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Janetta Rebold Benton – How To Understand Art

CN: Es wird von den Lebenserfahrungen verschiedener Künstler:innen berichtet, dazu gehören auch (chronische) Krankheiten, Gewalt und Suizid. Im Blog Post kommen diese Themen aber nicht weiter vor.


Dieses Buch habe ich 2022 bei meinem letzten Besuch in London gekauft, im Museumsshop des National Maritime Museum. Gerne hätte ich das Museum auch besucht, aber das Wetter war einfach zu schön und es gab zu viel zu sehen. Mit Kunst habe ich mich also vor drei Jahren schon befasst und spezifisch hatte mich offenbar die Frage im Titel dieses Buchs beschäftigt. Ich hatte schon einmal begonnen, es zu lesen, dann allerdings gemerkt, dass ich nichts mitnehmen konnte. Dann stand es eine Zeitlang im Regal, bis ich es nun in meinen Alltag und auf Reisen mitnahm und mir in meinem Notizbuch viele Zitate und Erkenntnisse aufgeschrieben habe.

Die Autorin Janetta Rebold Benton ist Kunsthistorikerin und beginnt mit einer Abgrenzung der in diesem Buch behandelten Kunst: Sie befasst sich mit den visual arts (bildnerische Kunst?) mit einem Fokus auf Gemälde und Skulptur und nimmt sich zum Ziel, die Fundamente zu analysieren, die allen Arten der bildnerischen Kunst zugrundeliegen. Dazu zählt sie ästhetische Prinzipien und Stile sowie Materialien und Techniken. Das Buch soll die Leser:in anleiten, einen Referenzrahmen zu entwickeln, der es ermöglicht, die in bildnerischer Kunst ohne Worte transportierten Konzepte zu verstehen. Der Kontext des jeweiligen Kunstwerks – die Epoche, die Lebensumstände des Künstlers/der Künstlerin, die vielfältigen Einflüsse, die das jeweilige Leben prägen – ist dabei essentiell, um die künstlerisch verarbeiteten Themen zu verstehen.

But is his Bull’s Head in a museum because it is art, because it is clever, or because it is by Picasso?

Wie viele andere bin auch ich schon vor Kunstwerken gestanden (oder habe sie in Medien gesehen), bei denen ich mir dachte: Das könnte ich aber auch und warum ist das Kunst und wer entscheidet überhaupt, was Kunst ist und was nicht? Dennoch sind meine Berührungspunkte mit Kunst in meinem Leben immer noch kaum mehr als ein Eintauchen des kleinen Zehs ins weite Meer. Meine eigene grafische Arbeit, die ich sowohl als Erwerbsarbeit als auch in ehrenamtlicher Form ausübe, habe ich immer ganz klar als Handwerk und nicht als Kunst bezeichnet und empfunden. Meine Werke hatten immer eine Funktion, die über purer Ästhetik oder kreativer Expression steht. Ich habe auch mit Künstler:innen zusammengearbeitet, deren kreative Expression im Widerspruch zu meinem persönlichen Empfinden von Ästhetik und/oder Funktionalität standen. Auf manche dieser Konflikte Meinungsverschiedenheiten blicke ich heute mit Interesse zurück.

Der Unterscheidung zwischen Kunst und Handwerk widmet auch die Autorin einige Gedanken. Laut ihren Angaben wurde das Konzept fine art im Europa des 18. Jahrhunderts definiert. Dabei wird auf eine hohe ästhetische Qualität wertgelegt. Angewandte Kunst (applied arts) wird mehr mit dem Erschaffen und Dekorieren von funktionellen Objekten in Verbindung gebracht.

In European academic traditions, fine art (or, fine arts) is made primarily for aesthetics or creative expression, distinguishing it from popular artdecorative art or applied art, which also either serve some practical function (such as pottery or most metalwork) or is generally of limited artistic quality in order to appeal to the masses. (Wikipedia)

Eine anderer Zugang zur Definition von Kunst betrifft die Intention, die hinter einem (Kunst-)Werk steht:

If the person who created the work did not consider it art, can it nevertheless legitimately be proclaimed to be art by curators and critics at a later date?

Spoiler: Diese und viele andere Fragen bleiben im Großen und Ganzen unbeantwortet, weil es wohl auch keine einfachen Antworten darauf gibt. Für mich bleibt die Erkenntnis, dass sich Kunst einfach nicht bis ins kleinste Detail erklären lässt. Müssen Kunstwerke schön sein? Sind sie mehr oder bessere Kunst, wenn sie bei der Betrachter:in starke Emotionen auslösen? Soll ein Kunstwerk der Betrachter:in alles sagen, alles klar und deutlich zeigen oder versteht die betrachtende Person mehr davon, wenn sie sich tatsächlich mit dem Werk intensiver befassen und auseinandersetzen muss? Dazu gibt es auch ein Zitat von Edgar Degas, das mir in einem anderen Umfeld während der Lektüre dieses Buchs über den Weg gelaufen ist (The Socratic Method analysiert dieses Zitat von einem philosophischen Standpunkt her, ich könnte diesen Text immer wieder lesen):

Art is not what you see, but what you make others see.

Schon relativ zu Beginn des Buchs war mir aufgefallen, dass klassische Kunst schon gehörig eurozentristisch bzw. westlich daher kommt. Später im Buch betont die Autorin konkret, dass Menschen „open-minded“ an die Werke herangehen und sich auch mit unbekannten Kulturen, Zeiten und Ideen einlassen sollen. In diesem Zusammenhang erklärt sie auch, dass die Bewertung von „craft“ oder „folk art“ als weniger wertvoll eine rein westliche Einstellung ist, die in den Kulturen, auf die diese Bewertung angewandt wird, unbekannt ist. Auch wenn der Fokus der in diesem Buch gezeigten und erläuterten Kunstwerke auf den Werken europäischer Männer liegt, wird zumindest versucht, den Blick zu öffnen und auch weniger bekannten Kulturen einen Raum zu geben.

Im Anschluss folgen noch ein paar Zitate, die ich für mich selbst hier zum Nachschlagen aufheben möchte (jedes Zitat stammt aus dem Buch):

  • “[…] art is not a science.” (Seite 38)
  • Renaissance: “Now believing that artistic inspiration was divine in origin, society regarded artists as favoured by God and thus different from other people.” (Seite 24)
  • Tradition vs. innovation: “Is ist possible to create art according to rules and theories, […]?” (Seite 27)
  • Basic elements of visual art: colour, line, texture, light, space, composition (made up of balance, proportion, unity), emotion (Seite 38)
  • “If line pleased the mind, while colour pleased the eye, was the purpose of painting to educate and elevate our intellect or to provide visual pleasure?” (Seite 43)
  • Mosaic: “The mosaicist varied the size of the tesserae, using smaller pieces for the faces then for the background.” (Seite 72)
  • “The term decorative arts refers to items that have both aesthetic beauty and practical purpose. Included are enamel work, stained glass, tapestry, ceramics, jewelry and furniture.” (Seite 85)
  • “The French term for still live is nature morte, literally ‘dead nature’” (Seite 107)
  • Pop Art does not oppose or criticize. Instead, Pop Art encourages the viewer to look at ordinary things with fresh eyes.” (Seite 160)

Über abstrakte Kunst:

  • “[…] abstract art has no connection to the visible world” (Seite 62)
  • “The viewer’s role in interpreting non-representational art is personal and cerebral, for without definite clues from the artist, each individual’s understanding of the artwork will vary. The viewer must make an effort to arrive at an interpretation and may therefore get more out of participating in the process than by being a passive, unquestioning observer.” (Seite 122)
  • “Abstract art appeals to our emotions, memories and experiences – what is deeply moving for one person may be meaningless to another.” (Seite 122)

In meiner Leseliste habe ich übrigens auch ein Buch mit dem Titel How To Enjoy Art, das ich bisher immer vor mir her geschoben hatte, weil ich ja zuerst die Kunst verstehen müsste (dachte ich). Außerdem habe ich gerade einen neuen Versuch gestartet, mehr Kreativität (und vielleicht sogar Kunst?) in meinen Alltag zu bringen. Es ist also gut möglich, dass es hier bald mehr Erkenntnisse Gedanken über Kunst zu lesen gibt.

#12in2025: 5/12

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Sachbuch

Edward R. Tufte – Envisioning Information

Clutter and confusion are failures of design, not attributes of information.

Diese großartige Empfehlung habe ich aus Presentation Zen. Schon lange hat mir kein Buch zum Thema Design so sehr gefallen, dass ich es mir unbedingt für meine eigene Bibliothek wünsche.

Edward R. Tufte untersucht und kategorisiert in diesem Sammelband unterschiedliche Formen, Daten grafisch darzustellen. Er vergleicht positive und negative Beispiele und identifiziert die entscheidenden Elemente, die ein gut lesbares und für den Leser verständliches Design ausmachen. Er räumt aber auch mit vielen Missverständnissen (oder Ausreden der Designer, wenn man böse sein will) auf. Er vertritt einerseits die Ansicht, dass Daten niemals unübersichtlich und verwirrend sein können. Es ist die Aufgabe des Designers, sie übersichtlich und klar darzustellen. Das bedeutet jedoch nicht, sie dabei zu vereinfachen oder vermeintlich unnütze Teile wegzulassen. Kosmetisches Beiwerk ist per se unerwünscht. Entweder die Daten sprechen für sich oder sie haben keine Daseinsberechtigung.

Chartjunk promoters imagine that numbers and details are boring, dull, and tedious, requiring ornament to enliven. Cosmetic decoration, which frequently distorts the data, will never salvage an underlying lack of content. If the numbers are boring, then you’ve got the wrong numbers.

Es muss erwähnt werden, dass die Erstausgabe dieses Werks 1990 erschienen ist. Die dargestellten Konzepte sind jedoch zeitlos und könnten auch auf unseren heutigen Smartphones, Tablets und Smart Watches Anwendung finden. Der Autor beschreibt etwa das Problem, dass der Nutzer eines Computers ständig mit wechselnden Kontexten konfrontiert ist. Jedes Programm hat eine andere Darstellung, andere Menüs und Optionen, der Nutzer muss sich immer wieder umstellen und an die neue Umgebung anpassen. An diesem Problem hat sich seit 1990 kaum etwas verändert (außer vielleicht die Kompetenz der Computernutzer, sich auf diese wechselnden Kontexte einzustellen).

In user interfaces for computers, a problem undermining information exchange between human and software is „constant context switches. By this we mean that the user is not presented with one basic display format and one uniform style of interaction, but instead, with frequent changes. … This means that users constantly have to adjust to a changing visual environment rather than focusing on the data.“

Allein schon wegen der vielen Beispiele zur Gestaltung von Fahrplänen und Routen von Zügen möchte ich mir dieses Buch gern ins Regal stellen. Besonders die japanischen Beispiele sind optisch sehr elegant gelöst, die Leserichtung eröffnet hier deutlich andere Möglichkeiten als wir sie aus europäischen Verhältnissen kennen. Eine Empfehlung für alle, die sich in irgendeiner Form mit Daten und Grafik beschäftigen (müssen)!

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Roman

Lois Lowry – The Giver

„Back and back and back.“ Jonas repeated the familiar phrase. Sometimes it had seemed humorous to him. Sometimes it hat seemed meaningful and important. Now it was ominous. It meant, he knew, that nothing could be changed.

Lois Lowry beschreibt in diesem dystopischen Roman eine Gesellschaft, in der alles reguliert ist. Kleinste Vergehen der Bewohner der Gemeinde – wie etwa das Liegenlassen eines Fahrrads vor dem Haus – werden geahndet. Familien (family units genannt) werden von den Oberen zusammengebracht und können um maximal zwei Kinder ansuchen. Diese werden von Frauen geboren, deren Aufgabe die Produktion von neuen Kindern ist, werden dann ihr erstes Lebensjahr lang von Fachpersonal betreut und erst dann an ihre Familien übergeben.

Im Alter von 12 Jahren erhalten die Jugendlichen ihre Lebensaufgabe zugewiesen. In vorhergegangenen Praxisstunden konnten sie in unterschiedliche Bereiche hineinschnuppern, die Entscheidung über ihren Beruf treffen jedoch die Älteren. Jonas erhält eine besondere Aufgabe: er soll der Nachfolger des Receivers of Memory werden – eine große Ehre. Schnell stellt Jonas fest, dass mit dieser Ehre auch eine große Verantwortung verbunden ist und er beginnt, an der Struktur der Gesellschaft, in der er aufgewachsen ist, zu zweifeln. Als er die wahre Bedeutung des Begriffes release erkennt, schmieden die beiden Receiver einen Plan.

„Listen to me, Jonas. They can’t help it. They know nothing.
„You said that to me once before.“
„I said it because it’s true. It’s the way they live. It’s the life that was created for them. It’s the same life that you would have, if you had not been chosen as my successor.“

Es ist immer wieder erstaunlich, dass sowohl Utopien als auch Dystopien ihre Bedeutung über die Jahre kaum verlieren. 1993 geschrieben, scheint The Giver perfekt in unsere Zeit zu passen. Die Verfilmung von 2014 gibt der Geschichte ein anderes Gesicht, ein anderes Gefühl (dazu reicht es, den Trailer gesehen zu haben, nach der Lektüre der drei Interviews mit den Hauptdarstellern des Films am Ende des Buches will ich ihn nicht mehr sehen. Da scheint schon deutlich hindurch, dass eine im Buch nur angedeutete Love Story konstruiert wird und das Ende kann man sich auch schon vorstellen).

Mit mehr und mehr Überwachung, mehr und mehr Regeln, die den Menschen das eigene Denken abnehmen und sie so von selbstbestimmten Entscheidungen befreien, geht unsere Gesellschaft eindeutig in diese Richtung. War das bereits 1993 so und hat sich bis heute immer weiter verschärft? War das bereits 1953 (Fahrenheit 451) so und hat sich bis heute immer weiter verschärft? Oder spielen Autoren genauso gerne mit den Zukunftsängsten der Menschen wie Politiker?

Maybe even more so, as society and the government, in many ways, are becoming more regulated. We’ve grown used to that and maybe a little bit passive about it, and this is taking that part of our society to an extreme, imagining what it would be like if the government ran everything and had an eye on everything and dictated everything that you say and do.
(Interview mit Cameron Monaghan, Asher in the movie The Giver)

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Sachbuch

David McCandless – Information is Beautiful

Wiesenblümchen

Wenn ich mich recht erinnere, eine Empfehlung aus dem Boagworld-Podcast, ein Hardcover, das ich von Amazon UK importieren musste, doch ich muss sagen, die Investition hat sich gelohnt. Es übersteigt bei Weitem meine Vorstellungskraft, wie unfassbar viele Arbeitsstunden in die Recherche und das Design dieser Grafiksammlung geflossen sein müssen. David Mc Candless hat Fakten aus vielen verschiedenen Bereichen gesammelt und diese dann grafisch dargestellt. Beispielsweise welche Aromen (Kräuter, Beilagen) passen zu welchen Fischsorten, die Entwicklung der Rockmusik (Rock Genre-ology), eine Zeitlinie der populärsten Internet-Viral-Videos, die meist debattierten Wikipedia-Seiten … ich glaube, dieser kleine Ausschnitt gibt schon ganz gut wieder, welche Bandbreite an Fakten hier dargestellt wird und nicht nur die Fakten auch die grafische Darstellung verblüfft immer wieder. Ich fürchte, bei der nächsten Balkengrafik (nach dem Urlaub) werde ich weinen müssen. Inspiration für Grafiker, Redakteure und alle Interessierten.

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Sachbuch

Daniel Graefen – Farbmanagement

Mit Farbmanagement beschäftige ich mich in meiner täglichen Arbeit als Grafikerin natürlich immer wieder. Die Arbeit an verschiedenen Objekten, die auf unterschiedlichem Papier mit unterschiedlichen Druckmethoden aufs Papier gebracht werden, macht das ständige Wechseln der Farbprofile notwendig. Ein durchgängiges Farbmanagement ist da beinahe unmöglich, das Vermeiden von Fehlern erfordert höchste Aufmerksamkeit.

Da erhoffte ich mir von diesem Buch etwas Einblick in die theoretische Welt der Farbprofile mit der Möglichkeit, den eigenen Workflow anhand dieser gewonnenen Informationen verbessern zu können. Dass diese Hoffnung nicht erfüllt werden konnte, ist jedoch nicht in erster Linie Daniel Graefen anzulasten. Er bemüht sich redlich, anhand der in der Grafikbranche üblichen Programme die Techniken zu verdeutlichen, mit denen der Workflow möglichst farbecht gestaltet werden kann. Schwierig macht es natürlich die ständig fortschreitende Entwicklung der Programme. Das Buch basiert auf Adobe CS2 und den anderen damals gängigen Programmen (auch XPress und Freehand werden besprochen). Da hat sich bis zur heutigen CS4 schon so einiges geändert.

Weiters konnte ich einfach nicht viel Neues finden, neue Erkenntnisse zu erwarten, wenn man seit fast zehn Jahren in dieser Branche arbeitet, war wohl einfach zu viel verlangt. So manches Kapitel würde ich hingegen gerne den Leuten zum Lesen geben, mit denen ich in der Branche oft zusammenarbeiten muss. Viele verstehen selbst nach mehrmaligem Erklären den Unterschied zwischen RGB und CMYK nicht und das kann für den Grafiker/die Grafikerin zum wiederkehrenden Ärgernis werden. Für diese Laien greift das Buch jedoch viel zu weit. Es stellt sich also die Frage, für wen das Buch eigentlich gedacht war. Des Weiteren lässt sich wohl das meiste zum Thema mit ein wenig Recherchearbeit aus dem Internet lernen. Daher bleibt nichts anderes übrig, als dieses Werk in die Kategorie „Verzichtbar“ einzuordnen.