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Hong Ying – Der chinesische Sommer

Abend am Westsee (c) Walter Babiak/PIXELIO

„Welche Ehre“, sagte ich, während ich ihm zur Hand ging. „Ich glaube, Avantgardismus hat nichts damit zu tun, sich von den Erfahrungen gewöhnlicher Menschen zu distanzieren. Es ist die Zusammenfassung der Erfahrung aller unserer Leben. Erfahrung ist Besessenheit und Schwärmerei, Kunst ist Einsicht. Schwärmerei hat etwas mit Kenntnissen zu tun, Einsicht mit Weisheit. Zu Schwärmerei und Besessenheit kommst du durch Dinge und Erfahrungen, zu Einsicht durch Vernunft, mit Hilfe deines Verstandes. Die Einsicht der Kunst ist sowohl schwärmerisch als auch Ausdruck höchster Vernunft. Das ist wahre Transzendenz.“

Zwischen Politik und Männern sucht die junge Dichterin Lin Ying ihren Weg durch Peking inmitten der niedergeschlagenen Studentenunruhen des Jahres 1989. Betrogen von ihrem Freund, muss sie bei Freunden unterschlüpfen. Freizügigkeit ist verboten und doch leben die überlebenden Studenten ihre Vorstellungen aus, geschmuggelte Pornos, Alkohol und Drogen sind im Spiel. Sie alle leben den Aufbruch einer neuen Generation.

Jetzt endlich wusste ich eine Antwort auf die Frage, die mir keine Ruhe ließ und über die ich immer ergebnislos nachgedacht hatte: Wieso ich mich Hals über Kopf in die Bewegung gestürzt hatte. Natürlich – weil ich die ewige Heuchelei in dieser Welt nicht mehr ausgehalten hatte.

Einige Längen zeigen sich in den Rückblicken auf Lin Yings Familie, oft scheint die Handlung nirgendwohin zu führen, nicht alle Personen erfahren eine klare Charakterisierung. Für den mit China nicht vertrauten Leser sind nicht alle Verbote nachvollziehbar, ein Glossar erklärt Begriffe, die unklar sein könnten. Das Ende bleibt etwas unbefriedigend und abrupt. Verzichtbar.

 

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Biografie Sachbuch

Brigitte Hamann – Kronprinz Rudolf

Endlich wieder mal ein Buch fertig gelesen. In den letzten Wochen ist leider absolut nicht viel weitergegangen. Aber immerhin hab ich die Biografie noch rechtzeitig geschafft, um heute bei der Pressekonferenz zum Musical “Rudolf – Affaire Mayerling”, das im Februar im Raimundtheater Premiere haben wird, gleich im Geiste zu meckern, weil die Liebesgeschichte so vollkommen unangebracht aufgeplustert wird.

Unangebracht ist natürlich als Vokabel hier auch unangebracht. Denn die tatsächliche Geschichte, wie sie Brigitte Hamann in aller politischen Langweiligkeit beschreibt, taugt natürlich nicht zum Musicalstoff. Hier muss man natürlich auch in Betracht ziehen, wie wenig Wildhorns Jekyll & Hyde mit der Romanvorlage zu tun hat, und trotzdem ist daraus ein großartiges Musical geworden.

Die Biografie zeichnet jedenfalls ein wesentlich ausführlicheres Bild der damaligen politischen Szene als der Person Rudolf. Natürlich definierte sich der Kronprinz durch seine Ideale, natürlich kann man als Historiker nur die erhaltenen Schriften analysieren, aus dieser Sicht hat Brigitte Hamann einen hervorragenden Job gemacht.

Als Vorbereitung für das Musical ist die Biografie jedoch nur den wirklich Interessierten zu empfehlen, den Roman “Der letzte Walzer” von Frederic Morton, der die Grundlage des Musicals bildet, werde ich wohl auch noch lesen müssen. Bis Februar ist ja noch Zeit.