Categories
English Roman

Bernadine Evaristo – Girl, Woman, Other

CN dieses Buch: Drogenmissbrauch, Suizid, Rassismus, Misogynie, Krankheit, Vergewaltigung, Gewalt, Mord, Diskriminierung, Depression
CN dieser Post: –


Yazz knows full well that Amma will always be anything but normal, and as she’s in her fifties, she’s not old yet, although try telling that to a nineteen-year-old; in any case, ageing is nothing to be ashamed of

Seit ich dieses Buch fertig gelesen habe (was schon einige Tage her ist), fühle ich mich nicht in der Lage, einen Text zu verfassen, der dieser Ansammlung von weiblichen Lebenserfahrungen und Lebensentwürfen auch nur ansatzweise gerecht werden könnte. Mir gefällt das Episodenhafte an dieser Erzählform, die jeweils ein Kapitel aus der Perspektive einer Person erzählt. Jeweils drei Kapitel befassen sich mit Personen, die unmittelbar miteinander in Verbindung stehen (zB Frauen in Familienverhältnissen wie Mutter und Tochter wie im obigen Zitat angedeutet wird). Letztendlich führt Ammas Theaterstück als übergeordneter roter Faden dazu, dass die Verbindungen zwischen allen Protagonist:innen mit den unterschiedlichen Lebensverhältnissen deutlich werden. Trotz aller Unterschiede existiert diese Verbindung.

Es wäre unfair, einzelne Geschichten hervorzuheben aus dieser Bandbreite an unterschiedlichen Perspektiven. Es werden Frauenleben in unterschiedlichsten Beziehungsformen beschrieben, der Zeitraum im Blick erstreckt sich über mehrere Generationen. Dadurch kann auch die gesellschaftliche Entwicklung im Verlauf des letzten Jahrhunderts aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden.

Winsome likes the fact that Rachel is curious enough to know who her grandmother was before she was a mother, when she was a person in her own right, as she described it
except she never has been, first she was a daughter, then a wife and mother, and now also a grandmother and great-grandmother.

Die Suche nach der eigenen Geschlechtsidentität wird speziell im Rahmen einer Geschichte thematisiert, die auch die Notwendigkeit der Geschlechtsidentität prinzipiell in Frage stellt. Gerade diese Protagonist:in stattet die Autorin mit einem „gewöhnlichen“ Familienhintergrund aus. Sie beschreibt die schwierige Erfahrung, Fragen zu stellen in einem Forum, in dem schon die Benutzung bestimmter Formulierungen zu einem Ausschluss führen kann („people won’t tolerate ignorance on here“). Sie beschreibt den langen Lernweg, der notwendig ist, um sich von den erlernten Stereotypen und Rollenbildern zu lösen und an einen Ort zu gelangen, wo Menschen einfach Menschen sein dürfen. Und gleichzeitig wird aber auch eine Protagonist:in gezeigt, die aufgrund ihres Alters Schwierigkeiten damit hat, zu verstehen, in welchen Formen sich die Welt verändert hat („you’re expecting too much of me to even begin to understand what you’re going on about“). Gleichzeitig akzeptiert sie jedoch ihr Familienmitglied so, wie es ist. Selbst wenn wir nicht alles verstehen oder nachvollziehen können, können wir Menschen so akzeptieren und sein lassen, wie sie es wollen, ohne sie dafür zu kritisieren.

Categories
Roman

Günter Grass – Der Butt

CN dieses Buch: Mord, sexuelle Handlungen, Sodomie, Vergewaltigung, Kannibalismus, Geschlechtsorgane
CN dieser Post: –


Vasco erzählt von einem feministischen Tribunal, das in Berlin stattfinde, doch auch überregional Schlagzeilen mache. Es werde dort symbolträchtig gegen einen gefangenen Steinbutt verhandelt. Der Butt verkörpere das männliche Herrschaftsprinzip.

In meiner Schulzeit bin ich natürlich mit Die Blechtrommel in Berührung gekommen. Hätte ich jedoch ein zweites Werk von Günter Grass nennen sollen, wäre mir vermutlich keines eingefallen. Auf den Fisch bin ich durch ein Geocaching-Rätsel gestoßen. Und bin nun immer noch ratlos, was dieses Buch eigentlich aussagen will.

Grundsätzlich basiert die Geschichte auf einer Verbindung mit dem Märchen Vom Fischer und seiner Frau. Darin wird des Fischers Frau Ilsebill als gierig und maßlos dargestellt, während der bescheidene Fischer von seiner Gefährtin schamlos unterdrückt wird. Günter Grass erzählt nun anhand einer Reihe von weiblichen und männlichen Figuren (die der Ich-Erzähler über die Jahrhunderte allesamt verkörpert haben will), warum sich das so genannte männliche Herrschaftsprinzip (symbolisch verkörpert durch einen vor Gericht angeklagten Steinbutt) seit so langer Zeit immer wieder durchsetzt.

Ergeben nahmen die Frauen die Fortsetzung des männlich beschlossenen Wahnsinns hin. Und selbst dort, wo es Frauen gelang, politisch Einfluss zu gewinnen, haben sie – von Madame Pompadour bis zu Golda Meir und Indira Gandhi – Politik immer nur im logischen Streckbett des männlichen Geschichtsverständnisses betrieben, also – nach meiner Definition – als Krieg fortgesetzt. Könnte das anders werden? Jemals, demnächst, überhaupt?

Im Verlauf dieser Gerichtsverhandlung, die parallel zur Schwangerschaft der Partnerin des Ich-Erzählers (ebenfalls Ilsebill genannt) über einen Zeitraum von neun Monaten verläuft, werden Untaten von weiblichen und männlichen Protagonist*innen einander gegenübergestellt und der Einfluss des Butts (also des männlichen Herrschaftsprinzips) auf die jeweiligen Persönlichkeiten diskutiert. Teilweise wird es dabei auch grausam und grausig über das Maß hinaus, das ich normalerweise in geschriebenen Worten gut tolerieren kann (siehe Content Notice oben). Daher war ich auch froh, als ich mit diesem Buch abschließen konnte. Not my cup of tea.