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Roman

Lida Winiewicz – Späte Gegend

CN: Gewalt, Armut, Krieg, Verarbeitung von Tieren


Man hat ja nicht viel verlangt, Arbeiten, Essen, gesund sein, sonst nichts, aber mir kommt vor, das ist gar nicht „nichts“, das ist viel, und die wenigsten Menschen kriegen’s.

Wieder mal ein Buch, das mir wegen eines Literatur-Geocaches zugeflogen ist. Bei diesem Rätsel hatte ich länger gebraucht, bis ich die Autorin ausfindig machen konnte, und das obwohl mir der Name bekannt war, weil sie vor einigen 22 (!) Jahren bei den Stockerauer Festspielen mitgewirkt hat. Damals (2001!) schrieb Lida Winiewicz Libretto und Songtexte für die Eigenproduktion Time Out, eine moderne Adaption des Klassikers Cyrano de Bergerac.

In diesem Buch hingegen erzählt sie die Lebensgeschichte einer einfachen Frau. Bereits als Kleinkind muss sie auf dem Bauernhof ihrer Eltern mithelfen („Knöpferlnähen war Kleinkinderarbeit“), die Schule muss sie früh abbrechen, weil ihre Arbeitskraft gebraucht wird, um die Familie zu erhalten. Sie erzählt von ihren ersten Dienststellen, wo sie als Saudirn unterkommt, unmenschliche Arbeitsbedingungen und schlechte Behandlung durch die Wirtin ertragen muss. Die jetzt alte Frau, die die Geschichte im Rückblick erzählt, ist jedoch nicht verbittert über ihren Lebensverlauf. Sie nahm damals und nimmt noch heute ihr Los mehr oder weniger als gegeben hin.

Immer wieder betont sie, was sie damals alles „nicht verstanden“ hat: Die Menstruation zum Beispiel traf sie völlig unvorbereitet, nahezu atemlos erzählt sie, dass sie erst Jahre später von ihrem Ehemann aufgeklärt wurde. Aber nicht nur Wissen über den eigenen Körper, auch Vorgänge in der Welt außerhalb ihres Bauernhofs bzw. ihres Dorfs bleiben ihr stets ein Rätsel.

Wir haben uns nicht gefreut, obwohl wir fast nichts gewusst haben über den Hitler, außer dass er aus Braunau war, dass er die Juden nicht gemocht hat und dass es Krieg geben wird. Warum, haben wir nicht verstanden, und es hat uns keiner erklärt.

Aus meiner heutigen privilegierten Sicht erscheint mir dieses Leben, dass noch vor gar nicht so langer Zeit Alltag für viele Frauen auf dem Land war, wenig lebenswert. Harte Arbeit und oft nichtmal Butter aufs Brot. Und wenn ich an die vielen Kinder weltweit denke, die heute in Armut leben und sich irgendwie durchschlagen müssen, dann wird mir überhaupt ganz anders … es ist unsere Aufgabe, den Reichtum der Welt so zu verteilen, dass alle ein menschenwürdiges Leben führen können. (Hier schleicht sich schon das Buch ein, das ich im nächsten Post besprechen werde …)