Categories
Roman Unterhaltung

Rocko Schamoni – Dorfpunks

Wir waren auf dem Weg zur anderen Seite. Fort von den geraden Pfaden, Schule, Sportverein, Tanzstunde, hin zu dem Gefühl, anders zu sein als die meisten anderen. Warum wir so waren, fragten wir uns nicht. In uns klafften wachsende Löcher, eine bodenlose Leere breitete sich aus, das Fehlen der kindlichen Geborgenheit, aufkeimende Sexualität und die absolute Ahnungslosigkeit über die eigene Identität erzeugten eine schmerzhafte Säure aus Langeweile, Angst und Ablehnung, die durch unsere Adern floss.

Mit steigendem Alter erinnert sich jeder gerne in verklärter Weise an seine Jugend. Unangenehme Erinnerungen werden verdrängt oder glorifiziert. Aus einem Konzert vor Freunden und Bekannten, das in einer großen Zerstörung endet, wird in der Erinnerung der glanzvollste Abend der Jugend.

„Dorfpunks“ ist genau das: eine glorifizierende Erinnerung. Der Leser darf sich bei den amüsanten Teenagergeschichten an seine eigene Jugend erinnern. An die eigenen Fehler, an wilde Partys, bunte Haare und Stylingdesaster. An Konzerte in Bruchbuden, die ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht und schließlich das Gefühl, dass die Jugend langsam vorbei geht.

Mit alldem machten wir uns lustig über die Erwachsenenwelt, Musikantenstadl, Hitparade, Schlager, Mainstream, Starverehrung. Wir waren keine Stars, wir waren gute Freunde mit neuen Ideen füreinander. Wir äfften die hässliche Welt nach, wir waren Müllsammler und recycelten die Splitter ihrer geborstenen Oberfläche.

Über all diesen Geschichten aus einer Jugend auf dem Dorf in Norddeutschland schwebt stets das Wissen, dass dieses Jugendleben ein Ablaufdatum hat. Lange bevor in den letzten Kapiteln schließlich die Freunde sesshaft werden und sich paarweise zurückziehen, weiß jeder, der dieses Alter hinter sich hat, dass diese Zeit schneller vorbeigehen wird, als es einem lieb ist. Wie schnell die Jugend vorbei ist, merkt man erst, wenn sie dann vorbei ist. Aber dann bleibt einem immer noch die glorifizierende Erinnerung. Manche packen sie in ein Fotoalbum, andere in einen Roman, der nicht nur Punk sondern auch die Erinnerung an sich glorifiziert.