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Radek Knapp – Herrn Kukas Empfehlungen

CN: Rassismus, Gewalt, sexuelle Handlungen

Weiter unten: Bericht über den Besuch des medizinhistorischen Museums Josephinum in Wien.


Gelesen für einen Literatur-Geocache, Parallelen entdeckt zu Alexandra Tobor – Sitzen vier Polen im Auto. Der Protagonist Waldemar, wohnhaft in Warschau, hat sich in den Kopf gesetzt, die Sommerferien „im Westen“ zu verbringen. Auf Empfehlung des titelgebenden Herrn Kukas – einer von Beginn an klar als zwielichtig zu erkennenden Gestalt, die jedoch den gesamten Verlauf der Geschichte prägt – reist Waldemar nach Wien.

Unwissend und suchend stolpert Waldemar durch das fremde Land, in dem er erst Erfolg hat, als er jede von Herrn Kukas Empfehlungen missachtet. Es lässt sich spekulieren, dass der Autor Radek Knapp in diesem Buch seine eigene Immigration nach Österreich verarbeitet bzw. zum Ausgangspunkt nimmt. Er lässt seinen Protagonisten von einer brenzligen Situation in die andere geraten, jedoch zumeist immer mit dem Schrecken davon kommen.

Ein kurzweiliger Roman, der zwischen den unterhaltsamen Geschichten durchscheinen lässt, wie einsam und verloren sich ein junger Mann in einem fremden Land, in einer unbekannten Gesellschaft fühlen kann.


CN Museumsbericht: Erwähnung von Gewalt, Ableismus, Nationalsozialismus, Rassismus, medizinische Details (inkl. Fotos von Wachsmodellen)

Kürzlich besuchte eine kleine Gruppe von Interessierten im Rahmen der 2. Hacktour das medizinhistorische Museum Josephinum in Wien. Anlass war die aktuelle Sonderausstellung „de auribus – 150 Jahre Ohrenklinik Wien“.

weißes Gebäude mit hohen Fenstern und klassizistischen Verzierungen, davor ein Brunnen mit der Statue einer Frau, die eine Schlange hält
Josephinum Wien, Gebäude aus dem Jahr 1785 im Stile eines klassizistischen Pariser Stadtpalais, entworfen von Isidore Canevale

In der spannenden Führung erfuhren wir unter anderem, dass das Josephinum von Kaiser Joseph II. 1785 als militärchirurgische Akademie gegründet wurde. Die Verbesserung des österreichischen Gesundheitssystems war ihm ein großes Anliegen. Joseph II. ließ in Florenz eine Unmenge an Wachsmodellen anfertigen, die angehenden Chirurgen als Lehrstoff dienen sollten. Die Wachsmodelle waren jedoch schon damals auch der Öffentlichkeit zugänglich, sie wurden als Kuriosität kontrovers diskutiert.

Raum mit Wachsmodellen, im Vordergrund liegt ein Ganzkörpermodell in einem Glaskasten, im Hintergrund an den Wänden sind verschiedene Modelle des Torsos in kleineren Kästen aufgereiht
Wachsmodelle in der Sammlung des Josephinums

Diese Wachsmodelle bilden heute den Kern der Sammlung des Josephinums. Sie stellen zumeist einzelne Körperteile dar, zB Schädel, Hände oder Organe. Einige Ganzkörpermodelle gehören ebenfalls zur Sammlung. Sie liegen in großen Glaskästen und veranschaulichen etwa den Verlauf des Lymphsystems im menschlichen Körper oder Muskeln und Sehnen. Die Modelle bestehen aus Wachs und müssen dementsprechend sicher und temperiert gelagert werden; laut unserer Guide-Person haben sie die Räumlichkeiten seit ihrer Lieferung nach Wien Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr verlassen. Es ist kühl im Museum, alle Fenster sind mit weißen Flächen verdeckt. Das gibt der Ausstellung eine besondere Stimmung. In den meisten Räumen stehen dekorative Kachelöfen, die vermutlich früher zur Beheizung der Räume im Winter gedient haben.

Nahaufnahme von Kopf und Oberkörper eines Wachsmodells, vom rechten Arm sind Knochen und Sehen zu sehen, der Körper liegt auf dem Bauch und scheint sich mit der rechten Hand nach oben zu stemmen
Nahaufnahme von Kopf und Oberkörper eines Wachsmodells

Wie wir im Rahmen der Führung erfahren durften, wurden die Wachsmodelle in Florenz von Künstlern gefertigt. Die Posen der Ganzkörpermodelle erinnern daher an Statuen, wie sie im Italien des späten 18. Jahrhunderts üblich waren. Sie liegen dramatisch drapiert in ihren Glaskästen, was zudem den Vorteil hat, dass je nach Pose spezifische Details des Körpers überhaupt erst sichtbar gemacht werden. Die Modelle bestehen vollständig aus Wachs, einzig die Augen sind aus Glas.

Raum mit Wachsmodellen, an der rechten Seite steht in der Raumecke ein weißer Kachelofen, er ist rund und hat unten mehr Durchmesser als oben und wirkt dadurch wie ein Türmchen
Raum mit Wachsmodellen und Kachelofen

Im Erdgeschoss widmen sich mehrere Räume der Geschichte der Medizin und vor allem ihrer Entwicklung. Von unserer Guide-Person erfuhren wir unter anderem, dass medizinischer Fortschritt oft mit Kriegen einher ging, zB wurde die plastische Chirurgie nach dem 1. Weltkrieg entscheidend weiter entwickelt.

Auch im Rahmen des 2. Weltkriegs wurde Forschung betrieben, damals jedoch zumeist unter grausamsten Umständen. Wir stehen in einem Raum, dessen drei innere Wände von Kästen bestellt sind. In den Kästen sind große, leere Gläser zu sehen. Sie dienten damals zur Aufbewahrung von Gehirnen ermordeter behinderter Menschen. Den Beschriftungen der Gläser ist zu entnehmen, dass die Forscher*innen versucht haben, die wahrnehmbaren körperlichen Behinderungen der Forschungsobjekte mit dem Zustand ihres Gehirns zu vergleichen und damit zu erklären. In Wien passierte dies in der Klinik Steinhof, die Abteilung für Kinder und Jugendliche wurde damals „Am Spiegelgrund“ genannt. Heute befindet sich am Steinhof unter anderem eine Gedenkstätte für die Opfer der NS-Medizinverbrechen.

Ausstellungsraum, im Hintergrund der im Text beschriebene Schrank mit leeren Gläsern, vorne ein Glaskasten, in dem eines dieser Gläser mitsamt seiner Beschriftung in den Vordergrund tritt
Ausstellungsraum mit leeren Gläsern, die während der NS-Zeit zur Aufbewahrung von Gehirnen ermordeter Menschen dienten

Erst zum Ende der Führung gelangten wir zur Sonderausstellung, die leider ziemlich klein ist. Ein Raum befasst sich mit der Gründung der weltweit ersten Ohrenklinik in Wien im Jahr 1873. In der Dauerausstellung sind Ausstellungsstücke, die mit der Ohrenklinik in Zusammenhang stehen, mit einem roten Sticker gekennzeichnet. In Folge der Gründung besuchten Ärzte aus der ganzen Welt die Ohrenklinik, um von den hier ansässigen Spezialisten zu lernen. Auch die Entwicklung von vielen Hörunterstützungen geht auf die Forschung an der Wiener Ohrenklinik zurück. Das heute weit verbreitete Cochlea-Implantat beruht unter anderem auf der Arbeit von Ingeborg und Erwin Hochmair in Österreich.

eine Wand mit mehreren Schaukästen, rechts oben ein Ohrenmodell in einem goldenen Rahmen, bei dem deutlich die Hörschnecke zu erkennen ist
Modelle aus verschiedenen Epochen, die die Funktionalität des Ohres illustrieren sollen

Auch die Gehörlosenbildung in Österreich geht auf Joseph II. zurück. Mit dem Taubstummeninstitut, nachdem heute die Taubstummengasse benannt ist, gründete er das erste Bildungsinstitut in Österreich für gehörlose Kinder.

Von der Sonderausstellung hatte ich mir tatsächlich etwas mehr erwartet. Für jene, die die Dauerausstellung des Josephinum bereits kennen, lohnt sich ein Besuch nur wegen der Sonderausstellung vermutlich nicht. Als Gesamtpaket auch mit der Führung durch das Museum war unser Besuch aber sehr interessant, gerade durch die Führung haben wir viele Details erfahren, die auf den Schautafeln nicht unbedingt erwähnt sind. Für mich ein gelungener Museumsbesuch zu einem Thema, mit dem ich mich vorher noch nicht befasst hatte.