Auf Twitter flog vor ein paar Wochen dieser Link zu einem Artikel von Andrea Diener in der FAZ vorbei. Den Titel finde ich nach wie vor übertrieben reißerisch, das Buch hat mich jedoch sofort interessiert. Zum Glück hatten die Büchereien Wien auch die englische Ausgabe (bereits 2014 erschienen!) auf Lager.
Der Autor Christian Rudder ist einer der Gründer der im englischsprachigen Raum sehr populären Dating-Plattform OKCupid. In diesem Buch zeigt er äußerst detailreich und unterhaltsam, wie man Daten analysiert und daraus Schlüsse zieht.
Schon das erste Kapitel hält für Single-Frauen nur schlechte Nachrichten bereit. Die Kurzfassung: mit steigendem Alter sinkt das Interesse des anderen Geschlechts deutlich. Christian Rudder vergleicht hier eindrucksvoll, was Männer und Frauen sagen mit dem, was sie tatsächlich tun (ein Prinzip, das immer wieder interessante Kontraste aufzeigt). Ein Beispiel: Beim Anlegen des eigenen Profils gibt jeder User an, welches Alter der gesuchte Partner in etwa haben soll. Bei (heterosexuellen) Männern zeigt sich ein eindeutiges Profil (die entsprechenden Grafiken im Buch zeigen das wesentlich besser, als ich es hier beschreiben kann). Die meisten Männer (Alter von 20 bis 50) geben an, eine Frau im Alter von 20-25 zu suchen. Für Frauen ab 40 gibt es ein interessantes Interessensfeld bei jungen Männern im Alter bis etwa 30. Wenn Frauen jedoch die 35 erreicht haben, sind sie nach diesen Angaben für alle Männer ab 30 uninteressant. Autsch. Zum Vergleich zieht der Autor heran, welche Frauen von Männern tatsächlich mittels Nachricht kontaktiert werden. Hier zeigt sich in der Grafik, dass zumeist Frauen in einem Altersbereich von –5 bis +5 Jahren des Alters des Mannes angeschrieben werden, wobei dieser Bereich sich mit zunehmendem Alter des Mannes ausdehnt. Was Männer also tatsächlich suchen, stimmt kaum damit überein, was sie angeben, dass sie suchen.
Der Autor schreckt auch nicht davor zurück, heikle Themen wie etwa Rassismus anzusprechen und zu analysieren. OkCupid bietet unter anderem die Möglichkeit, die Optik anderer Teilnehmer anhand eines Sternsystems zu bewerten. Das tabellarische Ergebnis der nach asian/black/Latina/white gestaffelten Daten zeigt unter anderem, dass Männer durchgängig Frauen bevorzugen, die ihrer eigenen Kategorie entstammen. Bei Frauen ist der Trend ähnlich, jedoch zeigen sie zweitens eine eindeutige Präferenz für weiße Männer. Als Conclusio erläutert Christian Rudder relativ ausführlich, dass selbst die modernen, aufgeschlossenen Internet-User von heute von rassistischen Vorurteilen nicht frei sind. Wir denken (und sagen) von uns, dass für uns jeder Mensch (vom richtigen Geschlecht) als Partner in Frage kommt, aber tatsächlich handeln wir dann doch nach erlernten oder vielleicht sogar genetisch vorgegebenen Vorurteilen.
It is no longer acceptable to be openly racist. In response to that pressure, there s some portion of the public who have therefore slunk away: if I can’t shout hate at some schoolchildren anymore, well, fine, I’ll just shout it at the TV. This is not the typical American. Most of us – almost all, in fact – recognize that racism is wrong. But it is still implicit in many of the decisions we make.
Anderes Thema, aber ähnliches Ergebnis: Bisexualität. OkCupid-Nutzer können beim Erstellen ihres Profils angeben, welches Geschlecht der potentielle Partner haben soll, dabei steht auch die Option bisexuell zur Verfügung. Die Auswertung, welches Geschlecht die Nutzer kontaktieren, zeigt ein völlig anderes Bild. Von allen Männern, die sich in die Kategorie bisexuell einordnen, kontaktieren 44% nur Männer, 41% nur Frauen und nur 15% kontaktieren andere Nutzer beiderlei Geschlechts. (Bei bisexuellen Frauen ist die Richtung ähnlich, jedoch nicht ganz so eindeutig.) Daraus lässt sich schließen, dass nur ein sehr kleiner Prozentsatz an Menschen Partner beider Geschlechter akzeptiert, tatsächlich zeigen 85% der Männer eine deutliche Präferenz für das eine oder das andere Geschlecht.
That said, who we say we are and how we behave are two separate things, and the latter shouldn’t automatically disqualify the former.
Neben den vielen optisch ansprechenden und gut erklärten Grafiken hat mir auch das Layout dieses Buches extrem gut gefallen. Gerade im Vergleich zu einem extrem scheußlich gestalteten Lehrbuch, das ich mir letzte Woche ausgeliehen habe, zeigt sich, wie man auch bei einem Buch das hauptsächlich aus Text besteht, mit der Auswahl der Fonts und der Gestaltung der Headlines und anderen Elemente einen komplett anderen Eindruck erwecken kann. Das Thema des Lehrbuchs interessiert mich auch, aber ich nehme es wesentlich weniger gerne zur Hand, weil es diesen altmodischen und angestaubten Look hat. Sollte für mich als Grafikerin keine Überraschung sein, fand ich aber in diesem extremen Kontrast doch bemerkenswert. Im Ganzen also ein sehr schönes und spannendes Buch mit vielen interessanten Einblicken in Statistik und Datenanalyse. Für mich bisher das Sachbuch des Jahres! Obwohl ein weiteres Buch von Oliver Sacks jetzt auch auf meiner Leseliste steht …