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Sachbuch

Luise Berg-Ehlers – Unbeugsame Lehrerinnen

Von allen ihren Ausführungen aber scheint eine kaum hinreichende Beachtung gefunden zu haben, vielleicht weil sie gleichermaßen schwer und leicht zu realisieren ist: Lehrerinnen und Lehrer können nur dann überzeugend und einfühlsam wirken, wenn sie sich an ihr eigenes Kindsein, an die Sorgen, Ängste und Freuden erinnern, die ihre Kindheit bestimmten. Oder, wie es Key ausdrückt: „Selbst wie das Kind zu werden, ist die erste Voraussetzung, um Kinder zu erziehen.“

Meine „Ferien“ wollte ich unter anderem dazu nutzen, etwas Sekundärliteratur – in unterschiedlichen Richtungen mit meinem Thema verwandt – zu lesen, um so den Horizont und den Umfang besser erfassen zu können. Möglichkeiten dafür gibt es ohne Ende.

Dieser Band befasst sich mit Frauenpersönlichkeiten in der Geschichte des Lehrens. Wenig überraschend dabei ist, dass sich Frauen, die Lehrerin sein wollten, oft in irgendeiner Form mit der Gesellschaft auseinandersetzen mussten. Erst im 19. Jahrhundert war es für Frauen möglich, einen Universitätsabschluss zu absolvieren. Bildung ist ein zentrales Element für Freiheit, oft waren es Lehrerinnen, die für die Rechte der Frauen und Mädchen kämpften und diesem Kampf ihr Leben widmeten. Ein interessantes Detail ist etwa, dass Frauen als Lehrerinnen in Deutschland lange Zeit zur Ehelosigkeit gezwungen wurden. Mit der Heirat verloren sie ihre staatliche Stelle als Lehrerin – als verheiratete Frau brauchten sie im Verständnis der damaligen Zeit nicht mehr zu arbeiten.

Und wenn eine Lehrerin wie Tagrid Yousef an einer Schule arbeitet, die zahlreiche Jugendliche mit Migrationshintergrund besuchen, dann wird sie zu einem Rollenvorbild für all jene Mädchen, die noch ihren Weg zwischen den Welten finden wollen, wie es die junge Tagrid einst erfolgreich tat.

Einen wichtigen Punkt stellt die Vorbildwirkung dar, die Lehrerinnen speziell für Mädchen immer einnahmen und auch heute noch einnehmen. Schon mit Erzieherinnen im Kindergarten aber noch mehr später mit Lehrerinnen in der Schule verbringen Kinder große Mengen an Zeit. Sie prägen entscheidend, wie sich ein Kind in der Gesellschaft wahrnimmt und sind für viele Kinder die erste Bezugsperson außerhalb der Familie.

Im letzten Kapitel befasst sich die Autorin mit der Rolle der Lehrerin oder Erzieherin in Literatur und Film. Die Beschreibung des Lehrpersonals in Harry Potter (und anderer bekannter Figuren wie Mary Poppins) fand ich persönlich etwas plump geraten. Allerdings lassen sich hier Parallelen zu den Erziehungsmetaphern finden und die Rollen analysieren, die Lehrerinnen von den Medien und damit der Gesellschaft zugeschrieben werden. Frauen generell unterliegen ja unterschiedlichsten Erwartungen der Gesellschaft, für Lehrerinnen gilt das noch in besonderem Maße, da sie eine offizielle Vorbildwirkung für ihre Schützlinge haben. Der Lehrberuf ist damit nicht nur bloß ein Arbeitsplatz sondern eine Berufung, die nicht jeder ausfüllen kann.