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Memoir

Lisa Brennan-Jobs – Small Fry

Aufmerksam geworden bin ich auf dieses Stück Lebensgeschichte wieder mal durch Artikel auf LitHub: Das Titelbild wurde unter die besten Buchcover des vergangenen Septembers gewählt, es gab aber auch einen eigenen Artikel über den Entwicklungsprozess des Covers. Solche Artikel lese ich auf LitHub immer wieder gern, sie geben interessante Einblicke in einen kreativen Prozess, der den Inhalt des Buches mit einer grafischen Gestaltung verbindet.

What did I want? What did I expect? He didn’t need me the way I needed him. A dark and frightening loneliness came over me, a sharp pain beneath my ribs. I cried myself to sleep, the tears turning cold and pooling in my ears.

Die Autorin ist die Tochter von Apple-Gründer Steve Jobs. In ihrem Buch beschreibt sie ihre Kindheit, zuerst die frühen Jahre, die sie mit der alleinerziehenden Mutter verbrachte, immer wieder hart an der Kante zur Armut stehend, und später das Zusammenleben mit ihrem Vater, seiner neuen Partnerin und deren gemeinsamen Kindern. Über allen Begebenheiten schwebt stets das brennende Verlangen eines Kindes, dazugehören zu wollen, sich angenommen zu fühlen, um seiner selbst willen geliebt zu werden, ohne sich diese Liebe erst verdienen zu müssen.

So schreibt sie über ihre Mutter (in den Augen einer Teenagerin ein peinlicher, emotionaler Hippie):

I didn’t want my father to think I was anything like her. If he did, he might not want me.

Und später über den Vater und die neue Familie:

My mother already loved me. Even when she screamed at me, I knew it. I wasn’t so sure about them.

Über die exzentrische Persönlichkeit Steve Jobs wurde bereits zu seinen Lebzeiten viel geschrieben. Manche Eigenheiten, Verhaltensweisen gegenüber der Familie, werden in diesem Buch auch thematisiert. Es wird aber sehr deutlich, dass es nicht darum geht, den reichen, abwesenden Vater als unsensibles Monster abzustempeln. Es gibt eher einen Einblick in die komplexe Beziehungswelt einer Patchwork-Familie und die Mechanismen und Dynamiken, die sich in solchen Familienkonstellationen entwickeln können wie zum Beispiel Rivalität zwischen den Elternteilen um die Aufmerksamkeit des Kindes.

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Roman

Ela Angerer – Bis ich 21 war

Meine Eltern haben nie ein Boot besessen. Die Szene auf dem Foto sieht nach Glück aus. Nach dem Glück fremder Leute, bei denen wir zu Gast sind.

Über ein Interview im Wiener-Magazin war mir dieses Buch aufgefallen, natürlich habe ich wieder mal kein genaues Zitat parat, aber in meiner Erinnerung warf das Interview die Frage auf, was der Beweggrund der Autorin war, eine derartige Kindheit in einem autobiografischen Roman zu thematisieren. Über den Inhalt wurde nicht viel verraten, geheimnisvoll, perfekte Werbung irgendwie.

Die Ich-Erzählerin beschreibt ihre Kindheit mit einer desinteressierten Mutter, die einen reichen Cadillac-Fahrer heiratet und fortan nur noch an ihren Pelzmänteln und Bridge-Turnieren hängt. Die Erzählerin und ihre Schwester wachsen unter Hausangestellten, Dienstboten und Kindermädchen in einem Schloss auf. Da sie großteils sich selbst überlassen sind, suchen sie sich selbst eine Beschäftigung, die Erzählerin landet dabei bereits mit 12 Jahren in der Dorfdisco und perfektioniert Jahr für Jahr Lügen und Ausweichmanöver, um ihren steigenden Drogenkonsum zu verheimlichen.

Wenn man sich heimlich mit solchen Fragen herumschlägt, obwohl man doch eigentlich nur funktionieren will soll – zu Hause, in der Schule, beim Friseur, im Bus –, dann möchte man sein Gehirn ruhigstellen. In meinem Fall erwiesen sich die Drogen dabei als große Hilfe, wobei ich ja erst am Anfang einer langen Testphase mit den unterschiedlichsten Mitteln stand.

Als die Eltern schließlich mitbekommen, was mit der Tochter los ist, wird sie ins Internat in die Schweiz verfrachtet. Auch aus den dortigen strengen Regeln findet die Protagonistin zumindest für die Wochenenden gekonnt eine Ausflucht. Es scheint, dass einzig der fixe Rückkehrtermin jeden Sonntag Abend sie davon abhält, in eine intensive Drogensucht abzurutschen.

Nur Dinge aussprechen, für die man Worte findet. Nur Szenen festhalten, die sich ohne tieferen Sinn ereignen. So gesehen muss man alle Fotodokumente, die einem im Laufe der Zeit von Verwandten, Bekannten oder Wildfremden unterkommen, neu bewerten. Weil es immer nur um das geht, was darauf fehlt.

Was in den Rezensionen als schonungslos und offen beschrieben wird, hat mich beim Lesen eher irritiert. Die Geschichte gibt vor, die Welt aus dem Blickwinkel des Kindes zu betrachten und doch kann kein Kind dermaßen abgeklärt Risiken eingehen, ohne jemals an die Folgen zu denken.

Die Beschreibung auf Amazon enthält mehr Dramatik als das ganze Buch:

Die Eltern sind abwesend, das Personal hilflos. Mit dreizehn beginnt das Mädchen eine Affäre mit einer jungen Krankenschwester und nimmt Drogen. Das fällt sogar den Eltern auf – die Tochter kommt ins Internat und lernt dort, dass es das Böse wirklich gibt.

Dass es das Böse wirklich gibt … klingt nach Horrorschocker und verfolgt wohl auch dieses reißerische Ziel. Jedoch lenkt dies in meinen Augen eher vom wirklichen Thema des Buches ab: Allein gelassene Kinder können sich nicht entwickeln. Kinder brauchen Führung, um lernen zu können, mit den Freiheiten und Verführungen des Lebens umzugehen. Eine Anklage oder ein Aufruf?