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Sachbuch

Elisabeth Voß – Wegweiser Solidarische Ökonomie

Manchmal erstaunt es mich ja selbst, auf welche literarischen Abwege mich meine wirren Projektideen führen. Dieser dünne Band hat mir zwar nicht wirklich bei meiner Projektplanung weitergeholfen, aber trotzdem einige interessante Einsichten gebracht.

Es beginnt mit der Definition des Begriffs Solidarische Ökonomie. Das Leitthema ist: jeder darf nicht nur auf seinen eigenen Vorteil achten, sondern sollte so handeln, dass es für alle gut ist. Die aktuell vorherrschende Wirtschaftsweise wird als das genaue Gegenteil charakterisiert: Wenige profitieren von der Ausbeutung von Vielen. Ökonomische Ausbeutung ist die materielle Basis von Herrschaft, Ökonomie ist die materielle Basis gesellschaftlicher Verhältnisse. Bei der solidarischen Ökonomie stehen hingegen Menschen und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt: Ökonomie ist für die Menschen da (und nicht umgekehrt).

Die herrschende, an Kapitalinteressen orientierte Wirtschaftsweise ist nicht in der Lage, weltweit menschenwürdige Lebensverhältnisse herzustellen. Sie lässt sich weder unter sozialen, noch unter ökologischen, noch unter ökonomischen Gesichtspunkten rechtfertigen.

In weiteren Kapiteln werden einige Merkmale solidarischer Projekte erläutert. Nutzen steht vor Gewinn: Das Befriedigen konkreter menschlicher Bedürfnisse steht als Motiv und Antrieb hinter dem Projekt. Menschen arbeiten für sich selbst und nicht für den Profit anderer. Die Auswirkung von Privatisierungen auf die Infrastruktur werden ebenso thematisiert wie die Regionalbewegung (lokal sozial und ökologisch handeln). In loser Folge werden weiters verschiedene Projektformen mit Beispielen aufgezählt, ohne auf die zugrundeliegenden Strukturen näher einzugehen.

Denn die Fähigkeit zur Selbstorganisation aus eigener Kraft ist ein Privileg derer, die über die notwendigen materiellen und immateriellen Voraussetzungen verfügen.

Oft fehlt es gerade denen, die am meisten Selbsthilfe benötigen würden, an den Mitteln, um das auf die Beine zu stellen. Daher hat dieses ganze Mikrokredit-Konzept, wie es Muhammad Yunus etwa mit seiner Grameen Bank umsetzt, so gut funktioniert. In dem Moment, in dem die Menschen dieses winzige bißchen Kapital hatten, konnten sie sich damit selbst etwas aufbauen.

Die Vorhaben solidarischer Ökonomien sind Experimente, immer im Werden, nie perfekt. Sie sind angreifbar und gefährdet, denn der kapitalistische Markt mit seiner objektiv ökonomischen Macht und seinen subjektiv psychischen Auswirkungen stellt eine permanente Bedrohung dar. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein und aktiv gegenzusteuern.

Realistisch betrachtet wird kaum ein solidarisches Projekt tatsächlich die Weltwirtschaft verändern. Aber es muss auch nicht im kleinen Rahmen bleiben, wie etwa die Fair Trade-Bewegung in den letzten Jahrzehnten bewiesen hat. Dass das Ziel ein unerreichbares Ideal ist, sollte uns nicht davon abhalten, auf dieses Ideal hinzuarbeiten und auf diesem Weg die Welt ein Stück weit zu verbessern.