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Daniel Suarez – Change Agent

CN dieses Buch: Mord, Totschlag, Gewalt, Folter
CN dieser Post: –


I’m arguing that what can happen will happen, but that it’s better that the research take place in the light of day rather than in the dark corners of the world.

Daniel Suarez schreibt ganz ausgezeichnete Technologiethriller (bisher gelesen: Daemon, FreedomTM, Kill Decision, Influx). Es ist erstaunlich, wie er sich immer wieder etwas ausdenkt, das einerseits gerade noch nicht möglich ist, aber andererseits mit aktuellen Thematiken dermaßen verknüpft ist, dass sich viele moralische und ethische Fragen zwischen den Zeilen verstecken lassen. Die Basis-Prämisse dieser Geschichte ist die Entdeckung einer Substanz, die die DNA von erwachsenen, lebenden Menschen verändern kann. Somit besteht die Möglichkeit, mit dem DNA-Profil einer anderen Person einen optischen und genetischen Klon zu erstellen. Was in erster Linie die Frage aufwirft, was eine Person eigentlich ausmacht. Kann die Veränderung von DNA und Physiognomie zu verändertem Verhalten führen? Oder ist es die extreme Situation, die den Protagonisten Kenneth Durand zu Handlungen treibt, die ihm vor seiner DNA-Veränderung vollkommen unmöglich erschienen?

He suddenly wondered what Kenneth Durand was doing here. […] The Kenneth Durand he’d thought he was would never have considered this.

Womit wir bei der Technologie wären: wenn von einer Technologie, von der du denkst, dass es sie eigentlich gar nicht geben dürfte, dein eigenes Leben abhängt, was wirst du dann tun? Kenneth Durand bekämpft Verbrechen im Bereich der illegalen Genetik. Als er durch die neuartige Substanz genetisch und optisch in einen anderen Menschen verwandelt wird, gibt es für ihn jedoch keine Möglichkeit, sein altes Ich zurückzubekommen, ohne selbst diese Technologie zu nutzen und dadurch seine Werte in Frage zu stellen.

Beaming imagery directly onto a viewer’s retinas instead of spraying photons all over the place had many advantages – authentic augmented reality being one. Environmental sustainability another. Privacy another still.

Neuartige Technologien beamen nun Informationen direkt in die Retina der Menschen, die Datenbrille hat ausgedient. Sehr interessant fand ich auch die Nennung von Privatsphäre als Aspekt hier. Wenn dir die Inhalte direkt in die Augen gebeamt werden, kann dir auch niemand mehr über die Schulter schauen, wenn du zum Beispiel auf deiner Tastatur ein Passwort eintippst. Bei konkreterem Nachdenken würden uns vermutlich auch dabei Sicherheitslücken auf- bzw. einfallen, die unsere Privatsphäre wiederum gefährden.

Frey smirked. “You know what they say: when privacy is criminalized, only criminals will have privacy.”

Das obige Zitat beschreibt ein oft thematisiertes Problem bei der Einschränkung von Privatsphäre. Werden beispielsweise sichere Messenger verboten und somit kriminalisiert, schadet das allen. Menschen, die tatsächlich nichts Kriminelles vorhaben, werden nun anlasslos überwacht. Menschen, die Kriminelles vorhaben, werden Wege finden, die Überwachungskanäle zu umgehen.

Privatsphäre wird auch noch in einem anderen Zusammenhang genannt. In einer Welt, in der wir bei jedem Schritt überwacht werden, in der jeder Informationsabruf irgendwo gespeichert und zu Geld gemacht wird, wer würde da nicht eine neue Identität annehmen wollen? Wenn du morgen ein anderer Mensch werden kannst, ist es dann egal, was du heute tust?

DNA is DNA. Merely information. Which means that human beings are merely information. And there is a long-established legal precedent that information can be owned.

Firmen wie 23andme haben in den letzten Jahren bereits unzählige genetische Profile gesammelt. Der Nutzen für die Kund*innen wird mit einer genetischen Analyse beschrieben. Kund*innen erhalten Informationen über ihre genetischen Risiken für besondere Krankheiten und können unbekannte genetische Verwandtschaften finden. Dafür bezahlen sie den Konzern. Wodurch dieser aber eigentlich profitiert, sind die gesammelten genetischen Daten, die ausgewertet und verkauft werden. Dieser Artikel in Scientific American beschreibt diesen Prozess und die Problematik dahinter sehr ausführlich.

“Does one’s identity come from within our hearts or our DNA?”
Durand murmured, “Within our hearts.”
“And what is DNA?”
“Data.”

Ein anderes Buch, das sich ebenfalls in Krimiform mit dem Thema Genmanipulation auseinandersetzt, ist Helix von Marc Elsberg.

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Roman Thriller

Marc Elsberg – Helix

Wenn ich nichts anklicke, dachte Helen, entscheidet der Zufall.

Im Bereich Geocaching geht ja ansonsten aufgrund der Jahreszeit kaum etwas weiter, aber immerhin komme ich mit der Leseliste für Literatur-Geocaches gut voran. Die beiden anderen Werke dieses Autors, die ich hierfür brauche, habe ich tatsächlich schon gelesen und dieses war gerade in der Onleihe verfügbar.

Die Geschichte nachzuerzählen würde einerseits zu lange dauern und andererseits den Interessierten das Lesevergnügen verderben. Wie der Titel schon andeutet, dreht sich die rasante Geschichte um die Manipulation des Genoms, der genetischen Ausstattung. Die CRISPR/Cas-Methode (so genannte Gen-Schere) hat in den letzten Jahren breite Bekanntheit erlangt und somit fällt es auch der mit den Details der Genforschung nicht vertrauten Leserin nicht schwer, sich vorzustellen, woran im Geheimen vielleicht tatsächlich bereits gearbeitet wird. Ein großer Teil des Reizes dieser Geschichte liegt darin, dass ein Einblick in einen Bereich strengster Geheimhaltung gewährt wird, von dem die Öffentlichkeit niemals erfährt.

Wie auch schon in den vorigen Büchern des Autors werden viele ethische Aspekte aufgeworfen, die bei dieser Thematik noch stärker zum Tragen kommen. Es werden viele Argumente genannt, warum die Manipulation des menschlichen Genoms nur noch ein weiterer Schritt in eine ohnehin unabwendbare Zukunft sein soll. Die tatsächlichen Ereignisse des Buches sprechen jedoch eine deutlich andere Sprache. Die manipulierten Kinder sind zwar hoch intelligent und ihren „Erzeugern“ in vielen Bereichen überlegen. Es zeigt sich jedoch deutlich, dass ihre sozialen Fähigkeiten weit hinter ihren anderen Qualitäten zurückbleiben. Sie können aufgrund mangelnder Lebenserfahrung die soziale Tragweite ihrer Aktivitäten nicht abschätzen. Lebenserfahrung lässt sich nicht im selben Maße beschleunigen, wie es die Gentechnik möglicherweise bei Muskelwachstum oder Krankheitsresistenz kann.

Sind diese Kinder noch Menschen im herkömmlichen Sinn? Wenn nicht, was sind sie dann? Sind auf sie die Menschenrechte anzuwenden?

Ein anderer Aspekt, den ich hervorheben möchte, ist die Unmittelbarkeit, mit der diesen Kindern die Menschenrechte abgesprochen werden. Noch lange bevor die Machenschaften der betroffenen Kinder aufgedeckt werden, wird ihre Menschlichkeit bereits angezweifelt. Es wird im Buch zwar nicht näher ausgeführt, aber allein dieser kurze Hinweis lädt dazu ein, sich mit der Frage zu befassen, was Menschen eigentlich zu Menschen macht. Neben der Frage, wie weit die Gentechnik gehen dürfen soll, darf auch diese Frage nicht in den Hintergrund geraten.