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Roman

Barbara Kadletz – Im Ruin

CN: Trauer, Verlust eines geliebten Menschen, Drogenmissbrauch, Krankheit, Krebs, sexuelle Handlungen


»Zeitpunkt«. Es war ganz einfach. Er musste bloß den Zeitpunkt finden. Den Moment, in dem er seine Leichtigkeit verloren hatte. Und wenn er den Moment dann erwischt hatte, würde sich bestimmt alles auflösen.

Letztens war ich endlich mal wieder in der Hauptbücherei. Meine Merkliste wird ständig länger, daher ging ich diesmal gleich mit 6 Büchern nach Hause. Das eine oder andere hat eventuell was mit Geocaching zu tun, diesmal sogar von zwei verschiedenen Seiten. Aber dazu mehr in einem späteren Post …

Auf dieses Buch war ich also auch durch einen Literatur-Geocache gestoßen. Ich hatte es lange auf der Merkliste, bisher war es immer entliehen. Zurecht, wie sich herausstellte, es ist ein ganz wunderbares Buch. Das titelgebende Lokal „Im Ruin“ ist für die Wirtin Katharina ein Zufluchtsort, in dem sie sich mehr zuhause fühlt als in ihrer Wohnung, wo sie hauptsächlich zum Schlafen hingeht. In ihrem Lokal verbringt sie die Zeit mit ihrer Freundin Sabina, die ebenfalls dort arbeitet, und ihren Stammgästen, zu denen sich schließlich der geheimnisvolle Ari (zuerst 19-Uhr-Mann genannt) gesellt.

In Rückblenden wird erzählt, wie Katharina das Ruin gemeinsam mit ihrem früheren Partner David gegründet hat. Sein Tod durch Lungenkrebs hat Katharina tief getroffen. Bis sie jedoch erkennt, dass sie das Ruin zu einem Mausoleum gemacht hat, in dem der Geist von David die Gegenwart verdrängt, vergeht einige Zeit.

Die vielen Anspielungen auf lokale Besonderheiten in Favoriten (wie zum Beispiel das Amalienbad oder der Böhmische Prater) verorten die Geschichte, die vielen popkulturellen Zitate aus Literatur und Musik geben einen zeitlichen Hintergrund und lockern die traurigen Momente der Geschichte auf.

Eine einfache „Lösung“, um über den Verlust eines geliebten Menschen hinwegzukommen, gibt es nicht, das macht auch dieses Buch klar. Es zeigt aber einige Wege auf, die nicht zum Ziel führen und warnt damit davor, die Gegenwart und Zukunft unter der Vergangenheit zu begraben. Während Katharina eine deutliche Entwicklung durchmacht, bleibt unklar, was sich durch die Freundschaft für Ari verändert hat. Sowohl seine Lebenskrise als auch deren Entwicklung sind deutlich schwammiger beschrieben als jene von Katharina. So bleibt auch am Ende offen, wie es für ihn weitergeht (zumindest im privaten Bereich). In diesem Sinne ist es ein Buch der Möglichkeiten. Möglichkeiten, die sich erst auftun, wenn wir die Vergangenheit vergangen sein lassen können – vergangen, nicht vergessen.

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Erzählung Kurzgeschichten

Peter Henisch – Baronkarl

CN: Obdachlosigkeit, Krieg, Alkoholmissbrauch, Tod, Erwähnung von Migrant:innenfeindlichkeit im historischen Kontext


Weil ich es anders gerade nicht schaffe, folgt ein Post im Telegrammstil:

  • Der Autor erzählt in diesem Buch die Geschichte des im Grätzl Favoriten zu seiner Zeit sehr bekannten Obdachlosen, der im Volksmund Baronkarl genannt wurde. Er wird als Wiener Original und als eine Art Legende beschrieben, der das Wenige, das er hatte, stets mit anderen teilte.
  • Die „Peripheriegeschichten“ um den Baronkarl und andere Originale der damaligen Zeit glänzen mit Lokalkolorit aus dem vergleichsweise früh von Migrant:innen geprägten Wiener Bezirk Favoriten. Sie vereinen Geschichten aus dem Wien der damaligen Zeit (ca. die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts inkl. Krieg und Zwischenkriegszeit) mit Beobachtungen des Autors zur Zeit der Entstehung des Buchs (Erstveröffentlichung: 1972).
  • In gewisser Weise wird in der Person des Baronkarl die „sozial verträgliche“ Obdachlosigkeit romantisiert. Ein gewisser Zynismus kann beim Lesen übel aufstoßen, wenn die Leser:in bedenkt, dass so viele Jahre später noch immer Menschen ungewollt auf der Straße leben müssen. Womit wir wieder beim Kapitalismus wären, den Rest erspar ich uns allen einfach, ich bin nicht in der Stimmung.

EDIT: Kürzlich habe ich den Matzleinsdorfer Friedhof und dort auch das Grab des Baronkarl besucht. Dabei ist dieses Foto entstanden:

ein Grab auf dem Friedhof, der Grabstein ist aus weißem Marmor mit oben einem Kreuz, das von Efeu umrankt ist, auf dem Stein steht „Baron Karl, 24.01.1882 – 13.10.1948, Er liebte die Menschen und die Freiheit“