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Sachbuch

Chalmers Johnson – Der Selbstmord der amerikanischen Demokratie

Thirty Seconds To Mars, 26. November 2011, Stadthalle Wien

Diese groß angelegte neue Strategie ruht auf drei Säulen. Die Erste ist die Entschlossenheit, den Weltraum zu militarisieren und die Erde über im Orbit befindliche Kampfstationen zu beherrschen. Bestückt werden sollen diese Kampfstationen mit Waffen wie Hochenergie-Lasern, die gegen jedes Ziel auf der Erde oder gegen Satelliten anderer Mächte eingesetzt werden können.

Ich kaufte dieses Buch vor langer Zeit vom Wühltisch, vermutlich in einer Phase, als politisch gerade irgendwas vor sich ging. Dann stand es lange Zeit im Regal, weil es halt doch ein eher trockenes Thema ist. Tatsächlich beschränken sich Großteile des Buches darauf, die militärischen Aktivitäten der USA auf der ganzen Welt zu beschreiben. Amerika unterhält auf der ganzen Welt Militärbasen. Ich kann mich erinnern, in einem der Brunetti-Romane von Donna Leon von einer amerikanischen Militärbasis in Italien gelesen zu haben. Eine schnelle Google-Recherche zeigt das Spannungsfeld auf: die Amerikaner wollen die Basis erweitern und drohen mit Abzug der Truppen, sollten sie die Genehmigung nicht erhalten. Um keinen wirtschaftlichen Schaden zu erleiden, stimmen die Verantwortlichen zu (Bericht dazu im Online-Standard). Ob der Ausbau tatsächlich durchgesetzt wurde, kann ich jedoch auch durch ausführlichere Recherche nicht herausfinden. Offenbar fiel diese Angelegenheit in mehrere Regierungswechsel zwischen Prodi und Berlusconi (Europa im Blick). Interpretiert man diese Angelegenheit mit dem Wissen aus diesem Buch, darf man annehmen, dass Amerika aufgrund der massiven Proteste seine Soldaten anderswo angesiedelt haben dürfte.

Zudem wurden über CIA-Operationen in Chile und Saudi-Arabien auch direkt Waffen an Bagdad geliefert. Von 1986 bis 1989 wurden rund 73 Lieferungen abgewickelt, die unter anderem Bakterienkulturen zur Herstellung von waffenfähigem Anthrax, moderne Computer und Ersatzteile und Ausrüstungen für die Reparatur von Flugzeug- und Raketentriebwerken enthielten. Als der UN-Sicherheitsrat mit der Resolution 1441 den Irak im Dezember 2002 zwang, ein 11.800 Seiten dickes Dossier über die Geschichte seiner Waffenprogramme vorzulegen, eilten Vertreter der Bush-Administration nach New York, um den Bericht in ihren Besitz zu bringen, bevor irgendein anderes Mitglied des Sicherheitsrates einen Blick hineinwerfen konnte.

Vieles, was der Autor hier als Fakten präsentiert, klingt so unfassbar wie die Absurditäten in „Let’s make money“ (ich denke da an die riesigen spanischen Golfplätze, die täglich bewässert werden müssen). Aber wer soll sich jemals die Mühe machen, all die Quellen zu überprüfen, die Chalmers Johnson so akribisch gesammelt hat? Selbst wenn man es versuchen würde, würde man wohl kaum Zugang zu all diesen geheimen Dokumenten erhalten, die gerade die wirklich brisanten Informationen enthalten. Wobei sich dann auch die Frage stellt: wie kam der Autor selbst zu diesen Geheimdokumenten? Woher hat er überhaupt diese Informationen über die amerikanischen Verteidigungsausgaben?

Hinzu kommt der Wunsch Washingtons, die Erdöl exportierenden Länder im Nahen Osten und Zentralasien unter seine strategische Kontrolle zu bringen und damit auch Exporte in jene auf Importöl angewiesenen Volkswirtschaften zu kontrollieren, die eines Tages der amerikanischen Weltherrschaft gefährlich werden könnten – namentlich Europa und China.

Der Wunsch Washingtons – so eine Regierung, das sind doch viele Leute, denke ich mir? Wie kann es sein, dass so viele Personen aus scheinbar gegensätzlichen Parteien alle ein gemeinsames Ziel verfolgen. Wissen diese Menschen, was sie beschließen, wenn sie die Verteidigungsausgaben der USA immer wieder erhöhen? Ist der Apparat quasi selbstständiges Leben? Könnte Obama das Militär zurückpfeifen und stattdessen die Gesundheitsausgaben erhöhen? Warum bekommt er dafür keine Mehrheit? Sozialversicherung statt Rüstung?

Der Verteidigungshaushalt Russlands, das bei den Militärausgaben an zweiter Stelle steht, beläuft sich auf lediglich 14 Prozent der Aufwendungen der USA. Man müsste die Beträge der 27 nächstgrößeren Militäretats addieren, um die Ausgabenhöhe der USA zu erreichen.

Schon vor Jahren musste ich mich dafür auslachen, dass ich die Meinung vertrat, Österreich brauche keine Abfangjäger, wir befänden uns im Zentrum der EU und sollte uns wirklich jemand angreifen, würden uns die paar Eurofighter auch nicht helfen. Die Erkenntnis, dass in Amerika und vor allem auf amerikanisches Betreiben in der ganzen Welt noch ganz andere Dinge passieren, ist schwer zu akzeptieren, wenn man sie so Schwarz auf Weiß vor sich hat. Aber können wir wirklich etwas dagegen tun?