CN: sexuelle Gewalt, Krieg, Mord, Abwertung von Weiblichkeit, Menschenopfer
You were given a choice and you chose. You must live by it now.
2018 gab es einen großen Hype um Madeline Miller und ihren damals erschienenen Roman Circe (meine Besprechung aus dem September 2020), der griechische Mythologie aus der Sicht der Hexe Circe erzählt, die Männer in Schweine verwandelt haben soll. Dies war jedoch bereits der zweite Roman der Autorin, ihr erster Roman The Song of Achilles ist bereits 2011 erschienen.
Meine Kenntnis der griechischen Mythologie ist sehr überschaubar. Während des Lesens fühlte ich mich immer wieder an den Film Troy (dt.: Troja) aus dem Jahr 2004 erinnert, in dem die Rolle des Achilles von Brad Pitt verkörpert wird. In diesem Film ist Achilles ein erfolgreicher Krieger, gelangweilt vom Töten und kaum interessiert an der Eroberung Trojas. Bis sein Freund Patroclus in Achilles’ Rüstung in die Schlacht zieht und dabei zu Tode kommt …
As I ran, I promised myself that if I ever saw him again, I would keep my thoughts behind my eyes. I had learned, now, what it would cost me if I did not.
Ob wesentliche Elemente der Geschichte originalgetrau erzählt werden, kann ich mangels Kenntnis der alten Geschichten nicht beurteilen. Der Autorin ist es jedenfalls gelungen, eine bekannte Geschichte mit einem vollständig neuen Hintergrund zu erzählen. Achilles und Patroclus sind hier ein Liebespaar, bedroht von der ständigen Missgunst von Achilles’ Mutter Thetis, den Prophezeiungen, die ihm entweder Ruhm und einen frühen Tod oder ein langweiliges Leben in Vergessenheit versprechen, und den Erwartungen der Gesellschaft (die eine Liebesbeziehung zwischen zwei Burschen noch tolerieren würde, jedoch erwartet, dass die Jungen irgendwann erwachsen werden, eine Frau heiraten und Nachwuchs produzieren).
As for the goddess’ answer, I did not care. I would have no need of her. I did not plan to live after he was gone.
Berührende Momente – wie zum Beispiel der alte König Trojas, der sich ins Lager der Griechen schleicht, um Achilles um den Leichnam seines getöteten Sohnes Hector zu bitten – werden in diesem Buch ähnlich erzählt wie ich sie aus dem oben genannten Film schon kannte. Viele andere Aspekte waren mir natürlich völlig neu. Gerade die Entwicklung der Beziehung zwischen Achilles und Patroclus bietet Raum für eine Erzählung, die Bereiche erforscht, die von den Mythen nicht abgedeckt werden. So entwickelt sich eine differenzierte Beziehung zwischen dem Halbgott und seinem Gefährten. Das (eigentlich traurige) Ende bietet eine Versöhnung an: das lange ersehnte Verständnis der Mutter für die Liebe ihres Kindes zu einem von ihr verhassten Sterblichen.