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Roman

Leon de Winter – Leo Kaplan

CN: sexuelle Handlungen (inkl. graphischer Beschreibungen und Andeutungen von Kink), Erwähnung von Fäkalien, Alkohol, Gewalt


Letztens hatte ich mir vorgenommen, jeden Monat zumindest ein Buch aus dem Regal der ungelesenen Bücher zu nehmen. Und dieser Vorsatz wurde gleich in die Tat umgesetzt. Dieses Buch stand weit rechts im Regal, was dafür spricht, dass es dort schon lange steht. Trotzdem weiß ich noch, von wem ich es bekommen habe. Als ich das letzte Mal etwas von Leon de Winter gelesen habe, schrieben wir das Jahr 2011.

Glücklich – damit meinte sie: ohne Sehnsüchte, die einen ruhelos vorwärtstreiben, ohne Gelüste nach dem nicht Vorhandenen, weil sich alles, was das Verlangen befriedigen kann, in Reichweite befindet.

An einer anderen Stelle kommt diese Definition des Glücks noch einmal vor. Dort wird argumentiert, dass es „vermutlich“ möglich sei, zwei Menschen gleichzeitig von ganzem Herzen zu lieben, dass diese Liebe aber minderwertig sein müsse, weil ein Mensch sich ja immer „nach dem anderen geliebten Menschen sehnt“. Rückschluss: Wenn du zwei Menschen liebst, bist du immer eine „unganze Hälfte“. Auf diesem Liebesverständnis baut sich im Prinzip die Geschichte auf.

Der Titel„held“ Leo Kaplan ist ein alternder Schriftsteller mit Schreibblockade, der sich von Affäre zu Affäre hangelt und in Wirklichkeit einer Frau nachtrauert, die er vor mehr als 20 Jahren verlassen hat. Eine traurige Gestalt. Warum sein Leben wie ein Klischee aus dem Bilderbuch wirkt, wird der gescheiterten Liebe zu Ellen zugeschrieben. Als wäre die Lüge, die Ellen ihm damals im Affekt unterbreitet hat, und die daraus resultierende Verletzung tatsächlich ein Grund oder eine Rechtfertigung für sein mieses Verhalten.

Das niederländische Original erschien 1986. Mich beschleicht dasselbe Gefühl, das ich erst kürzlich bei Dan Simmons hatte: Dieser Protagonist und seine Geschichte sind nicht gut gealtert. Dieses Buch hat also zu lange bei mir im Regal gestanden. Vor zehn Jahren hätte mich das vielleicht noch nicht so sehr gestört.

#12in2025: 1/12

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Roman

Gerbrand Bakker – Der Umweg

Eine Frau in einem einsamen Bauernhaus in Wales. Sie richtet sich ein und entwickelt eine Beziehung zu den Tieren, die um ihr Haus herum leben, den Schafen, die scheinbar von Geisterhand die Weiden wechseln und den Gänsen, die leider beharrlich verschwinden. Einen Moment fühlte ich mich an Die Wand erinnert. Diese Geschichte ist auch einsam, aber auf eine ganz andere Art.

Die Frau bleibt nicht allein. Der Besitzer der Schafe macht ihr seine Aufwartung und bleibt unerwünscht. Ein Junge mit einem Rucksack taucht auf und bleibt – zuerst unerwünscht, Stück für Stück macht er sich jedoch unersetzbar. Seine Motive bleiben unklar. Doch in Wirklichkeit ist es die Frau, die ein Geheimnis und düstere Absichten hat.

Stück für Stück wird diese Geschichte enthüllt, ein spannend geschriebenes Puzzle menschlicher Emotionen. Ein Schicksalsschlag kann in einem Menschen Teile der Persönlichkeit wachrufen, die vorher unbekannt waren. Oder auch: ein Schicksalsschlag verändert nicht nur die Lebensperspektive sondern auch den Menschen selbst.

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Jugend Roman

Lydia Rood – Mohnkind

Es ist sehr viel fehlgeschlagen in meinem Leben. Aber es sind vor allem die kleinen Fehlschläge, die stechen, wenn ich schlafen will.

Dieses Buch habe ich in meiner Jugend unzählige Male gelesen (wie viele andere). Damals hatte ich dieses Gefühl noch nicht, dass ich ein neues Buch verpasse, wenn ich eines nochmal lese, das ich bereits kenne. Vielleicht hatte ich auch nie genug zu lesen.

Die zwölfjährige Pava erhält einen Brief von ihrer Mutter, die gestorben ist, als Pava zwischen einem und zwei Jahre alt war. In Pavas Leben spielte die verstorbene Mutter bisher keine große Rolle, ihr Vater hat längst eine neue Frau, Manon, die die Mutter von Pavas jüngerem Bruder Thomas ist. Der Brief verwirrt Pava, denn ihre Mutter präsentiert sich als verletzliche Frau, die im Leben nur eines wollte: geliebt zu werden. Gleichzeitig schreibt sie darüber, dass Eltern von ihren Kindern nichts zu erwarten haben. Eltern müssen ihre Kinder lieben, denn sie haben sie schließlich in die Welt gesetzt, wohingegen Kinder ihren Eltern nichts schulden.

Nicht nur Pava muss sich mit dem Brief auseinandersetzen, auch ihr Vater, Manon und Thomas werden hineingezogen in die Vergangenheit. Die Autorin beschreibt unterschiedliche Stufen von Eifersucht, Schmerz und Erinnerung. Vermutlich habe ich das Buch auch deshalb so oft gelesen, weil es trotz des traurigen Themas so leicht dahinfließt. Über den Verlust eines Familienmitglieds zu schreiben, erscheint mir als besondere schreiberische Kunst, dies dann noch für Kinder verständlich zu machen, wie eine unüberwindbare Aufgabe. Doch auch in Das Blubbern von Glück findet sich die für Kinder wichtigste Botschaft: Das Leben geht weiter. Die Erinnerung lebt weiter.

Reading Challenge: A book from your childhood