Wenn ich an den ersten Sommer zurückdenke, ist er viel mehr von der Sorge um meine Tiere überschattet als von meiner eigenen verzweifelten Lage. Die Katastrophe hatte mir eine große Verantwortung abgenommen und, ohne dass ich es sogleich merkte, eine neue Last auferlegt. Als ich die Lage endlich ein wenig überblicken konnte, war ich längst nicht mehr fähig, irgend etwas daran zu ändern.
Die Erzählerin wird von einer über Nacht auftauchenden durchsichtigen Wand im Wald eingeschlossen. Außerhalb der Wand scheinen alle Menschen erstarrt zu sein. Am Anfang erstaunlich pragmatisch versucht die Erzählerin, mit dem Verbliebenen zu überleben. Erdäpfel werden eingelegt und mit dem Auftauchen einer Kuh verbessert sich ihre Ernährungslage und gleichzeitig fühlt sie aber auch die Verantwortung, die nun auf ihr lastet. Jeder Gedanke an Selbstmord (sich unter der Wand hindurch graben?) wird von den Tieren (ihre Gefährten sind neben der Kuh der Hund Luchs sowie eine namenlose Katze) unmöglich gemacht.
War ich auf der Alm zweifelte ich an der Wirklichkeit des Jagdhauses, und war ich im Tal, löste sich in meiner Vorstellung die Alm in Nichts auf. Und waren meine Ängste wirklich so närrisch? War die Wand nicht eine Bestätigung meiner kindlichen Furcht? Über Nacht war mir ein früheres Leben, alles, woran ich hing, auf unheimliche Weise gestohlen worden. Alles konnte geschehen, wenn dies möglich gewesen war.
2 Jahre deckt der Bericht ab, der nach einem Knalleffekt, den ich unmöglich spoilern kann, endet, als das letzte Stück Papier vollgekritzelt ist. Die Einsamkeit trieft aus jeder Seite, auch wenn die Erzählerin so scheinbar gelassen damit umgeht. Immer wieder sind auch die Ängste ein Thema. Immerhin ist die Wand aus dem Nichts erschienen, das bedeutet doch, dass bisher geltende Gesetze nicht mehr unbedingt Bestand haben müssen. Alles kann passieren. Der Lauf der Jahreszeiten, die Natur bringen Arbeit und Ruhe in das tägliche Leben der Protagonistin, das dennoch von dunklen Gedanken geprägt ist. Es ist ein beeindruckendes Stück Literatur, aber ich könnte nicht sagen, dass mich die Lektüre in irgendeiner Form glücklich gemacht hätte. Das treffende Wort beklemmend verdanke ich einer Freundin, die kürzlich die Verfilmung mit Martina Gedeck im Fernsehen gesehen hatte.
Reading Challenge: A book that scares you
NOTE: Ursprünglich hatte ich eine andere Kategorie vorgesehen, aber beim Lesen wurde mir streckenweise tatsächlich so unheimlich zumute, dass ich zwischendurch unterbrechen musste. Speziell die Momente, in denen die Erzählerin darüber schreibt, dass sie froh ist, dass ihre Freunde Hugo und Ilse nicht mit ihr gemeinsam eingeschlossen wurden, weil es mit ihnen schwieriger wäre als alleine, finde ich so richtig verstörend.