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Kaouther Adimi – A Bookshop in Algiers

CN: 2. Weltkrieg, Gewalt, Revolution, Kolonialismus


You will be alone; you have to be alone to get lost and see everything. There are some cities, and this is one, where any kind of company is a burden. You wander here as if among thoughts, hands in your pocket, a twinge in your heart.

Während ich darauf wartete, dass endlich das zweite Buch für unsere kleine Buchclubgruppe für mich frei würde, suchte ich nach einem Zwischenbuch, das kurz und noch dazu leicht zu lesen sein sollte. Bei der Suche nach einem Bookshop-Buch fiel mir dieses ins Auge. So leicht zu lesen war es dann gar nicht, aber dafür umso interessanter.

Auf zwei Zeitebenen wird die Geschichte eines fiktiven Buchgeschäfts in Algier erzählt. Gegründet von Edmond Charlot im Jahr 1935 wurde das Geschäft und der Verlag ein Ort der Zusammenkunft für Literat:innen und freie Denker:innen der damaligen Zeit. Der echte Edmond Charlot hat zwar einen Verlag gegründet, das Buchgeschäft ist aber soweit ich herausfinden konnte, eine Erfindung der Autorin Kaouther Adimi.

In Tagebuchform geben Charlots (fiktive) Texte Einblick in die algerisch-französische Politik vor und während des 2. Weltkriegs. Von 1830–1962 wurde Algerien von Frankreich besetzt und beherrscht. In kurzen Einträgen werden die politischen Veränderungen in dieser turbulenten Zeit beschrieben, unter anderem die Schwierigkeit, überhaupt an bedruckbares Papier zu gelangen.

Die moderne Zeitebene erzählt von der Demontage des fiktiven Orts im Jahr 2017. Protagonist Ryad kommt aus Paris nach Frankreich, um im Auftrag eines Investors das Geschäft auszuräumen und für sein neues Leben als Beignet-Shop vorzubereiten. Mit Büchern hat Ryad nichts am Hut. Das ändert sich auch im Verlauf der Geschichte nicht wirklich. Ryad lernt die Nachbarschaft und den früheren Hüter des Buchgeschäfts kennen, die im Klappentext angekündigte Veränderung (he begins to understand that a bookshop can be much more than just a shop that sells books) seiner Sichtweisen konnte ich jedoch nicht nachvollziehen.

Obwohl das Buch völlig anders war als von mir erwartet/erhofft, habe ich es gern gelesen. Auch die schwärmerischen Beschreibungen der heutigen Stadt Algier (siehe obiges Zitat) haben mir sehr gut gefallen. Letztendlich zeichnet die Autorin ein Bild eines Orts, an dem Gedanken und Wörter einen Platz haben und sich darauf eine Gemeinschaft gründet. Bücher können Menschen verändern. Und Menschen können die Welt verändern. Wenn sie sich zusammentun und an ein gemeinsames Ziel glauben. Ein hoffnungsvoller Ausblick.

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Roman

Jennifer Zeynab Joukhadar – The Map of Salt and Stars

She said to her daughter, “Every place you go becomes a part of you.” – ” But none more so than home.” Rawiya meant this more than anything else she’d said.

Zwei miteinander verwobene Geschichten werden in diesem Buch erzählt. Beide beschäftigen sich mit dem Verlauf einer Reise und trotzdem hat dieses Buch nichts von einem Roadmovie an sich. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des Mädchens Nour. Nour ist in New York geboren und aufgewachsen, nach dem Tod ihres Vaters kehrt die Familie in ihre Heimat (?) Syrien zurück und lebt in Homs, bis das Haus von einer Bombe getroffen wird. Nour muss mit ihrer Mutter, ihrem Onkel und ihren beiden Schwestern fliehen. Auf der Flucht wird die Familie getrennt und Nour zweifelt immer mehr daran, ob es für sie jemals wieder ein sicheres Zuhause geben wird.

“No one is like everybody else.“ Abu Sayeed taps the tips of his fingers to the railing. “All the stars are different, but when you look up, you see them just the same.”

Parallel wird die Geschichte des Mädchens Rawiya erzählt, die sich im 12. Jahrhundert als Mann ausgibt, um in die Dienste des Kartenmachers al-Idrisi zu treten. Nour hat Rawiyas Geschichte von ihrem Vater erzählt bekommen und hält damit die Erinnerung an ihn wach. Rawiya beweist in unzähligen Situationen ihren Mut und rettet die Expedition sowieso das Werk des Kartenmachers al-Idrisi mehr als einmal. Sie lässt sich durch nichts aufhalten und gibt nicht auf – und findet schließlich den Weg zurück zu ihrer Familie.

The farther I go, the bigger the world seems to be, and it always seems easier to leave a place than it is to come back.

Der Titel lässt eine gewisse Romantik vermuten, viele Teile der beschriebenen Flucht von Syrien bis nach Spanien sind jedoch das absolute Gegenteil. Da es sich hier um einen Roman handelt, der aus der Sicht eines Kindes erzählt wird, können wir davon ausgehen, dass die Realität der Kriegsflüchtlinge noch viel schlimmer ist, als hier beschrieben.

Es macht mich sprachlos, dass so viele Politiker nach wie vor ruhig schlafen, während täglich Menschen im Mittelmeer ertrinken, Rettungsschiffe am Auslaufen gehindert und freiwillige Helfer kriminalisiert werden. Noch immer lässt mich der Gedanke nicht los an die entfernte Bekannte, die ich nach einem Segelurlaub im Mittelmeer im Gespräch mit anderen habe erzählen hören, sie habe sich Sorgen gemacht, sie könnten auf Flüchtlingsboote treffen, denn dann müssten sie die ja auch noch mitnehmen. Gerade bei Menschen, die so viel haben, denen es in ihrem Leben an nichts fehlt, kann ich diese Haltung nicht nachvollziehen. Menschlichkeit wäre das Gebot der Stunde.