CN: sexueller Kindesmissbrauch, Essen (viel nicht-pflanzliches Essen)
Zur obigen Inhaltsinformation möchte ich ergänzen: Das Buch beginnt mit der Beschreibung einer schwierigen Kindheit, neben der Missbrauchserfahrung fehlt auch ein liebevolles Verhältnis zu den Eltern (die Mutter kalt und distanziert, der Vater unbekannt und abwesend). Der Großteil des Buchs beschreibt dann aber, wie sich die erwachsene Protagonistin von dieser Kindheit löst und zu sich selbst findet. Das hat mich mit dem bedrückenden Beginn der Geschichte versöhnt. Zuerst hätte ich das Buch fast weggelegt, weil ich zu diesem Zeitpunkt einfach dringend etwas Eskapismus und Komfort brauchte.
Der von mir erhoffte Eskapismus findet sich ab dem Kapitel 4, in dem die Protagonistin Stella in einem kleinen Laden in Paris ein Vintagekleid findet, das ihren weiteren Lebensweg verändern soll (eigentlich findet sie das Kleid in Kapitel 2, aber danach kommt noch eine Rückblende in die oben erwähnte schwierige Kindheit). Ab diesem Zeitpunkt ist das Buch voll von sinnlichen Erfahrungen und Begegnungen mit interessanten Menschen. Die Autorin lässt ihre Erfahrungen als Gastrojournalistin in die Beschreibung der vielen außergewöhnlichen Mahlzeiten einfließen. Ihr Memoir über ihren Aufstieg von der Rolle als Restaurantkritikerin zur Gestalterin eines renommierten Food-Magazins habe ich gern gelesen.
In diesem Roman verzichtet sie (fast) vollständig auf zu oft gelesene Winkelzüge und bringt ihre Protagonistin Stella in Kontakt mit vielen interessanten Menschen (darunter Zeitzeugen wie James Baldwin und Allen Ginsberg). Als Kulisse dient das Buchgeschäft Shakespeare & Company. Noch spannender sind aber ihre erfundenen Figuren wie der gutherzige Jules Delatour oder der spröde Chef Django. Die aufwändige Suche nach der nahezu vergessenen Malerin Victorine-Louise Meurent bildet den Hintergrund für viele Exkursionen und Streifzüge durch das Paris der 1980er-Jahre.