen Baulöwen und dessen Familie seine Brötchen verdient.

„Fanatismus“ hat der Knoll so ausgesprochen, als hätte er eine verdorbene Buchstabensuppe gefrühstückt, in der nur Anführungszeichen drinnen waren, die ihm in diesem Moment hochgekommen sind.

Es bleibt beim bekannten Plauderton, in dem die Brenner-Geschichten auch bisher illustriert waren, daher schwimmt man die Geschichte auch wie einen Fluss hinab. Allzuviel kann man nicht sagen, denn Kindesentführung, fanatische Abtreibungsgegner, Freunderlwirtschaft und Korruption vereinen sich zu einem nicht vorhersehbaren Mordausmaß, das der Brenner nur knapp überlebt. Und auch was der liebe Gott eigentlich damit zu schaffen hat, muss sich der geneigte Leser schon selbst erlesen. In Form geblieben. Der Brenner, wie er leibt und lebt.

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Krimi Roman

Robert B. Parker – Trügerisches Bild

Er hatte keinen Grund anzunehmen, dass er verfolgt wurde, also hatte er auch keinen Grund, irgendwelche Tricks zu versuchen. Und er wurde natürlich von einem Ass beschattet. Ich folgte ihm.

Im direkten Vergleich zum ach so bürgerlichen Brunetti zeigt sich der Detektiv dieses Romans großmäulig – und ansonsten ebenso bürgerlich. Detektiv mit Frau und verliebtem Hund, immerhin blitzt zwischendurch etwas wirklich Witziges auf, man könnte beinahe sagen, es ähnelt trockenem Humor.

„Und was, wenn sie versuchen, mich zu töten?“ – „Versuchen Sie, das zu vermeiden.“

Ansonsten zeigt sich Spenser als großmäuliger Angeber, der den Fall am Ende natürlich löst. Der Fall selbst erweist sich als komplex, das Ende kommt dann doch schneller als gedacht. Mit einer Auflösung aller Details sollte man sich nicht allzulange aufhalten, nachdem der Mörder selbst den Tod gefunden hat (im Lauf eines Gewehrs).

Er zählte zu den zwei Besten, die ich kannte. Ohne meinen Vorsprung in Sachen Charme und ansprechendem Erscheinungsbild hätte er glatt mit mir gleichgezogen.

Man wünscht ihm fast schon, dass er endlich mal eine abbekommt …

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Krimi Roman

Donna Leon – Feine Freunde

Er dachte an Paola, die gesagt hatte, wie froh sie sei, dass sie an Drogen nie etwas gefunden hatte, weil sonst alles mögliche hätte passieren können; er selbst besaß nicht ihre Aufgeschlossenheit und hatte Drogen nie probiert, auch als Student nicht, als alle um ihn herum dieses oder jenes rauchten und ihm versicherten, nur so könne er seinen Geist von den beengenden Vorurteilen des Bürgertums befreien. Sie hatten sich nicht vorstellen können, wie sehr er damals nach bürgerlichen Vorurteilen strebte, nach allem Bürgerlichen überhaupt.

Da hat sich diesmal ein sehr bezeichnender Satz gefunden, der möglicherweise auch eine Antwort an all jene schickt, die den Kommissar Brunetti stets für seine Bürgerlichkeit verachten. Auch ich kann nicht verhehlen, dass ich abgründige Charaktere im Allgemeinen spannender finde. Wenn man sich jedoch auf Brunetti einlässt, dann findet man mit „Feine Freunde“ einen relativ vielseitigen Krimi, der mit Drogensucht, Zinswucher und Korruption gleich mehrere heiße Themen behandelt und zu einem großen Ganzen verknüpft. Nicht überragend ist allerdings das Ende, das sich anfühlt, als hätte die Autorin noch dringend einkaufen müssen. Beinahe erwartungsgemäß.

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Krimi Roman

Uwe Klausner – Die Bräute des Satans

Gegen seinen Willen, als drücke ihm jemand das Kinn in die Höhe, hob der Mörder von Bruder Severus schließlich den Blick. Und erkannte mit Entsetzen, weshalb der Bockbeinige die Mehrzahl benutzt hatte.

Da muss erst Weihnachten kommen und die interessante Erkenntnis, dass ich tatsächlich einen Blogeintrag unter den Tisch fallen haben lassen, den ich nachträglich nicht mal mehr einsortieren kann. In der Kindle-App am iPad – wie, da soll ich schon bei 80% sein? – das muss ein Fehler sein. Genaueres Hinschauen ergab dann, dass ich sogar schon bei 100% war … allerdings verstehe ich nachträglich schon, warum ich das schnell vergessen wollte …

Ein Mönch, der im Kloster Mordfälle löst. Äußerst blumige Sprache, deutlich unpassend für die angepeilte mittelalterliche Zeit und auch der Kriminalfall ist eher unoriginell. Ist nun der Mörder vom Teufel besessen? Will das ein mittelalterliches CSI sein oder eher Sleepy Hollow? Der Autor konnte sich offenbar nicht entscheiden.

Eine unschuldig angeklagte Hexe, ein dämonischer Inquisitor, ein gepeinigter Schüler (Anleihen bei Der Name der Rose?) – viele Bestandteile, die am Ende zwar einen Roman ergeben, jedoch keinen, der sonderlich im Gedächtnis bleibt. Offensichtlich.

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Krimi Roman

Michael Dibdin – Vendetta

I wandered off, neither knowing nor caring where I went. All places were equal now. My feet brought me here, like a horse that knows its own way home. He would be far away, I thought, speeding through the corridors of light in his big white car.

Nur sehr langsam kommt die Geschichte um Aurelio Zen in Gang. Da es sich dabei wiederum um eine Reihe handelt, langweilt sich vermutlich der Leser, der mit der Person bereits bekannt ist, noch mehr während der langen Beschreibungen der Arbeitskollegen, der Situation von Zens Mutter und seiner hoffnungslosen Verliebtheit in Kollegin Tania.

Erst als Zen in korrupten, politischen Untiefen zu versinken droht und schließlich allein nach Sardinien geschickt wird, obwohl ihm ein Mordkommando auf den Fersen ist, kommt etwas Schwung und Dynamik in die Handlung. Eine erste Klimax ergibt die herrlich bewerkstelligte Demaskierung von Zens Inkognito (er ist als Schweizer Reto Gurnter unterwegs). Der tatsächlich Höhepunkt folgt auf dem Fuß, wobei sich hier schließlich das Gefühl durchsetzt, der Autor hätte es „zu Ende bringen wollen“. Die Einzelheiten erklärt Zen seiner Kollegenschar, hier wäre eine etwas raffiniertere Auflösung wünschenswert gewesen.

Alles in allem nicht das schlechteste Werk, das Amazon letztes Jahr zu Weihnachten verschenkt hat. Wird sich zeigen, ob ich noch schaffe, alle zu lesen, bevor dieses Jahr wieder Weihnachten vor der Tür steht …

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Krimi Roman

Volker Kutscher – Goldstein

Schlossbergstollen, Graz

Er schaute Rath an. „Glaub mir, ich war nicht immer so kaltblütig. Das lernt man mit der Zeit. Ein kleiner Eispanzer rund ums Herz, der hilft, weißt du, ein Panzer wie nach einem Eisregen.“ Er machte eine Pause und schaute in die Ferne, hinaus auf den westlichen Horizont, über dem der letzte kleine Rest des Tageslichts noch zu sehen war, bevor die Nacht das Regiment endgültig übernehmen würde.

Mit seinem dritten Roman rund um den unterweltnahen Kommissar Gereon Rath gibt Volker Kutscher seiner Geschichte eine interessante Wendung. Der titelgebende jüdische Gangster Abraham Goldstein erweist sich zwar als Nazischreck und nicht ganz harmlos, doch die richtig bösen Buben finden sich diesmal in den eigenen Reihen: Ein Geheimbund von Polizisten, die die Justiz selbst in die Hand nehmen. Gleichzeitig lässt Kutscher die Nazis aufmarschieren, noch auf hintergründige, aber doch bedrohlich wirkende Art.

Auch die Beziehung zwischen Gereon und seiner mehr oder weniger angebeteten Charly nimmt eine überraschende Wendung: Obwohl Rath den Verlobungsring bereits mit sich herumträgt, scheint stets etwas dazwischen zu kommen und es findet sich nicht der richtige Moment für einen Antrag. Und dann reist Charly auch noch für 6 Monate beruflich nach Paris …

Ein weiterer spannend geschriebener Krimi aus der Reihe um Gereon Rath aus dem Berlin der 20er.