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Kurzgeschichten Reise

Kristian Detlev Jensen – Von japanischen Brotbüchsen

Kasper lebt in Nyborg. Er hat mir mal die Schule gezeigt, wo Saybia übte, bevor die Band von einem Tag auf den anderen ihren Durchbruch hatte. Ich habe es sofort im Ohr. Dieses Vermissen wie bei einem Abschied auf einem Bahnhof. „I stay to watch you fade away“.

Ich hatte es auch sofort im Ohr. Das vorliegende Buch ist eine Sammlung von Reisereportagen, die der Autor für ein dänisches Zugmagazin geschrieben hat, ich vermute, man kann es mit dem österreichischen VOR-Magazin vergleichen (indem ich jedoch noch nie ähnlich schöne Reportagen gefunden hätte). Ich erinnere mich noch, dass mich der Titel angesprochen hatte, dass ich damals vermutlich gerade Reiselust empfunden habe (wie sie mich oft beim Lesen von Reisereportagen überkommt). Dass dann bereits in der ersten Geschichte eine Band vorkommen würde, die auch in meiner Vergangenheit eine große Rolle spielte, die ich monatelang für mich allein hatte, weil sie nicht mal in der österreichischen Alternative-Szene ankam, konnte ich nicht erwarten. Dazu gibt es eine interessante Geschichte: Saybia (der genannte Song übrigens The Second You Sleep) traten beim Forestglade Festival in Wiesen 2003 auf. Sie waren eine der ersten Bands, die spielten, der bereits anwesende Teil der Besucher war damit beschäftigt, sich für die weiteren Acts mit Bier zu stärken. Ich stand relativ einsam in der ersten Reihe direkt vor der Band. Einer der traurigsten Gigs, die ich je erlebt habe, obwohl sie trotzdem mit Engagement spielten. Atmosphäre ist halt schon wichtig bei so einem Konzert.

Einen Teil der Zuggeschichten habe ich tatsächlich im Zug gelesen (total meta), bin ja selbst öfter auf der Schiene unterwegs, obwohl in dieser Zeit gerade keine Langstreckenfahrt dabei war (meine Langstrecken beschränken sich auch meist auf Wien-Salzburg oder Wien-Klagenfurt). Der Autor schreibt so inspirierend, dass man selbst Lust bekommt, aus dem Fenster zu schauen und zu notieren, was man sieht und denkt, nur könnte man gleichzeitig nicht weiterlesen und das wäre dann auch wieder schade.

Er beschreibt auch Begegnungen im Zug, was mich sofort an die seltsame Frau erinnerte, die mich letztens im Zug nach Salzburg heimsuchte. Ich sitze eigentlich lieber im Großraumwagen, um genau diesen Zwangsgesprächen aus dem Weg zu gehen. Diesmal hatte ich jedoch eine Reservierung für ein Abteil bekommen und erfreute mich gerade an der Positivität, dass der Hund herumlaufen und sich unter der Bank verstecken kann, als diese Frau zustieg und praktisch sofort ihre ganze Lebensgeschichte ausbreitete. Sie war unterwegs zu ihrer kranken Mutter nach Italien, die wegen einer Hüftverletzung operiert werden musste und es dauerte keine 20 Minuten, da breitete sie ihre persönlichen Überlegungen zur Sterbehilfe vor mir aus …

Natürlich trifft auch hier wie bei den meisten Reisereportagen die Tatsache zu, dass die Reise im Allgemeinen beschönigt wird. Bei meiner gerade selbst absolvierten Reise (im Großen und Ganzen recht schön), traten immer wieder kleine Ärgernisse auf, die je nach Größe und Relevanz mehr oder weniger die Stimmung trüben (wir durften in Triest mit unserem Hund inkl. Maulkorb nicht im öffentlichen Bus fahren – WTF?). Solche Episoden kommen niemals in den Reisereportagen vor, es wird immer alles total schön geredet und selbst das nicht ganz so Angenehme wird beschönigt und als „Selbsterfahrung“ verkauft (siehe Klosterfasten … don’t get me started …). Andererseits machen die Reisejournalisten zweifellos nur ihren Job, sie sollen ja Reiselust verkaufen. Also darf man sich wohl nicht so mitreißen lassen. Oder man muss sich ausreichend auf die Reise vorbereiten und einen Assistenten zuhause haben, der einen bei Schwierigkeiten schnell aus der Patsche telefoniert ;-) Eine inspirierende Sammlung von Reisereportagen, die Lust darauf macht, unterwegs zu sein.

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Reise Roman

Wolf Serno – Der Wanderchirurg

Echinacea oder Roter Sonnenhut, Heilpflanze (c) Sabine Koriath/PIXELIO

Wolf Serno schickt uns auf die Reise mit dem jungen Helden Vitus von Campodios, der aus dem Kloster auszieht, um seine wahre Identität und möglicherweise seine Familie zu finden, denn er wurde als Baby vor dem Kloster gefunden. Von seinen Mitbrüdern wurde er in der Kunst der Heilkunde unterwiesen, was ihm auf seinem weiten Weg nicht nur behilflich ist, sondern sogar ein ums andere Mal das Leben rettet.

Kaum hat Vitus das Kloster verlassen, landet er auch schon im Kerker, verraten von einem diebischen Zwerg, der später in der Geschichte noch Gelegenheit haben wird, sich zu rehabilitieren (denn wirklich böse Gestalten gibt es in dieser Geschichte eigentlich kaum). Der Kerker nimmt die Dynamik aus der Geschichte, lange Kapitel berichten nur über die Gestalten, die Vitus im Kerker kennenlernt, es dauert ewig, bis er überhaupt mal zu hören bekommt, was ihm eigentlich vorgeworfen wird. Jedoch geht auch nach seiner Befreiung nicht wirklich viel weiter. Vitus hilft bei der Olivenernte und schließt sich schließlich einer Gauklertruppe an, seinem Ziel England kommt er nur sehr langsam näher. Erst gegen Ende des Buches geht auf einmal alles ganz schnell, kaum kann Vitus mit der Hilfe seiner Schiffsgenossen das Wappen identifizieren, sitzt er schon neben seinem Großonkel und lässt sich die fragwürdige Geschichte seiner Mutter erzählen.

Was historische Romane angeht, habe ich schon einige Erfahrungen hinter mir, hier muss ich leider sagen, dass ich mich lange Kapitel wirklich gelangweilt habe. Die Erzählung plätschert ohne rechte Höhepunkte dahin und da der Leser immer schon im Voraus erahnt oder sogar weiß, dass Vitus gerade wieder mal naiv in eine Falle läuft, möchte man ihn teilweise anschreien, er möge doch endlich die Augen öffnen. Ein Roman mit der Dynamik eines Kräuterpfarrers.

Ewiges Licht, scheine in unsere Herzen,
Ewige Güte, erlöse uns von dem Bösen,
Ewige Weisheit, vertreibe das Dunkel unserer Unwissenheit,
Ewige Trauer, habe Gnade mit uns,
dass wir mit unserem Herzen, unserem Verstand, unserer Seele, unserer Kraft Dein Angesicht erkennen und dass Deine unendliche Gnade uns zu Deiner Göttlichkeit führt.
Amen.

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Reise Roman Unterhaltung

Jack Kerouac – Unterwegs

Golden Gate Bridge, San Francisco (c) yogilino/PIXELIO

Ich hatte mir stille Weihnachten auf dem Land vorgestellt, wie mir bewusst wurde, als wir das Haus wieder betraten und ich den Weihnachtsbaum und die Geschenke sah und den Truthahn im Backofen roch und die Gespräche der Verwandten hörte, aber jetzt hatte das Fieber mich wieder erwischt, und das Fieber hieß Dean Moriarty, und ich war unterwegs, war wieder unterwegs.

Roadmovies haben mich schon immer fasziniert und quasi magisch angezogen. Sal Paradise zieht mit seinem Freund Dean Moriarty durch die USA und erlebt dabei allerhand Unannehmlichkeiten. Trampen scheint damals (das Buch erschien 1957) eine vielgenutzte Form des Reisens zu sein. Und wie der Buchtitel bereits suggeriert, geht es weniger ums Ankommen oder ums Reisen von einem Punkt zum anderen, sondern schlicht um die Fahrt an sich.

„Ja“, sagte ich, „fahren wir nach Italien.“ Und so nahmen wir unser Gepäck, er, mit der gesunden Hand, seinen Koffer und ich den Rest, und stolperten zur Haltestelle der Cable-Car. Gleich darauf rollten wir den Hügel hinab und ließen von der klappernden Plattform die Füße auf den Bürgersteig baumeln, zwei zerbrochene Helden der Nacht im Westen Amerikas.

Dean Moriarty bleibt einerseits eine von Sal zu einer Art Guru hochstilisierte Witzfigur, denn er kriegt sein Leben nicht in den Griff, zeugt sowohl an der Ostküste wie an der Westküste Kinder und bricht die Herzen seiner Frauen im Eilzugtempo. Das bewundern seine Freunde natürlich, aber tatsächlich ist es wohl nicht nur für die betreffenden Frauen sondern auch für Dean selbst ein Alptraum.

Dean und Sal schlagen sich durch Amerika, erst als Mitfahrer, später mit dem eigenen Auto. Sie träumen von fernen Orten, halten es jedoch nicht lange dort aus, wenn sie mal angekommen sind. Im dritten Teil schlagen sich Sal und Dean in Mexiko herum, die Feier endet im Chaos, wie die meisten Festivitäten im Leben von Dean und Sal.

Und dann verfolgt mich das Buch auch noch:

“The only people for me are the mad ones, the ones who…“ – A conversation on cool

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Reise Sachbuch

Georg Stefan Troller – Paris geheim

Rechtzeitig vor dem Paris-Urlaub hab ich diesen Spezialreiseführer fertig gelesen, obwohl ich in zwei Tagen wahrscheinlich ohnehin nicht über die üblichen Klassiker hinauskommen werde.

Abgesehn davon listet das Buch ausführlich Nachtlokale und Bordelle auf (diese könnten durchaus ein Viertel des Buches ausmachen). Allgemein liest sich das Buch etwas langweilig, die Briefmarken-Bilder machen das auch nicht besser, auf diese hätte man ohne Weiteres verzichten können. Die Einteilung nach Bezirken mag logisch erscheinen, aber der nicht mit Paris vertraute unbedarfte Urlauber dürfte wohl Schwierigkeiten haben, den Beschreibungen zu folgen.

Ein paar interessante Tipps konnte ich jedoch schon ausmachen, beim nächsten Paris-Besuch habe ich dann auch hoffentlich Zeit dafür.