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Erzählung

Anna Gavalda – Ein geschenkter Tag

Lavendel(c)Rainer Sturm/PIXELIO

Das nächste Mal lebe ich in geordneten Verhältnissen, verstehst du? Klar doch. Ich finde schon einen. Einen anständigen Kerl. Einen Weißen. Ein Einzelkind. Einen mit Führerschein und Rapsöl-Toyota.

Garance ist mit ihrem Bruder Simon und dessen Frau Carine unterwegs zur Hochzeit eines entfernten Familienmitglieds. Carine stößt sich an Garance freizügigem Lebensstil und dem Leben im Allgemeinen. Unterwegs wird auch noch Lola aufgesammelt, die Dritte im Geschwisterbunde. Am Ziel angekommen gönnen sich die drei eine Pause vor der kirchlichen Trauung während Carine bereits in der Kirche verschwindet. Und lassen die Kirche sausen, um ihren Bruder Victor zu besuchen und dem Alltag einen Tag zu stehlen.

Dass wir am Fußende dieser Schlossruine das Ende einer Epoche erlebten und dass die Zeit der Mauer näher rückte. Dass wir diese Vertrautheit, diese Zuneigung, diese etwas rauhe Liebe ablegen mussten. Uns davon lösen mussten. Die Hände loslassen und endlich erwachsen werden.

Keiner der vier Geschwister ist aus dem bisherigen Leben ohne Schrammen und Narben davongekommen. Victor lebt allein in einem Schloss im Familienbesitz und verdient sich den Unterhalt, indem er Touristen Spukgeschichten auftischt. Er ist zu schüchtern, um einer Frau seine Liebe zu gestehen. Lola ist geschieden und teilt sich das Sorgerecht für ihre zwei Kinder mit ihrem Exmann. Simon führt mit Carine eine scheinbar perfekte Ehe, leidet jedoch unter den Differenzen zwischen seiner Frau und seinen Geschwistern. Und Garance letztendlich vernachlässigt ihr Studium, um von Party zu Party zu hüpfen und kann sich selbst nicht in der Rolle der zukünftigen Richterin sehen.

Auf der restlichen Fahrt sagten wir kein Wort. Spulten den Film zurück und dachten an morgen. Die große Pause war zu Ende. Gleich würde die Glocke läuten. Alle in Zweierreihen aufstellen. Ruhe, bitte. Ruhe, habe ich gesagt!

Eine Flucht aus dem Alltag, wie sie sich so viele immer wieder vorstellen, die wenigsten jedoch ergreifen auch die Gelegenheit, um aus einem Tag etwas Besonderes zu machen. Danach muss man ohnehin in den Alltag zurückkehren. Und auch diese Kurve kratzt Anna Gavalda mit der gewohnten Lässigkeit und dem Blick in die Zukunft, die wir selbst gestalten.


Laith Al Deen – Leb den Tag (Youtube)

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Erzählung Klassiker

Joseph Conrad – Das Herz der Finsternis

Seeadler(c)Dietrer/pixelio.de.jpg

Und schließlich neigte sich die Sonne auf ihrer vorgezeichneten unsichtbaren Bahn tief herab und wechselte von gleißendem Weiß zu stumpfem Rot, ohne Strahlen und ohne Wärme, als wolle sie, wie tödlich getroffen von der Berührung mit der Dunstglocke über einer Menschenmenge, plötzlich verlöschen.

Wie ich nun nachträglich der Wikipedia entnehmen konnte, basiert Joseph Conrads Erzählung „Herz der Finsternis“ auf seinen eigenen Erfahrungen als Kapitän. Während der Lektüre hatte ich mich öfter gefragt, wo diese Flussfahrt eigentlich passiert, falls es irgendwo genau definiert wurde, habe ich das wohl überlesen. Conrad selbst war Kapitän auf einem Flussdampfer an den Stanley-Fällen im Kongo.

Die Untätigkeit als Passagier, meine Einsamkeit inmitten all der Leute, mit denen mich nichts verband, die spiegelglatte, unbewegte See, das gleichförmige Dunkel der Küste schienen mich wie in traurigem, dumpfem Wahn von der Wahrheit der Dinge fernzuhalten. Wenn manchmal die Stimme der Brandung herüberdrang, dann freute ich mich richtig darüber, wie über die Rede eines Bruders.

Er beschreibt das Leben auf dem Flussdampfer in allen Einzelheiten. Die Zusammenarbeit mit den „Wilden“, die er als Hilfen anheuern muss. Er verliert seinen mühsam angelernten Steuermann und ist erneut auf sich gestellt. Sein ganzes Denken richtet sich auf das Finden des bejubelten Mr. Kurtz, der als Legende im Urwald lebt.

Ein bißchen erinnerte mich die Erzählung an Gabriel Garcia Marquez: Bericht eines Schiffbrüchigen. Gleichzeitig bleibt Joseph Conrad seltsam distanziert, obwohl er doch seine eigenen Erfahrungen beschreibt. Mehr konnte ich diesem Buch leider nicht entnehmen.