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Bildband

Georg Wagner – Die österreichischen Bundesbahnen

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Bei meinem letzten Berlin-Besuch habe ich es endlich mal ins Café Tasso geschafft. Beim Vorbeigehen habe ich schon oft in die Bücherkästen draußen geschaut, aber drin war ich bisher noch nie. Diesmal nahm ich mir die Zeit, um die vollen Bücherräume im Untergeschoss des Cafés zu besuchen. Die Ansage „jedes Buch 2,50€“ ließ mich Schlimmes schweres Gepäck auf der Heimreise befürchten. Also entschloss ich mich zu einer systematischen Suche nach den Büchern, die ich schon länger auf irgendwelchen Liste habe und fand von denen dann tatsächlich nur eines (!). Weil ich zumindest 5€ bezahlen wollte, inspizierte ich dann noch das schmale Regal im Durchgang zu den Toiletten und dort ließ ich mir von einer größeren Person Die österreichischen Bundesbahnen – Eisenbahn und Landschaft in 150 Panorama-Aufnahmen aus dem obersten Regal holen.

Die Fotografien in diesem Bildband stammen aus den Jahren 1979 bis 1983. Die blauen 4020-Züge, die heute nur noch selten auf meiner Stammstrecke zu sehen sind, waren damals gerade neu. Die Aufnahmen sind überaus vielfältig, der Autor Georg Wagner und der zweite Fotograf Bernd Eisenschink haben sich große Mühe gegeben, nicht nur Lokomotiven und Waggons abzufotografieren sondern die jeweiligen Züge in der Landschaft eingebettet abzubilden. Die Bildtexte dazu geben sehr genau an, um welche Lokomotivtypen es sich handelt, wann und wo genau das jeweilige Bild aufgenommen wurde und auch, ob es sich um eine spezielle Zugkombination handelt. Das Vorwort des Vorstands der Österreichischen Bundesbahnen deutet schon darauf hin, dass hier eine Zusammenarbeit stattgefunden hat. Dass dieser Vorstand nicht namentlich genannt ist, ordnet das Buch wiederum in seine Epoche ein. Heutzutage würden da Namen und Portraitfotos abgebildet werden.

Die vielen interessanten Aufnahmen haben mich außerdem zu dem einen oder anderen Ausflug inspiriert. Ich liste meine Ideen hier auf und werde (hoffentlich) die jeweiligen Bilder dieser Ausflüge ergänzen, wenn sie stattgefunden haben.

  • Auf den Seiten 8 und 9 ist eine bekannte Wiener Stadtansicht zu sehen, die Donaukanal-Brücke zwischen Wien Mitte und Wien Nord. Dort komme ich regelmäßig vorbei und möchte mir ansehen, ob ich die Fotos nachstellen kann, wobei ich aufgrund der Perspektive annehme, dass sie aus einem Haus gemacht wurden.
  • Die Schneeberg-Bahn (Seite 12/13) steht schon aus anderen Gründen auf meiner Liste. Leider ist die Fahrt mit der Salamander-Bahn unfassbar kostspielig und am besten mit einer Niederösterreich-Card zu kombinieren.
  • Bei der Abbildung auf Seite 23 dachte ich kurz, ich hätte meine Heimatstadt erkannt, der Kirchturm von Unterretzbach hat auf den ersten Blick Ähnlichkeit mit dem von Stockerau. Hier halte ich die Chancen für gut, die Perspektive auf dieses Gleis mit der Kirche im Hintergrund zu finden.
  • Die Schafberg-Bahn habe ich seit der Ausstellung zur Eisenbahn-Architektur vorgemerkt. In diesem Buch ist auf Seite 73 ein Foto der schräg auf den Schienen sitzenden schwarzen Dampflokomotive zu sehen, die heute im Eingangsbereich des neuen Bahnhofs der Schafberg-Bahn steht.

Ein Highlight aus den Bildtexten (S. 66) möchte ich auch verewigen:

Wie viele Eisenbahn-Fotografen haben sich nicht schon über die unvermeidliche Wolke vor der Sonne geärgert, die im „rechten“ Moment das schönste Foto zunichte machen kann. Doch manchmal verhilft der Zufall auch zu einer „Theaterbeleuchtung“, die hier am 5.5.1979 bei Traunkirchen den R 3341 (Bad Aussee – Attnang-Puchheim) mit seiner 1141.23 in Szene setzt.

Auf dem Bild zu sehen ist eine rot-orange-farbene Lok, die zwei dunkelgrüne Personenwagen hinter sich zieht, im Hintergrund eine leicht angezuckerte Bergkette. Ein Großteil der Landschaft liegt im Schatten; aber dort, wo die Lokomotive gerade unten zentral durchs Bild fährt, scheint die Sonne.

Der Autor spart auch nicht mit Detailinfos wie zum Beispiel dem „neuen“ Farbkonzept der ÖBB, laut dem die Loks in RAL 2002 „Blutorange“ lackiert wurden. So heben sich die rot-orange-farbenen Loks deutlich von den damals grünen Personenwagen und braunen Güterwaggons ab.

Ein spannender Bildband aus einer vergangenen Zeit.

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Bildband Sachbuch

Maria-Andrea Riedler – Das alte Stockerau

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Kürzlich habe ich selbst einen Geocache versteckt und veröffentlicht, es soll der Start einer neuen Reihe werden. Im Zuge dessen kommt es hier erstmals zu einer umgekehrten Verknüpfung meiner beiden Hobbies Lesen und Geocaching: Ich habe mir Bücher ausgeliehen, um für zukünftige Geocaches meiner Reihe zu recherchieren. Dabei verschlug es mich in eine Abteilung der Hauptbücherei, deren Existenz mir nicht mal bewusst war: es gibt Abteilungen mit Büchern zu allen Bundesländern Österreichs und in der Abteilung zu Niederösterreich fand ich neben vielen Büchern über die Wachau und andere bekannte Gegenden tatsächlich auch zwei Bücher über meine Heimatstadt Stockerau. Mit dem ersten befassen wir uns in diesem Post.

das Konvikt in Stockerau, ein gelbes Haus mit weißen Verzierungen, rechts halten zwei Hände ein Buch ins Bild, auf dem dasselbe Gebäude zu sehen ist
Das Konvikt in Stockerau, zwischen 1894 und 1896 als Schülerheim errichtet, heute als Internatsgebäude für die Berufsschule für KFZ-Technik genutzt.

Das Buch besteht hauptsächlich aus alten Stadtansichten, die damals als Ansichtskarten produziert wurden. Jedes Bild ist mit einem kurzen Text versehen, am Anfang des Buchs befindet sich ein Geleitwort des zum Zeitpunkt der Erscheinung (2016) amtierenden Bürgermeisters Helmut Laab und eine Chronik mit wichtigen Daten der Stadt. Das Geleitwort möchte ich deshalb erwähnen, weil ich durch weiterführende Recherche eine bei mir seit ewig falsch abgespeicherte Information korrigieren konnte: Der Stockerauer Kirchturm ist tatsächlich der höchste von Niederösterreich (Platz 9 in der Liste der höchsten Sakralgebäude Österreichs, ich hatte immer gedacht, es wäre der Zweithöchste) und Mariazell liegt in der Steiermark.

Stadtansicht von Stockerau mit zwei Kirchtürmen und einem markanten Gebäude mit Kuppel am rechten Bildrand, im Vordergrund ein Buch, das eine alte Ansicht desselben Orts zeigt, auf dem diese drei Gebäude erkennbar sind
Stockerau, Kreuzung von Hauptstraße, Stögergasse und Grafendorferstraße, heute geregelt als Kreisverkehr mit einem Brunnen in der Mitte

Der Kirchturm ist tatsächlich ein weithin sichtbares Gebäude, das viele Stadtpanoramen entscheidend prägt (damals wie heute). Die Ansicht von der Eduard-Rösch-Straße aus mit den beiden Kirchtürmen und dem markanten Gebäude, das in meiner Jugend noch das Café Wimmer war und heute einen Optikfachbetrieb beherbergt, ist heute wieder etwas näher an die Ansicht von damals gerückt. Seit 2020 regelt hier ein Kreisverkehr statt einer Ampel den Verkehr, was unter anderem deshalb interessant ist, weil es sich um die „älteste Ampelregelung Niederösterreichs“ gehandelt haben soll (eindeutige Belege dafür konnte ich nicht auftreiben).

Es gibt aber auch viele andere Gebäude, die schon mehr als 100 Jahre bestehen. Zusammen mit dem Fotografen habe ich bereits einige dieser Gebäude besucht und deren heutige Ansicht mit der im Buch dargestellten verglichen. Der Fotograf machte mich außerdem darauf aufmerksam, dass die im Buch abgebildeten Ansichtskarten großteils wohl hand-coloriert sind, also eine Schwarz-Weiß-Fotografie, auf die nachher Farbe aufgemalt wurde. Im Zuge weiterführender Recherche hat der Fotograf dann die Ansichtskarten-Datenbank der Österreichischen Nationalbibliothek gefunden, die auch Material zu Stockerau enthält.

Jahn-Turnhalle, erbaut 1884, davor halten zwei Hände ein Buch ins Bild, auf dem dasselbe Gebäude zu sehen ist
Automobilmuseum Stockerau, erbaut 1884 als Jahn-Turnhalle

Andere interessante Erkenntnisse:

alte Ansichtskarte mit einem Stadtpanorama von Stockerau mit dem Turm der Stadtpfarrkirche, im Vordergrund die Häuserzeile der Pampichlerstraße
Panorama mit Pfarrkirche, Stockerau, 275m Seehöhe, N.-O e., Pampichlerstraße Quelle: Österreichische Nationalbibliothek http://data.onb.ac.at/AKON/AK046_248

  • Stockerau hat eine Vergangenheit als Industriestadt, die Maschinenfabrik Heid war mir schon in meiner Kindheit ein Begriff. Einen Überblick über diese Industrievergangenheit bietet unter anderem der Adventure Lab Cache Industriestadt Stockerau.
  • Die heutige evangelische Pfarrkirche war zu Beginn eine Synagoge. „1938 wurde die Synagoge der evangelischen Gemeinde zur Religionsausübung zugewiesen, entsprechend umgestaltet und in Lutherkirche umbenannt.“

eckiges Kirchengebäude mit Turm in der Mitte, über dem Haupteingang ein großes Holzkreuz, links vor der Kirche steht ein Straßenschild mit dem Namen „Friedensplatz“ in mehreren Sprachen
Lutherkirche in Stockerau, erbaut ursprünglich als Synagoge

  • Auf allen Bildern von Straßen und Plätzen in der Stadt fällt eines deutlich ins Auge: keine Autos! Auf einem Bild des Sparkassaplatzes gehen kreuz und quer Menschen spazieren, eine Aufteilung in Straße/Parkplätze/Fußgänger:innenwege gibt es nicht. Dasselbe gilt für die Aufnahmen vom Rathausplatz (der heute hauptsächlich als Parkplatz genutzt wird). Nur einzelne Pferdefuhrwerke sind auf den Bildern zu sehen.

alte Postkartenansicht, Rathautplatz in Stockerau mit Dreifaltigkeitssäule, heute ist dieser Platz ein Parkplatz, damals kein einziges Auto zu sehen
Rathaus mit Dreifaltigkeitssäule, Stockerau, N.-Oe. Quelle: Österreichische Nationalbibliothek http://data.onb.ac.at/AKON/AK021_121

  • Auf einem Bild ist deutlich ersichtlich, dass Stockerau 1913 einen schiffbaren Donauarm hatte. Es gab in Stockerau einen Donauhafen direkt neben dem heutigen Bahnhof! Ein Bild aus dem Jahr 1930 zeigt die heute an den Eisenbahngleisen endende Brücke (die Gleise dürften damals nicht über Stockerau hinaus geführt haben) mit einem Mauthäuschen.

Brücke mit Bögen links und rechts, die Brücke endet an Eisenbahngleisen, im Hintergrund ist der Kirchturm von Stockerau zu sehen, vorne hält eine Hand ein Buch in das Bild, in dem zwei alte Ansichten der Brücke zu sehen sind

Das zweite Buch zu Stockerau beschäftigt sich mit dem Zeitraum 1930–1960. Bin schon gespannt, ob es mich auch so lange beschäftigt wie dieses.

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English Krimi Roman

Louise Penny – How The Light Gets In

CN dieses Buch: Drogenmissbrauch, Tod, Totschlag, Gewalt, Suchterkrankung
CN dieser Post: –


Addiction’s a terrible thing. It’ll steal your health, your friends, family, careers. Judgement. It’ll steal your soul. And when there’s nothing left, it takes your life.

Nachdem ich mit dem letzten Band nicht so glücklich war, musste ich mir gleich den nächsten zur Hand nehmen. Der war nun wieder eine besondere Freude. Schon allein das Cover ist eine Wohltat, der Titel wird im Text schön hergeleitet (Brüche [cracks] können schmerzhaft und gefährlich sein, aber durch sie dringt auch das Licht herein). Die Erzählung verbindet die sympathischen Bewohner:innen von Three Pines mit der Geschichte einer unglücklich berühmten Familie, die mit einem Mordfall endet und einem Knalleffekt aufgrund der sich zuspitzenden Korruption in der Sûreté de Québec. Sowohl geliebte als auch verhasste Charaktere kommen in dieser Geschichte zu ihren Auftritten. Für mich ein Highlight der gesamten Serie.