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Krimi Roman

Ursula Poznanski – Stimmen

CN: Mord, Gewalt, Blut, psychische Krankheit, Krankenhaus, Trauma, sexuelle Handlungen


Dieses Buch hatte ich mir schon lange für den Urlaub aufgehoben, am Strand wollte ich mich nicht konzentrieren, sondern einfach nur in eine Geschichte versinken. Zweiter Vorteil war, dass ich das Buch aus dem Bücherschrank hatte und somit auch einfach an meine Reisebegleitung weiterreichen konnte.

Der Kriminalfall, den Bea Kaspary und ihre Kollegen (sie ist die einzige Frau im Team und meint ständig, sich behaupten zu müssen) zu lösen haben, erweist sich als komplex und interessant gestaltet, hier sehe ich deutlich die Stärken von Autorin Ursula Poznanski (auch bereits in Saeculum). Genervt hat mich hingegen die eingewobene Romanze mit einem der bereits erwähnten Teamkollegen. Der Verlauf dieser Beziehung war dermaßen vorhersehbar inklusive des Endlich-Miteinander-Ins-Bett-Fallens als kathartischer Augenblick nach einem tätlichen Angriff auf Bea. Nicht zu vergessen die Verletzung an der Hüfte, die ihr zwar beim Anziehen einer Jeans Schmerzen bereitet, aber dann wie durch Zauberhand bei der Bettakrobatik nicht stört.

Meine Reisebegleitung beklagte außerdem, dass viele Erzählstränge unaufgelöst bleiben, sie hätte sich gewünscht, auch über die weiteren Geschichten der Nebenfiguren zu lesen. Dass es sich bei diesem Buch um den dritten Band einer Serie handelt, habe ich erst im Nachhinein herausgefunden. Gut für mich, jetzt muss ich mich gar nicht erst bemühen, mit dem ersten Band anzufangen … Da müsste schon ein entsprechender Geocache daher kommen, den ich aber aktuell aus Gründen nicht extra suchen werde.

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English Fantasy Roman

John Wiswell – Someone You Can Build a Nest in

CN: Body Horror, Gewalt, Blut, Mord, innere Organe, Gift, Trauma, Familiengewalt


It was some sort of love. Not the kind of love that made you plant your eggs in someone and turn them into a parent, but a kind of love.

Mein zweiter Lesewunsch aus der Liste der Hugo Award Nominees (am 16. August werden die Ausgezeichneten präsentiert) war dieses Werk, das auf LitHub da und dort empfohlen wurde. Ich wurde nicht enttäuscht, dieses Buch ist in meinen Augen ein Meisterwerk.

Schon zu Beginn wird klar, dass wir es mit einer außergewöhnlichen Protagonistin zu tun haben. Shesheshen ist ein shapeshifting monster, sie kann ihre Gestalt verändern und rastet gerade in Form eines Klumpens in einem unterirdischen Teich, als sie von Monsterjägern unsanft aus dem Winterschlaf geweckt wird. John Wiswell gelingt es hier ausgezeichnet, dass wir Leser:innen trotz der überaus gewaltsamen Notwehr, die Shesheshen den Eindringlingen entgegensetzt, sofort auf der Seite des Monsters stehen. Shesheshen folgt ihrer Natur und ernährt sich von organischer Masse anderer Wesen (Tiere oder Menschen) und fragt sich gleichzeitig, warum Menschen (die ja auch Tiere essen) diesen vor dem Konsum absurde Dinge wie Grillen oder Kochen antun. Wer ist hier eigentlich das Monster? Diese Frage begleitet uns zwischen den Zeilen und manchmal auch offensichtlich durch diese Geschichte.

Hers was a pain that made Shesheshen question what being a better person was.

Das Buch behandelt im Rahmen der Geschichte unzählige Aspekte unseres realen Lebens, die durch die Metapher des Monsters Shesheshen eine andere Perspektive ermöglichen:

  • Shesheshen kann ihre Körperform verändern und somit als Mensch „passen“ (engl. passing, eine Begrifflichkeit, die von Trans* Menschen verwendet wird, um zu bezeichnen, dass sie von anderen in ihrer wahren Geschlechtsidentität wahrgenommen werden).
  • Außerdem hat Shesheshen Schwierigkeiten, Gesichtsausdrücke zu interpretieren, Emotionen in Gesprächen wahrzunehmen und gesellschaftliche Konventionen zu verstehen (ein deutlicher Hinweis auf Autismus).
  • Zum Zweck der Fortpflanzung entwickelt Shesheshen in ihrem Körper einen Sack mit Eiern, ihr Instinkt sucht nach einem menschlichen Körper, in dem sie diese Eier platzieren kann. Die daraus entstehenden Fortpflänzchen würden dann den Körper, in dem sie ausgebrütet wurden, nach dem Schlüpfen aufessen (es gibt Insekten, die ihre Eier in Körper legen, damit wollte ich mich aus Gründen nicht ausführlicher befassen). Später im Verlauf der Geschichte erzeugt Shesheshen versehentlich ohne Mitwirkung eines anderen Wesens einen Ableger (im Englischen wird von offspring geschrieben, mir erscheint Ableger hier als sinnvollstes deutsches Wort), der sich als außerordentlich widerspenstig und wehrhaft erweist.
  • Homilys Beziehung zu ihrer Familie ist geprägt von unterschiedlichen Traumata, sie wird sowohl vom despotischen Familienoberhaupt (der Baroness) als auch von ihren Geschwistern ständig als nutzlos und minderwertig bezeichnet. Egal was sie tut, sie wird von ihren Familienmitgliedern ausschließlich kritisiert und lebt unter dem ständigen Druck, sich zu beweisen.

Zusammengefasst ist Shesheshen durch ihre Wesenheit als Monster das personifizierte Anders: Sie passt nicht dazu, sie wird gejagt und verleumdet (den Fluch, der ihr angelastet wird, hat sie niemals ausgesprochen). Menschliche Wesen, die ja selbst soviel Grausames und Gewaltsames tun, bezeichnen Shesheshen, die eigentlich nur in Ruhe ihrem Leben nachgehen will, als Monster. In der Beziehung zwischen Shesheshen und Homily zeigt sich dafür deutlich, wie liebenswert Shesheshens vermeintlich andersartige Eigenschaften eigentlich sind.

Das alles wäre nicht genug für einen Jubel über dieses Buch, wenn es nicht noch einen interessanten Verlauf der Geschichte (story arc) dazu gäbe. Da und dort sind Spuren bekannter Entwicklungsverläufe zu entdecken, die überraschenden Wendungen fügen diese aber zu einer fortlaufend mitreißenden Geschichte zusammen. Schön fand ich auch, dass das Ende kein klassisches Happy End ist, wo von einem Moment auf den anderen alles gut wird und die schlimmen Erlebnisse aus der Erinnerung verschwunden sind.

Ich bin gespannt auf die Hugo Award Ergebnisse, aus meiner Sicht hätte dieses Buch den Award auf jeden Fall verdient. Einen Nebula Award hat das Buch bereits 2024 gewonnen.


Randnotiz: Seit einiger Zeit befällt mich immer wieder der Gedanke einer Bestandsaufnahme meiner für 2025 gesetzten persönlichen Challenges (hier unten in der Randnotiz kurz angerissen). Das bisherige Ergebnis des Buchprojekts (#12in2025) ist nicht so schlecht, allerdings hat sich eine Flaute eingeschlichen. Bisher habe ich folgende Bücher zu Ende gelesen und verbloggt:

  1. Leon de Winter – Leo Kaplan
  2. John Steinbeck – The Pearl
  3. Terry Pratchett – Small Gods
  4. Thomas Birus – Was macht die Tiefkühlpizza knusprig?
  5. Janetta Rebold Benton – How To Understand Art

Seit Mai gibt es bezüglich der Challenge keine Fortschritte mehr, was an verschiedenen Faktoren liegt:

  • Eines der Bücher, die ich aus dem Regal der Ungelesenen genommen habe, hat mich an einer Stelle dermaßen verärgert, dass ich es bis jetzt nicht mehr in die Hand nehmen wollte. Das wäre jetzt eigentlich ein Kandidat dafür, es wegzugeben, aber ich schätze diese Autorin und habe mich nur über diese eine spezielle Aussage extrem aufgeregt. Das könnte sich natürlich alles noch relativieren, nur müsste ich das Buch im Prinzip nochmal von vorn anfangen … schwierig.
  • Book Club mit Hugo Award Nominees (Calypso, Alien Clay, The Ministry of Time und zuletzt das Buch, das ich oben besprochen habe)
  • Eine generelle Lesepause nach dem Abschluss von Sunrise on the Reaping
  • Das Leben hat mich viel mit anderen Dingen beschäftigt.

Wirklich problematisch ist das jetzt nicht, immerhin liegen noch einige Herbst-/Wintermonate vor uns, wo dann das Lesen auch wieder mehr in den Vordergrund rückt.

Interessanterweise bin ich auch in meine Geocaching-Challenge (#52in2025) stark gestartet und habe dann (unter anderem aufgrund des großen Vorsprungs, aber auch teilweise wegen oben bereits genannter Gründe) stark nachgelassen. Aktuell enthält die Liste der gefundenen Caches, die meinen Kriterien entsprechen 47 Geocaches, ich bin allerdings auch etwas umgefallen und habe neue gelöst (teilweise aber auch gleich wieder gefunden). Die zu reduzierende [AT] ?-Liste enthält nun noch 113 Geocaches. Auch hier erhoffe ich mir neuen Schwung vom Herbst, für den aktuell keine größeren Reisen mehr geplant sind.

Weil ich mit den beiden bereits genannten Challenges so einen guten Start hatte, habe ich versucht, dieses Modell auch auf einen anderen Lebensbereich anzuwenden und einen Anlauf gestartet, täglich zumindest einen kleinen kreativen Aspekt in mein Leben einzubringen (#creativeDaily). Dieses Experiment hat leider nicht so geklappt, wie ich mir das erhofft hatte. Einerseits könnte es mit dem täglichen Rhythmus zusammenhängen; es gibt einfach schon so viele Dinge, die täglich zu tun sind. Andererseits habe ich das Gefühl, dass meine kreativen Ideen so undefiniert sind, dass es zumeist schwierig ist, schnell zwischendurch etwas umzusetzen. Bereits zu Beginn hatte ich mir ein paar kreative Projekte/Ideen vorgenommen, damit ich immer eine Auswahl habe und daran arbeiten kann, wonach mir gerade ist. Das beinhaltet auch die Möglichkeit, dass ich unterwegs an Dingen arbeiten kann, die ich auf meinem Laptop oder Smartphone sowieso digital bei mir habe.

Was den täglichen Rhythmus angeht, probiere ich in einem anderen Bereich (regelmäßiges Stretching/Yoga) gerade ein 5/7- bzw. 4/7-Modell aus (5 von 7 Tagen bzw. 4 von 7 Tagen jede Woche). Das könnte vielleicht auch für das kreative Experiment interessant sein.

Um die Undefiniertheit der kreativen Projekte zu verbessern, denke ich über Dokumentation und Organisation nach. Zum Beispiel habe ich die Notizen zu meiner Romanidee im Moment an unterschiedlichen Stellen, das macht das Überblicken des aktuellen Stands und möglicher weiterer Tasks Schritte kompliziert. Für die tatsächlichen Bastelprojekte bestehen auch oft zeit- und/oder ortsgebundene Schritte, wie zum Beispiel notwendige Materialeinkäufe. Diese fühlen sich dann nicht wie kreative Tasks (ich möchte sie eigentlich nicht Tasks nennen, mir fällt aber kein passendes Wort ein) an, obwohl sie eigentlich Schritte auf dem Weg zum Ziel darstellen.

Jedenfalls habe ich hier an mir selbst bewiesen, dass Gamification als Motivationsstrategie funktioniert. Es macht mir Spaß, Dinge auf Listen abzuhaken, Sterne oder Medaillen für vollendete Meilensteine zu sammeln und meinen Erfolg langfristig beobachten zu können. Alles nichts Neues, aber wir müssen eben alle für uns selbst herausfinden, was für uns funktioniert. Eine Habit-Tracker-App probiere ich auch gerade (wieder mal) aus. Es darf nur das Protokollieren der erledigten unternommenen Schritte nicht zum Selbstzweck werden. Das gilt es auch im Blick zu behalten.

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English Roman

Ragnar Jonasson – The Girl Who Died

CN dieses Buch: Mord, Selbstmord, Tod, Depression
CN dieser Post: Tod


But the only option was to confront her fears, confront these horrible nightmares, by going downstairs to the dining room and reassuring herself once and for all that there was nobody there.

Woher dieses Buch auf meine Liste kam, weiß ich absolut nicht mehr. Erzählt wird auf zwei Ebenen, die sich am Ende zusammenfügen. Die mit ihrem Leben in Reykjavik unzufriedene Una bewirbt sich für einen Lehrauftrag „am Ende der Welt“ – einen winzigen Fischerdorf an der Küste. Erst vor Ort erfährt sie, dass sie nur zwei Schülerinnen zu unterrichten haben wird.

Von den Einheimischen, die eine eingeschworene Gemeinschaft bilden, wird sie unterschiedlich aufgenommen. Auf Umwegen erfährt sie schließlich, dass in ihrer Mansardenwohnung vor vielen Jahren ein Kind gestorben ist, das als Geist herumspuken soll. Erst nach dieser Enthüllung machen einige nächtliche Erlebnisse für Una Sinn. Überschattet wird diese Geschichte jedoch durch den sehr realen Tod einer von Unas Schülerinnen während des Weihnachtskonzerts.

Der Schauplatz am Ende der Welt, die interessant gezeichneten Charaktere und das Zusammenfügen der beiden parallelen Geschichten gegen Ende sind die Pluspunkte dieses Romans. Irgendwie blieb bei mir am Ende dann aber doch eher ein bitterer Nachgeschmack.

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English Roman

Jenny Colgan – 500 Miles from You

Von Jenny Colgan habe ich bereits Little Beach Street Bakery und The Bookshop on the Corner gelesen. Auch wenn die Personen und  Liebesentwicklungen eine gewisse Vorhersehbarkeit aufweisen (die Protagonistin hat eine wilde Freundin, das kam in allen drei Büchern, die ich nun von ihr gelesen habe, vor), gelingt es ihr immer wieder, der Geschichte unerwartete Wendungen zu geben. Ihre Charaktere sind sympathisch und fein gezeichnet, haben Ecken und Kanten und machen Fehler. Erfreut hat es mich auch, dass die Protagonist*innen Nina und Lennox aus The Bookshop on the Corner hier erneut einen Auftritt haben und die Leser*in dadurch auch erfährt, wie es mit deren Geschichte weitergeht. Ein entspannendes Lesevergnügen für jede Jahreszeit.