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Roman

Sofi Oksanen – Fegefeuer

CN: Krieg, Gewalt, Vergewaltigung, Folter, Mord, sexuelle Handlungen, sexueller Missbrauch, Prostitution


Mit diesem Buch hatte ich echt meine Schwierigkeiten. Zuerst musste ich feststellen, dass es nicht die Antworten für den Literatur-Geocache enthielt, die ich erwartet hatte. Dann fand ich die Geschichte äußerst traurig, frustrierend und schwer zu lesen. Die Handlung findet auf zwei Ebenen statt, wir lesen einerseits von der alten Aliide Truu, die allein auf ihrem Hof lebt und das Mädchen Zara aufnimmt, das plötzlich allein und hilflos auf ihrem Hof auftaucht, und andererseits von der jungen Alide Truu, die in West-Estland in einer gebeutelten Gegend aufwächst. Wäre nicht die Frage offen gewesen, wo das Mädchen Zara hergekommen ist, hätte ich vermutlich gar nicht weiter gelesen. So unsympathisch ist schon das junge Mädchen Aliide: eifersüchtig auf die Schwester, verliebt in deren Ehemann Hans, fühlt sie sich immer übersehen und nie in irgendeiner Weise wertgeschätzt.

Jetzt würde er Aliide wahrnehmen müssen. Und vor allem würde Hans endlich Liides eigenes besonderes Wesen erkennen müssen, wie fabelhaft sie die Geheimnisse der Pflanzen kannte und die Heilkunst beherrschte. […] Jetzt musste Hans das begreifen!

Zaras Schicksal ist nicht minder düster. Sie lässt sich aus ihrer Heimat in Wladiwostok weglocken, um in Europa zu arbeiten und sich Geld für ihr Studium zu verdienen. Sie landet in einem Mädchenhändlerring und wird zur Prostitution gezwungen. Auf der Flucht vor ihren Peinigern landet sie nicht zufällig auf Aliide Trus Hof: Sie ist auf der Suche nach ihrer Familie und hat ein Jugendfoto von Aliide und ihrer Schwester bei sich.

Das Ende des Buchs bilden mit dem Vermerk „Streng geheim“ gekennzeichnete Dokumente, in denen von Observationen, Spionage, Verbrechen und Agent:innen zu lesen ist. Hier kommt erneut zum Vorschein, dass Aliide sich selbst in ihrer Ehe mit Parteigänger Martin nie wirklich sicher fühlen konnte. Sowohl Martin als auch Aliide könnten selbst Spione gewesen sein, ohne voneinander gewusst zu haben. Selbst dem Ehepartner kann in einem diktatorischen Regime nicht vertraut werden.

Es muss noch ermittelt werden, ob die zu observierende Zielperson bemüht ist, geheime Informationen für das Ausland zu sammeln. Falls das so ist, wird man ihm »geheime« Desinformationen zuspielen.

Eine belastende Geschichte, über die ich auch lange nicht schreiben wollte.