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Milan Kundera – Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Es ist unmöglich zu überprüfen, welche Entscheidung die richtige ist, weil es keine Vergleiche gibt. Man erlebt alles unmittelbar, zum ersten Mal und ohne Vorbereitung. Wie ein Schauspieler, der auf die Bühne kommt, ohne vorher je geprobt zu haben. Was aber kann das Leben wert sein, wenn die erste Probe für das Leben schon das Leben selber ist?

Vor Jahren hatte ich dieses Buch schon einmal gelesen, meine Freundin D. war damals total begeistert davon. Ich erinnere mich noch, dass ich der Geschichte nicht viel abgewinnen konnte, an Näheres erinnere ich mich erwartungsgemäß nicht, dies lag natürlich lange vor dem Beginn meiner Lesenotizen. Heute stelle ich mir vor, dass ich damals die vielen unterschiedlichen Schichten, die dieses Buch untersucht und freilegt, nicht verstehen konnte. Speziell der politische Teil, die Frage nach der Freiheit, dass war mir als junger Mensch bestimmt zu weit weg, um es verstehen zu können. Nun hat mir der liebe Z. dieses Buch zukommen lassen, da er seine eigenen Bestände ausgemistet hat. Eine gute Gelegenheit für eine Neubetrachtung ca. 15 Jahre später.

Wir alle halten es für undenkbar, dass die Liebe unseres Lebens etwas Leichtes, etwas Gewichtloses sein könnte; wir stellen uns vor, dass unsere Liebe ist, was sie sein muss, dass ohne sie unser Leben nicht unser Leben wäre.

Der erste Teil beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Teresa und Tomas. Obwohl von Anfang an klar ist, dass Tomas nebenbei mit anderen Frauen schläft und Teresa darunter leidet, wachsen die beiden zusammen. Tiefenpsychologische Betrachtungen über Teresas Kindheit und das Verhältnis zur Mutter sowie Tomas Beziehung zur Fotografin Sabina erlauben einen Einblick, wie die Beziehung funktioniert (oder manchmal auch nicht funktioniert). Teresas Mutter wird als schamlose Bauersfrau dargestellt und für Teresas gestörtes Verhältnis zu ihrem eigenen Körper verantwortlich gemacht. Teresa selbst wiederum macht ihren Körper für Tomas Seitensprünge verantwortlich. Ihre Argumentation: Wäre ihr Körper gut genug, bräuchte Tomas keine anderen Frauen. Ihre Alpträume beschreiben diesen inneren Konflikt aus einem weiteren Blickwinkel.

Teresa hatte vor kurzer Zeit erst festgestellt, dass es nicht unangenehm war, von Karenin am neuen Tag begrüßt zu werden. Für ihn war das Aufwachen ein Moment vollkommenen Glücks: naiv und töricht wunderte er sich, wieder auf der Welt zu sein und freute sich aufrichtig.

Mit den späteren Kapiteln habe ich mir zunehmend schwerer getan. Ein dünner Handlungsfaden verbindet Sabina mit Franz. Franz hält sich für einen Gelehrten und beteiligt sich an einem Protestmarsch. Anhand der Intellektuellen, Fotografen, Filmstars wird der (Nicht-)Unterschied zwischen kommunistischem und amerikanischem Kitsch erläutert.

Dieses Lied rührt Sabina, doch nimmt sie ihre eigene Rührung nicht ernst. Sie weiß nur zu gut, dass dieses Lied eine schöne Lüge ist. Und in dem Moment, da der Kitsch als Lüge entlarvt wird, gerät er in den Kontext des Nicht-Kitsches. Er verliert seine autoritäre Macht und ist rührend wie jede andere menschliche Schwäche.

Immer wieder bereitet Kundera scheine scharfsinnigen Schlussfolgerungen über die Natur des Menschen und seine widersprüchlichen Gefühle mit ausgefeilten Gleichnissen vor. Oft kommt dann eine Pointe um die Ecke, mit der absolut nicht zu rechnen war. Es ist geschickt geschrieben und gerade beim Lesen der ersten Kapitel hat es mich mitgerissen, wie Teresa und Tomas nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander sein können. Doch letztlich ist diese Beziehung eine Anhäufung von Unverständnis und unbefriedigten Bedürfnissen. Sind langfristige Beziehungen zum Scheitern verurteilt? Franz trennt sich von seiner Frau Marie-Claude. Sabine trennt sich von Franz. Teresa und Tomas trennen sich nicht und trotzdem ist ihre Beziehung über lange Jahre immer wieder gescheitert. Der versöhnliche Schlussmoment kann auch als Kitsch verstanden werden.