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Roman

Teresa Präauer – Kochen im falschen Jahrhundert

CN: Andeutung sexueller Handlungen (keine grafischen Beschreibungen), Essen (inkl. Tierprodukte), Alkoholkonsum


Zwei Anläufe habe ich gebraucht, obwohl das Buch weder lang, noch langweilig, noch schwierig zu lesen ist. Trotzdem ging mir im Dezember einfach die Luft aus, es waren einige Tage, wo ich abseits der Erwerbsarbeit für nichts Konzentration übrig hatte. Und dann ist mir beim zweiten Lesen auch wieder der Großteil meiner Notizen verloren gegangen. Etwa bei der Hälfte konnte ich das Buch in der Onleihe-App nicht mehr öffnen (es bleibt beim Öffnen einfach beim Spinner hängen). Daher musste ich zum externen Reader wechseln und habe nun wieder nur Notizen zur zweiten Hälfte des Buchs. Was schade ist, weil ich viele Zitate notiert hatte, mit denen ich mein Verständnis des Buchs untermauern wollte …

Nachdem gleich mehrere Bloggerinnen, deren RSS-Feeds ich regelmäßig lese (Links folgen weiter unten), dieses Buch erwähnt hatten, war mein Interesse geweckt. Und dann konnte ich zuerst absolut gar nichts damit anfangen. Eine namenlose Gastgeberin bereitet eine Dinnerparty vor; in ihrer (nicht mehr ganz) neuen Wohnung möchte sie erstmals Gäste empfangen und fühlt sich dabei sehr erwachsen. Diese Dinnerparty findet im Verlauf des Buches mehrmals statt mit jeweils unterschiedlichen Vorzeichen (die Gäste kommen alle bzw. teilweise zu spät, einmal kommen später ungebetene Gäste dazu). Daraus ergeben sich dann auch unterschiedliche Verläufe der Abendeinladung.

Die Gastgeberin lachte. Was sie bloß so verunsichere an diesen Einladungen. Man müsse eben in Übung kommen, sagte ihr Partner, der selbst nicht in Übung war. Auf den Bildern sehe es so einfach aus. Als würden sich alle so leicht tun mit dem Leben, mit dem Genuss, mit den Freundschaften.

Gemeinsam haben diese unterschiedlich verlaufenden Dinnerparties, das sich die Gastgeberin immer wieder im falschen Jahrhundert fühlt, dies wird durch unterschiedliche Handhabung der altmodischen (aber gleichzeitig hochqualitativen) Kochschürze zusätzlich verdeutlicht. Das Gespräch dreht sich viel zu oft darum, was man heutzutage wie sagt oder überhaupt noch sagen darf, gerade der Schweizer hat dazu immer etwas beizutragen. Daraus erklärt sich auch, dass die Geschichte in Österreich stattfindet, denn:

Man sagte hier ja selten Stuhl, man sagte Sessel, zu Sesseln und zu Stühlen. Zu Sesseln wiederum sagte man ebenso gern Fauteuil.

Die Gastgeberin hat sich einen Plan zurecht gelegt, wie sie die Schale aus Büffelhorn, die sie von einer Konferenz in Nairobi mitgebracht hat, rechtfertigen kann. Die allgegenwärtige politische Korrektheit wird dermaßen auf die Spitze getrieben, dass ich manchmal nicht sicher war, ob vielleicht doch alles komplett satirisch gemeint ist. Auch die Social-Media-Kultur der heutigen Zeit wird zelebriert (oder karikiert?) in Gestalt der Ehefrau, die den gelungenen Abend mit Hashtags wie Best Friends Forever, Foodporn und Winelovers öffentlich im Internet anpreist.

Es kam ihr so vor, als hätte der Amerikaner sie wirklich gesehen, als hätte er in ihr Artischockenherz geblickt, als hätte er all die Zweifel, die sie hegte, und die Ansprüche, die sie an sich und die anderen stellte, darin ablesen können.

Zwischen der Erzählung der verschiedenen Versionen der Dinnerparty finden sich immer wieder kurze Kapitel mit Erinnerungen an frühere Erfahrungen mit Kochen, Essen und Genuss: erste eigene Küchenausstattungen, die unterschiedliche Küche der Großmütter- und Müttergeneration und österreichische Originale wie den Pfirsich-Spritzer, den ich in meiner Jugend auch konsumiert habe.

Eines dieser Zwischenkapitel widmet sich dem Trend Food-Fotografie und besteht aus einer Aneinanderreihung von in Worte gefassten Essensfotos, es könnten die (schlecht verfassten) Alternativtexte1 eines Foodporn-Hashtags sein. Ein anderes Kapitel erzählt Essenserinnerungen aus verschiedenen Reiseperspektiven, hier zum Beispiel junge Menschen unterwegs in China:

Erzähl von dieser Reise nach China, als ihr sehr jung gewesen seid! Ihr konntet weder die Sprache sprechen noch die Schriftzeichen lesen, und es gab damals auch kein mobiles Internet. Hungrig deutetet ihr auf die Wörter in der Speisekarte eines Restaurants. Und als ihr das Essen dann serviert bekommen hattet, wart ihr euch ganz sicher, so etwas wie Krokodil, Hund oder Schildkröte zu essen.

Eingestreut werden immer wieder die Songs, mit der eine algorithmisch generierte Playlist den Abend begleitet. Das kann ebenso als Demonstration von Kultur und Kultiviertheit verstanden werden wie die immer wieder genannten Designerstücke, zum Beispiel der dänische „Esstisch, in dessen Mitte eine Vase des finnischen Designers Alvar Aalto stand“.

Die Kaltmamsell sieht in diesem Buch ein „Sittengemälde mit bestimmten gesellschaftlichen Typen“ und findet kürzere Worte für Dinge, die ich oben bereits beschrieben habe („Instagramisierung des Lebens samt Hashtags, zeitgenössische Distinktion mit Statussymbolen und Markennamen“). Gleichzeitig nimmt sie das Buch zum Anlass, über ihre eigenen Erfahrungen als Gastgeberin zu reflektieren.

Jana nimmt in ihrer Buchbeschreibung einen feministischeren Standpunkt ein und sieht in beiläufigen Details (wie dem Nicht-Ausziehen der Schuhe, das der Gastgeberin Mehrarbeit verursacht) „die volle Wucht patriarchaler Ungerechtigkeiten“. Für sie ist die Schürze ebenfalls ein wichtiges Symbol und sie verweist auf „die komplizierten Weiblichkeitsvorstellungen/-rollen, die damit verbandelt sind“ und die von der Autorin außerdem mit „Social-Media-Performativität“ verbunden werden.

  1. Ein Alternativtext ist eine Bildbeschreibung, die von Screenreadern vorgelesen wird und visuelle Inhalte so auch für blinde Menschen zugänglich macht. Hier findet ihr einen umfangreichen Leitfaden zum Schreiben sinnvoller Alternativtexte und hier eine kurze Checkliste. ↩︎