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Kathleen Glasgow – Girl in Pieces

CN: Das dürfte das erste Mal sein, dass ich ein Buch in der Hand halte, das bereits eine Inhaltswarnung mitbringt:

This book contains material which some readers may find distressing, including discussions of self-harm (cutting), depression, sexual and physical assault, rape, violence, alcoholism, drug use, and suicide.


“Everyone has that moment, I think, the moment when something so … momentous happens that it rips your very being into small pieces. And then you have to stop. For a long time, you gather your pieces. And it takes such a very long time, not to fit them back together, but to assemble them in a new way, not necessarily a better way. More, a way you can live with until you know for certain that this piece should go there, and that one there.”

Während ich einen Anfang für diesen Text suche, geht mir immer wieder der Text auf dem Cover durch den Kopf, ein Blurb von Nicola Yoon: “A haunting, beautiful and necessary book”. Diese Geschichte tut weh, sie nimmt mit, sie hinterlässt Spuren. Autorin Kathleen Glasgow lässt ihre Protagonistin Charlotte durch die Hölle gehen. Mehr als einmal.

Die Erzählstruktur spiegelt in gewisser Weise Charlottes aktuellen mentalen Zustand wieder. Das Buch beginnt mit kurzen „Kapiteln“, teilweise nur eine halbe Seite, die illustrieren, wie Charlotte immer wieder nur kurz und desorientiert aus ihrem Traumazustand aufwacht. Sie findet sich in einer Klinik wieder, zusammen mit anderen Mädchen, die sich wie Charlotte selbst verletzen. Die Kapitel werden länger (und später wieder kürzer), im selben Maß wie sich Charlottes Zustand verändert.

Kurz vor ihrer überstürzten Entlassung aus der Klinik nimmt Charlotte mit einem früheren Freund Kontakt auf. Er lädt sie nach Tucson ein, wo sie vorübergehend in seiner Wohnung leben kann. Charlotte hat keine anderen Möglichkeiten. Stück für Stück erkämpft sie sich in Tucson ein neues Leben. In Rückblenden erfährt die Leser:in von Charlottes Vergangenheit, von all den grausamen und zerstörenden Dingen, die dazu geführt haben, dass Charlotte nach einem Suizidversuch in der Klinik gelandet ist.

Schließlich findet Charlotte auch Zugang zu ihrem künstlerischen Ich, das in all dem Chaos ihres Lebens keine Möglichkeit zur Entfaltung hatte. Verschiedene Mentor:innen ermutigen sie, sich nicht nur mit der Technik ihres Zeichnens, sondern auch mit ihren Emotionen auseinanderzusetzen. In ihrer Kunst lernt sie, auszudrücken, was sie früher nur durch Selbstverletzung aus ihrem Körper und ihrer Seele entlassen konnte.

Ich weiß nicht, wem ich dieses Buch empfehlen soll (und wem nicht). Mich hat es extrem berührt und ich habe das Gefühl, vielleicht ein Stück mehr zu verstehen, was Menschen dazu bringen kann, sich selbst zu verletzen. Gleichzeitig ist es in all seiner Grausamkeit ein hoffnungsvolles Buch. Charlotte ist bereits zu Beginn des Buchs an einem Tiefpunkt angelangt. Sie kämpft sich mühsam weiter. Und sammelt Stück für Stück die Teile ihres zerbrochenen Ichs wieder ein. Um schließlich ein neues Ich daraus zu schaffen. Das Buch zeigt, dass dies möglich ist, auch wenn es noch so unmöglich aussieht.

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Stefanie Sargnagel – Dicht

CN dieses Buch: Drogenmissbrauch, Obdachlosigkeit, Verwirrung, Krankheit, Tod, Suizid, sexuelle Handlungen, Gewalt
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Die Autorin war mir zuvor aus den sozialen Medien bekannt, habe mich aber nie wirklich mit ihrer Arbeit beschäftigt. Ich halte mich ja nach Möglichkeit von sozialen Medien und speziell ihren aufgeplusterten Dramen fern. Den Roman hab ich wegen eines Literatur-Geocaches gelesen und tatsächlich ist mir auch beim ersten Versuch die Lösung gelungen (das kommt sehr selten vor, irgendeine Kleinigkeit ist ja immer …).

Das Buch begleitet die Ich-Erzählerin auf ihren Streifzügen durch das Wien ihrer Jugend, bei denen sie sich in für Eltern haarsträubende Situationen bringt und doch wie durch ein Wunder niemals zu Schaden kommt. Schule ist uninteressant, konsumiert wird, was da ist. Sie beschreibt allerhand originelle Menschen und Situationen, was durchaus Unterhaltungswert hat. Einen tieferen Sinn konnte ich dem Buch jedoch nicht entnehmen. Auf der Wikipedia-Seite wird der Roman als autofiktional bezeichnet.

Autofiktion bezeichnet in der Literaturwissenschaft einen „Text, in dem eine Figur, die eindeutig als der Autor erkennbar ist […], in einer offensichtlich […] als fiktional gekennzeichneten Erzählung auftritt“.[1] Der Begriff geht auf den französischen Schriftsteller und Kritiker Serge Doubrovsky zurück, der Autofiktion als „Fiktion strikt realer Ereignisse und Fakten“ definierte.[2]

(Was vermutlich einen Kunstgriff darstellt, um eigene Erlebnisse in einem Text zu verarbeiten und aber trotzdem immer behaupten zu können, dass es ja alles nur Fiktion wäre?)