Categories
English Roman

Kate Elizabeth Russel – My Dark Vanessa

CN dieses Buch/dieser Post: Hiermit spreche ich erstmals eine ganz explizite Triggerwarnung aus. Dieses Buch handelt von einer Beziehung, die von Missbrauch, Vergewaltigung, Pädophilie und Manipulation geprägt ist. Das wird auch Thema des Blog Posts sein. Falls das ein schwieriges Thema für euch ist, solltet ihr diesen Post und dieses Buch besser auslassen.


Was für eine Geschichte … es gab einige Kontroversen um dieses Buch, die mir auf Lithub aufgefallen sind. Dabei ging es jedoch nicht direkt um das schwierige Thema, sondern konkret um einen Plagiatsvorwurf.

Das Buch wird erzählt aus der Sichtweise der titelgebenden Protagonistin Vanessa, die sich als 15-Jährige in eine „Beziehung“ mit ihrem Englisch-Lehrer begibt. Die Formulierung ist essentiell: ein wesentlicher Punkt dieses Buchs ist der, das gleichzeitig die manipulative Handlungsweise des Täters dargestellt wird, die Protagonistin selbst sich aber so sieht, als ob sie die Kontrolle hätte. Sie sieht sich nicht als Missbrauchsopfer, an einem Punkt schreibt sie über ihre Eltern, andere Betreuungspersonen und Mitschüler*innen, sie wären ausgestattet

[…] with a mind too narrow to understand anything about [our relationship].

Aus der Perspektive der Protagonistin wird gezeigt, warum sie so anfällig für den Annäherungsversuch des älteren Mannes ist. Ihre Selbstzweifel, das Gefühl, nicht dazu zu passen, falsch zu sein in der Gruppe ihrer Mitschüler*innen. Die Tatsache, dass Teenager alles tun wollen, um Anerkennung zu erhalten. Das dringende Bedürfnis, von einem Menschen als etwas Besonders angesehen zu werden.

As soon as he says this, I become someone somebody else is in love with, and not just some dumb boy my own age but a man who has already lived an entire life, who has done and seen so much and still thinks I’m worthy of his love.

Natürlich hat auch das Verbotene seinen Reiz. Als die Gerüchte schließlich zu Anschuldigungen werden, nimmt Vanessa selbst die Schuld auf sich und behauptet, die Gerüchte selbst in die Welt gesetzt zu haben, um sich interessanter zu machen (und in Wahrheit den Täter zu schützen). Nicht der Täter wird bestraft, sondern Vanessa.

This, I think, is the cost of telling, even in the guise of fiction – once you do, it’s the only thing about you anyone will ever care about. It defines you whether you want it to or not.

Nicht nur die Prägung durch diese in jeder Hinsicht unangemessene Beziehung prägt Vanessas weiteres Leben. Sie beschreibt weiters, wie es Missbrauchs- oder Belästigungsopfern ergeht, wenn sie ihre Geschichte erzählen: die Opferperspektive prägt, was andere Menschen in den betroffenen Frauen sehen. Selbst wenn sie sich selbst nicht davon definieren lassen wollen, was ihnen zugestoßen ist, haben sie keinen Einfluss darauf, dass andere Menschen sie ausschließlich als Opfer definieren.

Es ist ein Buch, das sich kritisch in Romanform mit einem sehr schwierigen Thema auseinandersetzt. Die Perspektive der Protagonistin ist dabei entscheidend. Die Leser*in kann dadurch durch die Augen der Protagonistin sehen und sich vergegenwärtigen, wie wir selbst vielleicht in so einer Situation reagiert hätten und welchen Zwängen sich ein Mädchen (und später eine Frau mit dieser Vergangenheit) auseinandersetzen muss.

Categories
Krimi Thriller

Gillian Flynn – Gone Girl

Am Ende der Lektüre war meine Meinung zu diesem Buch derart gespalten, dass ich es erst mal liegen lassen musste, weil ich einfach nicht wusste, was ich darüber schreiben soll.

Die ersten 200 (!) Seiten fand ich langweilig, ich begann ernsthaft, mich zu fragen, warum dieser Roman so gehyped wurde, bereits 2004 wurde auch ein Film dazu gedreht. Wäre das Ende nicht so massiv verstörend, wäre es interessant, zu vergleichen, ob es im Film gelingt, die lahmen Passagen zu kürzen oder interessanter zu gestalten.

Faszinierend ist die Tatsache, dass keine der beiden Hauptpersonen beim Leser sympathisch erscheinen. Einzig in den Nebenfiguren finden sich Persönlichkeiten, mit deren Entscheidungen sich der Leser auch identifizieren kann, die man auch mögen kann. Mit zunehmender Entwicklung der Geschichte zeigen die Hauptfiguren dermaßen schlechte Seiten von sich, dass man sich beim Lesen schaudernd abwendet.

Ja, die Geschichte ist extrem gut aufgebaut, jedes Detail hat im späteren Verlauf eine Bedeutung, jede Geste ist minutiös durchgeplant, um im weiteren Verlauf einen bestimmten Effekt zu erzielen. Doch am Ende legte ich das Buch dann doch weg mit dem Gefühl, gerade einer ganz dunklen Macht entronnen zu sein. Ich mag mir nicht mal vorstellen, dass es Menschen gibt, die sich solche Geschichten auch nur ausdenken. Hardcore-Psycho-Thriller mit Längen.