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Roman

Heimito von Doderer – Die Wasserfälle von Slunj

CN: sexuelle Handlungen, Erwähnung von Prostitution, Verwendung des Begriffs „Zigeuner“, Alkoholismus, Beziehungsgewalt, Depression


Damit fiel dem Pēpi vom aufgeschossenen Bäumchen seiner Erkenntnis eine Frucht von Blei auf den Kopf.

Schon lange war ich nicht mehr so froh, mit einem Buch endlich fertig zu sein … ich hätte es nicht beenden müssen, aber bis ich die benötigten Informationen für den Geocache zusammen hatte, war ich dann doch schon zu weit drin, um es noch aufzugeben. Aber das war echt nicht meins …

Das Format miteinander verbundener Personen und jeweils Einblicke in deren Leben gefällt mir eigentlich sonst ganz gut, aber hier waren es einerseits zu viele verschiedene Personen, als dass ich die Verbindungen noch im Kopf behalten hätte können und andererseits waren mir die Protagonist:innen teilweise einfach zu austauschbar. Zu Beginn verwendet der Autor sehr viel Mühe, die „trojanischen Pferdchen“ Fini und Feverl zu charakterisieren, diese liebevolle Behandlung wird später kaum einem der Charaktere zuteil. Auf der positiven Seite fand ich einige schöne metaphorische Formulierungen, wie die folgende Eisenbahn-Metapher:

Er hätt’ es im Grunde anders erwartet, nach solcher Entgleisung, oder mindestens Zugverwechslung mit falschem Einsteigen.

Fazit: Wäre es nicht wegen des Geocaches gewesen, hätte ich dieses Buch zuerst nie zur Hand genommen und dann sicher nicht fertig gelesen. Nur muss ich mir jetzt für die Lösung des Geocaches auch noch das Fragment der Fortsetzung zu Gemüte führen, das hoffentlich nicht so viele Seiten aufweist …

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Roman

John Irving – Lasst die Bären los

Für einen Moment lang schaltete ich den leisen Leerlauf, lauschte mit ihnen und hielt wie sie Ausschau nach dem einen hochbegabten Tier, das jede Sekunde auftauchen könnte – nachdem es den bestmöglichen Hinderniskurs gelaufen war. Nach dem einen hervorragenden Gibbon vielleicht, der im Handstandüberschlag das Krankenhausgelände durchqueren würde – umringt von Krankenschwestern, von den Balkons mit Rollstühlen bombardiert; schließlich in Gummiatemschläuche verstrickt und mit einem Stethoskop erdrosselt. Eine Gefangennahme, die sich das komplette Krankenhauspersonal und die Patienten als stolzen Verdienst anrechnen würden.

John Irvings erster Roman zeigt bereits alle seine Fähigkeiten in der überzeugenden Charakterisierung seiner Protagonisten. Meiner Ausgabe des Romans ist ein Interview mit dem Autor nachgestellt, in dem er unter anderem davon spricht, dass er die Obsessionen seiner Charaktere kennen muss. Wer eine Obsession hat, die er nicht kontrollieren kann, bricht aus der Norm aus und wird dadurch interessant. Diese Aussage scheint mir einer längeren Betrachtung wert, da steckt doch ein tieferer Sinn dahinter, der über die Erfindung von Romanfiguren hinausgeht.

Wie so oft steckt dahinter der Begriff „normal“ und die Frage, was ist überhaupt normal und kann überhaupt irgendetwas oder irgendjemand normal sein? Ist eine Mode automatisch normal, wenn sie von einer größeren Menge an Personen angenommen wird? Wie groß muss diese Menge sein? Welche Obsession treibt den an sich normalen Menschen aus seiner Normalität heraus? Wann wird eine Obsession so stark, dass der Mensch sie nicht mehr kontrollieren kann?

Der Roman erzählt von den Studenten Siggi und (Hannes) Graff. Siggi ist voller Energie und wirrer Ideen und überredet Graff zu einem Trip mit dem Motorrad. Graff ist ein eher stiller Typ, ein Mitläufer, der etwas ziellos durchs Leben stolpert und sich vom temperamentvollen Siggi mitreißen lässt. Siggi erfindet den Plan, die Tiere im Tiergarten Schönbrunn zu befreien. Graff nimmt ihn nicht ernst, doch nachdem Siggi bei einem Unfall ums Leben kommt, kann Graff an nichts anderes mehr denken, als Siggis verrückten Plan in die Tat umzusetzen. Bei der sich entfaltenden Katastrophe spielt der Asiatische Kragenbär eine wesentliche Rolle.

Zwischen Siggis Plänen (Zoowache) erfahren wir seine Familiengeschichte. Dafür recherchierte sich John Irving tief in die jugoslawische Geschichte vor und während des zweiten Weltkriegs, um die Geschichte von Siggis Vater und dessen Reise nach Wien zu erklären. Siggis Familiengeschichte zeigt deutlich die Verzweiflung, die Ausweglosigkeit er Kriegsjahre, die sich wiederum auf die Gefangenschaft der Tiere im Tiergarten reflektieren lässt.

Zwischen den Zeilen darf Siggi auch noch einige Lebensweisheiten von sich geben, die sein sprunghaftes Wesen konterkarieren. Ecken und Kanten. Obsessionen. Ein von einem Amerikaner geschriebener und trotzdem zutiefst österreichischer Roman.

Die Zahlen ergeben eine bestimmte Summe, ganz egal, wie man sie addiert.

Reading Challenge: A book written by someone under 30
(zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Buchs 1968 war John Irving, 1942 geboren, 26 Jahre alt)

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Krimi Roman

Jo Nesbo – Der Erlöser

„…Sie hatten diesen Ruf, weil sie als vollkommen furchtlos galten. Er engagierte kroatische Söldner. Wussten Sie, dass das Wort „Krawatte“ ursprünglich Kroate bedeutet und damit die furchtlosen Krieger gemeint waren?“
Harry schüttelte den Kopf.

Anstatt der inneren Hunde, die üblicherweise von innen an Harry zerren, bekommt er es diesmal mit einem äußerst realen Hund zu tun, Harry zu Beginn verletzt und zum Schluss im Magen des Erlösers endet. Die Wege in diesem Kriminalroman sind verschlungen. Zum Glück weiß Harry gar nicht von allen Gelegenheiten, wo er dem Mörder ganz nahe ist, ohne ihn zu erwischen. Bereits die Momente, wo er mitbekommt, dass er ganz knapp davor war, sind in höchstem Maße frustrierend. Auch die Geschichte um die korrupten Kollegen, die mit dem Tod von Tom Waaler im vorhergegangenen Roman ein Ende finden hätte können, wird zwischen den Zeilen fortgeführt. Es wird gefühlt dunkler. Da passt das Ende nahezu perfekt.

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Roman

Natasa Dragnic – Jeden Tag, jede Stunde

Und kein Regenbogen ist in Sicht. Und keine roten Zauberschuhe. Und keine böse Hexe ist tot. Weder im Osten noch im Westen.

Well, my own fault. Da wollte ich mir für den Urlaub eine nette Liebesgeschichte raussuchen (Deja-vu, anyone?) und habe wieder etwas ganz anderes bekommen. Naja, nicht ganz anders, aber zumindest nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte …

Vor allem tut sie aber das, was sie in sich trägt, was sie erfüllt, was in jedem ihrer Atemzüge steckt. Sie muss sich nicht anstrengen, um die erwünschten Gefühle in sich zu finden, sie muss sich allerdings äußerst bemühen, sie in sich zu behalten, sie nicht alle auf einmal herauszulassen, sie unter Kontrolle zu haben und nur tropfenweise zu offenbaren.

Unter Kontrolle … wenn man diesen Roman liest, wird man feststellen, dass es manchmal nicht das Richtige ist, sich unter Kontrolle zu haben. Das Schwierige ist nur, die Momente zu erkennen, in denen es sich lohnt, den Rest der Welt zu vergessen und nur das zu tun, was einem gerade als richtig erscheint, ohne an die Konsequenzen zu denken. Wenn man diese Momente falsch wählt, kann dies zu Enttäuschung und jahrelangem Leid führen. Ein Wunder, dass doch jeden Tag Entscheidungen fürs Leben getroffen werden. Man könnte meinen, man kommt besser davon, wenn man sich die Entscheidungen erspart …

Als Dora tief in der Nacht ihres ersten großen, richtigen Erfolgs am Fenster ihres dunklen Wohnzimmers steht und die Lichter der Stadt, die ihr Zuhause ist, beobachtet, trifft sie unerwartet eine Entscheidung. Sie ist selbst überrascht. Es war ihr nicht klar, dass es etwas zu entscheiden gab, denn alles war schon entschieden.

Alles, was ich über den Inhalt des Buches sagen könnte, erscheint mir banal. Ja, es ist eine große Liebesgeschichte. Dora und Luka lernen sich als Kinder kennen und kleben fortan wie zu lange gekochte Nudeln aneinander. Doch Dora muss mit ihren Eltern nach Frankreich ziehen, Luka bleibt allein zurück und muss seine Mutter sterben sehen und seiner Schwester beim Erwachsenwerden helfen. Als sie sich nach vielen Jahren in Paris wiedertreffen, ist klar, dass es mehr als nur eine Jugendliebe ist.

Warten ist alles, was sie jetzt tun kann. Warten, dass das Leben sie wiederfindet. Das könnte allerdings eine Weile dauern, denn sie hat sich gut versteckt.

Jede Trennung fühlt sich für Dora und Luka wie das Ende des Lebens an. Doch Luka heiratet aus Verantwortungsgefühl eine andere Frau. Nichts, was man nicht bereits tausend Mal gehört oder gelesen hätte. Doch gerade hier erscheint es wieder wie ein einziger großer Fehler. Natürlich werden beide nicht glücklich. Luka verleugnet seine Gefühle für Dora aus Pflichtgefühl, kann jedoch nicht voll für seine Familie da sein und ertränkt seinen Kummer in Alkohol.

Luka kann die Verachtung, die er sich selbst gegenüber spürt, nicht verstecken. Dora hält ihn fest. Sie ist erschüttert, kann nichts sagen. Ein Leben, das mit aller Kraft versucht, sich zu vernichten. Dora ist nach Schreien zumute. So viel Verleugnung und Verschwendung und Selbstbestrafung – und ohne jeden Grund.

Das Happyend bleibt aus. Im Urlaub bin ich übrigens nicht dazu gekommen. Harry Hole hielt mich 3 Tage lang in Atem, den Rest des Urlaubs habe ich mit E.L. Doctorow und leichter Magazinkost verbracht. Weit und breit kein Happy End in Sicht. Eventuell muss ich doch wieder mal auf Susan Elizabeth Phillips zurückgreifen, um mein Bedürfnis nach Liebesschund zu befriedigen … scheint mehr als nur eine Phase zu sein …