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Roman

T Cooper – Some of the parts

You spend your whole life getting hurt, and out of it you hope for some grade somewhere in all that hurt. But Charlie just got more hurt. A death sentence not too far off from his life sentence. Or maybe it was all the same. I didn’t know, because nobody told me anything.

In diesem Roman lernen wir vier Protagonisten kennen, die alle Teil einer Familie im erweiterten Sinn sind oder werden. Alle diese Menschen sind auf eine Art und Weise „beschädigt“ und wissen nicht so recht, was sie eigentlich mit ihrem Leben anfangen sollen oder wie es damit weitergehen soll. Beziehungen zerbrechen oder sind schon seit langem zerbrochen, hängen den Betroffenen aber noch ewig nach. Alle Charaktere leiden an Unsicherheiten, die oft auch körperliche Schwächen als Ursachen haben.

This was her world, not one she had to fit herself into.

Die Quintessenz könnte sein: wir sind alle irgendwie fehlerhaft, aber trotzdem können wir Menschen finden, die uns so annehmen, wie wir sind. Es dauert recht lange, bis sich diese Lebensweisheit herauskristallisiert, aber bis dahin hat man sich längst in die farbenfroh gezeichneten Protagonisten verliebt.

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Krimi

Donna Leon – Die dunkle Stunde der Serenissima

Nach der schweren Kost brauchte ich zur Entspannung etwas Leichtes. Das Leichteste auf meinem Bücherregal war definitiv der letzte der geerbten Brunetti-Bände. Achtung, es folgt ein Spoiler: dass aus einer Geschichte, die sich zuerst um gestohlene bzw. ergaunerte Gemälde und andere Kunstgegenstände dreht und dabei viele geschichtliche Fäden Richtung Kriegsgeschehen aufnimmt, am Ende ein Eifersuchtsdrama wird, fand ich schon eher enttäuschend. Alle schwierigen Themen werden nur angerissen, alles bleibt an der Oberfläche. Damit bin ich jetzt definitiv durch.

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Erfahrungsbericht Sachbuch

Khaled Al-Berry – Life is more beautiful than paradise

Wenn über den Islam gesprochen wird, wissen die wenigsten Menschen, was diese Religion eigentlich ausmacht, wo sie herkommt und wie die Gläubigen leben. Ich weiß selbst beschämend wenig darüber. Wenn es dann um fundamentalistischen Islam geht, um die Menschen, die für ihre Religion in einen Glaubenskrieg ziehen, dann hört das Verständnis zumeist total auf. In unserer Gesellschaft liegt das vermutlich auch zu einem großen Teil daran, dass viele gläubige Katholiken es eigentlich nur auf dem Papier sind. Sein Leben an religiösen Vorschriften ausrichten, die über 2.000 Jahre alt sind? Für die Einhaltung von Vorschriften kämpfen, die einem das Alltagsleben erschweren, die einem Chancen zunichte machen, die darüber entscheiden können, ob man einen Job bekommt, oder nicht? Das kennt man im heutigen Katholizismus nicht mehr. Dass noch vor 1.000 Jahren die christlichen Glaubensritter auf Kreuzzüge auszogen, um die „einzig wahre“ Religion zu verbreiten, wird zumeist auch vergessen.

Dieses Buch erzählt nun also die Geschichte eines fundamentalistischen Islam-Gläubigen. Khaled Al-Berry schloss sich in jugendlichem Alter Anfang der 90er-Jahre einer Extremistengruppe an, die den fundamentalistischen Islam vertritt. Die Jama’a Islamiya formierte sich an ägyptischen Universitäten als Organisation militanter Studenten mit dem Ziel, die ägyptische Regierung zu stürzen und durch einen Islamischen Staat (auch islamische Republik, nicht zu verwechseln mit der heute bekannten Organisation Islamischer Staat) zu ersetzen.

Eine der interessantesten Stellen des Buches beschreibt den schleichenden Eintritt in die fundamentalistische Religion. Khaled Al-Berry erzählt, wie aus den Diskussionsgruppen, in denen er mit Gleichgesinnten Auslegungen des Korans und anderer islamischer Schriften diskutierte, schließlich politische Dimensionen entsprangen. Zuerst geht es nur um die Einhaltung der Vorschriften durch jeden für sich selbst. Dann geht es um die Einhaltung der Vorschriften durch alle anderen Gläubigen. Dann geht es um den Staat und dass dieser keinesfalls von Ungläubigen geleitet werden darf.

When anyone takes his first steps in the Jama’a, he cannot tell where the path begins or at what point he will find himself fully committed; everything flows seamlessly. The study circles do not discuss how to confront society, or how the state should be governed. They discuss what is forbidden and what is permitted, they discuss prayer, the rules governing fasten, the rules governing how to look at a woman and listen to music, the limits to be placed on the exposure of the body, the acts that render ritual ablutions void and those that require the ritual purification of the whole body, the proprieties to be observed when bathing and when eating.

Einen wichtigen Punkt bildet dabei auch die Rechtfertigung des Tötens, denn natürlich enthält auch der Koran eine Vorschrift, die das Töten anderer Menschen untersagt. Leider enthält er auch Passagen, die in die eine oder die andere Richtung interpretierbar sind. Fundamentalistische Gruppen verstehen es, diese Passagen so auszuwerten, dass im Kampf gegen Ungläubige und um den einzig wahren Glauben zu verteidigen, jedes Mittel erlaubt ist, wie es auch die Jama’a Islamiya in ihrem Motto verfolgte:

Fight them on until there is no more Tumult, and there prevail justice and faith in Allah; but if they cease, Let there be no hostility except to those who practise oppression.

Khaled Al-Berry erklärt in diesem Zusammenhang auch den Unterschied zwischen Töten (zu verstehen im Sinne einer Exekution als Strafe für falsches Verhalten) und Kämpfen (im Sinne eines Krieges oder eines Aufruhrs gegen das bestehende Regime):

To put the matter in a contemporary context, killing resembled the carrying out of a judicial sentence of execution, whereas fighting was an armed uprising against the ruling regime, or a war with another state’s regime.

Während eines Aufruhrs an der Universität wird der Autor verhaftet. Aus dem Buch geht nicht hervor, dass er irgendeine Form der kriegerischen oder gewalttätigen Handlung begangen hätte, er gehörte schlicht einer politischen Gruppierung an, die sich gegen das bestehende Regime auflehnte und daher von der Regierung niedergeschlagen werden sollte. Dieser Teil des Buches beschreibt Verhörmethoden, mangelnde Gerichtsverfahren, Folter in weitaus mehr Details, als ich jemals wissen wollte. Auf eine ungewisse Zeit in einem Security Camp (einer nicht näher beschriebenen militärischen Einrichtung) folgt eine ebenso ungewisse Zeit im Gefängnis – ohne Hoffnung auf Entlassung.

But the experience itself is different. Prison is a cage in which a person who has complete power imprisons another who has no protection and deprives him of the sight of the sun, of walking in the open air, of going to the toilet, or of seeing friends. … Prison likewise deprives one of his control over time and place.

Die Zeit im Gefängnis hat Khaled Al-Berry nicht von seinen religiösen Vorstellungen geheilt oder befreit, sie jedoch massiv verändert. Er beschreibt deutlich schamvoll, wie sehr ihn die schließlich wiedererlangte Freiheit verändert. Auch den titelgebenden Punkt, an dem er feststellte, dass das Leben auf dieser Erde schöner ist, mehr wert ist, als das Leben nach dem Tod im Paradies. Er verfolgt keine politischen Ziele mehr, versucht unter dem Radar zu fliegen, sein Studium abzuschließen und nicht aufzufallen. Er bleibt gläubig, lässt aber Stück für Stück von seinen radikalen Ansichten ab. Im letzten Absatz des Buches bezeichnet er sich selbst als a young man raised on illusions. Das dürfte wohl auf viele Glaubenskrieger zutreffen.

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Thriller

Trevanian – Shibumi

Weil ich noch einmal die Schreibweise des Namens des Autors nachschlagen wollte, habe ich mir gerade die Amazon-Webseite zum Buch geöffnet. Die Kurzbeschreibung der deutschen Übersetzung ließ mich stutzen:

Frankreich 1979: Der Berufskiller Nikolai Hel hat sich in ein Pyrenäenschloss zurückgezogen, um sein altes Leben hinter sich zu lassen. Da erhält er einen Hilferuf: Die junge Hannah ist auf der Flucht vor einer übermächtigen Geheimbehörde. Für Hel, der in ihrer Schuld steht, beginnt eine mörderische Odyssee um die halbe Welt, bei der er noch einmal seine tödlichen Fähigkeiten unter Beweis stellen muss.

Diese Beschreibung verzerrt die Wahrheit in meinen Augen schon sehr.

  1. Der Großteil des Buches spielt weder in Frankreich noch im Jahr 1979.
  2. Gefühlt mehr als die Hälfte des Buches erzählt die Lebensgeschichte von Nikolai Hel, bevor er überhaupt zum Attentäter wurde.
  3. Nikolai Hel fühlt sich nicht in Hannahs Schuld, jedenfalls nicht so sehr, dass er sich deshalb in ihre (bis hierher gescheiterten) Machenschaften involvieren würde. Erst als die Geheimbehörde Hannah tötet, entscheidet sich Nikolai Hel zum Gegenangriff.

So viel zu den unmittelbaren Fakten. Spannend an dieser Geschichte ist, dass der Protagonist bereits zu Beginn von den Vertretern der Mother Company als gefährlicher Attentäter geoutet wird. Trotzdem identifiziert sich der Leser Stück für Stück mit ihm, der Attentäter Nikolai Hel ist nicht der oder das Böse in dieser Geschichte. Der heutige Nikolai Hel ist ein sich selbst völlig beherrschender Mensch, der kaum Gefühle zeigt und seinen Verstand über alles stellt. In seiner Jugend von einem japanischen Lehrer in der Kunst des Spiels Go unterwiesen, wendet er dessen Spielprinzipien auch auf das Machtgefüge der Welt an.

Erst nach dem Ende hatte ich entdeckt, dass der Roman aus dem Jahr 1979 stammt und damit schon beinahe 40 Jahre alt ist. Der in leuchtenden Farben beschriebene Supercomputer Fat Boy gibt zwar einen Hinweis darauf, dass der Roman nicht dem 21. Jahrhundert entstammt, aber dass er schon so alt ist, hätte ich nicht erwartet. Rückblickend betrachtet hat die Art, wie die Geschichte erzählt ist, etwas James-Bond-Artiges, speziell die ausführliche Beschreibung der Höhlenexpedition von Nikolai Hel und seinem Freund Le Cagot könnte ich mir auch gut in einem James-Bond-Film vorstellen. Zu diesem Thema gab es übrigens eine sehr interessante CRE-Ausgabe.

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Sachbuch

Andreas Salcher – Erkenne dich selbst … und erschrick nicht

Andreas Salcher war mir aus den Medien aufgrund seiner Beiträge in den Bildungsdebatten der vergangenen Jahre ein Begriff. Dieses Buch stach mir in der Auslage einer geschlossenen Buchhandlung ins Auge und traf in diesem Moment einen Nerv bei mir. Sich selbst erkennen und dann mit sich selbst leben können, das wäre doch mal wirklich eine angenehme Entwicklung. Der Klappentext verspricht Auseinandersetzungen zu den Themen Wie man seine Freunde auswählt oder dem Dilemma zwischen Gefühl und Verstand. Schon die Einleitung holte mich dann auf den Boden der Tatsachen zurück. Der Autor beschäftigt sich hier mit dem Werk des Jesuitenprofessors Balthasar Gracián, das bereits 1653 veröffentlicht wurde. In diesem Handorakel und Kunst der Weltklugheit sammelte Gracián 300 Regeln, die sich mit den Themen Macht, Herrschaft, Gesellschaft und Disziplin beschäftigen. Andreas Salcher hat nun diese Regeln auf ihren heutigen Gehalt untersucht und dabei Erstaunliches festgestellt: viele von Graciáns Regeln sind auch heute noch sinnvoll und anwendbar.

Das Kapitel Über den Umgang mit Feinden beschäftigt sich zum Beispiel mit dem Thema, dass man seine Gegner und Schlachten klug auswählen soll. Nicht jede Nichtigkeit ist einen Kampf wert und unsere Energien müssen wir uns einteilen und für die wirklich wichtigen Dinge einsetzen.

Es ist sehr verkehrt, wenn man sich zu Herzen nimmt, was man in den Wind schlagen sollte. Viele Sachen, die wirklich etwas waren, wurden zu nichts, weil man sie ruhen ließ: und aus anderen, die eigentlich nichts waren, wurde viel, weil man sich ihrer annahm. Anfangs lässt sich alles leicht beseitigen, späterhin nicht. Oft bringt die Arznei die Krankheit hervor. Und nicht die schlechteste Lebensregel ist: ruhen lassen. (Originalzitat Gracián)

Ein für mich sehr interessanter Teil des Buches beschäftigt sich mit der Frage, wie man kluge Entscheidungen trifft. Die darin beschriebenen Modelle (etwa das jesuitische Entscheidungsmodell von Ignatius von Loyola) sehe ich für mich zwar nicht in Frage kommen, jedoch ein Zitat aus dem Fazit sollte sich jeder vergegenwärtigen, der irgendwann so etwas wie Seelenfrieden finden will:

Wir müssen uns damit abfinden, dass wir zwar nach allen Regeln der Kunst klug entscheiden können, aber trotzdem keine Garantie für den guten Ausgang erhalten werden. (Andreas Salcher)

Alles in allem bin ich nach der Lektüre dieses Buches mit meiner Selbsterkenntnis nicht besonders weiter gekommen (man könnte auch sagen, ich wäre zu faul für die nötige Erkenntnisarbeit …) aber immerhin habe ich jetzt ein neues Buch zum Thema Entscheidungen auf der Leseliste.

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Sachbuch

The Art of the American Musical – Edited by Jackson R. Bryer and Richard A. Davison

Das Thema Musical beschäftigt mich inzwischen seit etwa 20 Jahren. Gelesen habe ich zu diesem Thema seit Längerem nichts mehr, dieses Buch mit Interviews habe ich seit zwei Jahren im Regal stehen (habe extra nachgeschaut, wann ich es gekauft hatte) und irgendwie hat mich der schlichte schwarze Einband etwas abgeschreckt. Das Lesen gestaltet sich wegen des steifen Hardcover-Einbands tatsächlich etwas mühsam, der Inhalt jedoch hat mich sofort gefangen genommen.

In der schnelllebigen (Musik-)Theaterwelt sind zehn Jahre eine lange Zeit, diese Interviewsammlung wurde 2005 veröffentlicht. Die Fragen sind jedoch geschickt formuliert und entlocken den Interviewten durchaus Statements, die auch über Jahre hinweg Bestand haben. Etwa Stephen Flaherty erklärt auf die Frage, ob es nicht frustrierend sei, von Theaterkritikern, die eigentlich keine musikalische Expertise haben, Kritik für seine Kompositionen entgegennehmen zu müssen, dass es eigentlich mehr darauf ankommt, ob man seine eigenen Ideen verfolgt hat und das Beste daraus gemacht hat. Und falls das nicht gelungen sein sollte, kann man noch immer daraus lernen.

Ultimately, it comes down to you as an artist sitting with yourself and being honest about what you’re trying to achieve and whether you’ve achieved it or not – and if you haven’t how you can build upon that and learn from it.

(Stephen Flaherty)

Jason Robert Brown erzählt unter anderem darüber, wie er bewertet, welches Material Musicalpotential hat. Wenn die Krise, die Emotion, das Gefühl der Figur nicht groß genug, nicht episch genug ist, dann wirkt ein Song fehlplatziert und übertrieben und wird vom Publikum potentiell nicht ernst genommen.

Singing, ultimately, magnifies everything you’re feeling; when you sing it, it becomes epic.

(Jason Robert Brown)

In seinem Interview fand ich auch sehr interessant, wie er den Prozess des Orchestrierens beschreibt. Im Musicalbereich ist es oft so, dass der Komponist zwar die Melodien der Musiknummern schreibt, diese jedoch von jemand anderem für Orchester umgesetzt werden. Er erzählt, dass der Orchestrator aus einer Palette (ich nehme an an Instrumenten bzw. Stilmitteln) auswählt und somit den endgültigen Sound sehr prägt. Auch zum Thema Tony Awards nimmt sich Jason Robert Brown kein Blatt vor den Mund. Er spricht von einer Gruppe von Mitgliedern der Tony Award Jury, die Tourneeproduzenten sind und ihre Tony Award Votings zu ihrem persönlichen Vorteil nutzen. Für den Erfolg einer US-Tournee ist ein Tony Award ein unverzichtbares Marketinginstrument.

Arthur Laurents erzählt im Gespräch über drei fatale Probleme, die bei einem seiner Projekte zu einem Misserfolg geführt haben (und er bezieht sich dabei sowohl auf finanziellen, künstlerischen als auch persönlichen Misserfolg). Als seinen ersten Fehler bezeichnet er, das Projekt nur gemacht zu haben, weil der Produzent ein guter Freund von ihm war. Er zieht daraus die Lehre, dass es künstlerisch falsch ist, ein Projekt ausschließlich eines Gefallens wegen zu verfolgen. Sein zweiter Fehler: obwohl er lange vor der Premiere erkannte, dass es nicht funktionieren würde, zog er sich nicht aus dem Projekt zurück („I am very tenacious, I won’t quit“). Ich kann das sehr gut nachvollziehen.

The third thing is the most important of all. I didn’t care deeply about the material, and if you don’t care about anything that you’re doing creatively, you’re a fool to go on with it. It takes so much time and so much hard work that if in the end it fails, you have to be able to say, “I don’t care. I’m proud of it.”

(Arthur Laurents)

Im einem weiteren sehr interessanten Abschnitt beschäftigt sich Arthur Laurents mit dem Thema „Aktualisierung“ von Stücken. In der heutigen Zeit sehen wir immer öfter moderne Versionen der West Side Story (die ja selbst damals schon eine moderne Version der Romeo-und-Julia-Geschichte war). Laurents meint nun, man darf nicht die Geschichte aus ihrer Zeit nehmen, aber man kann den Schauspielern (bzw. ihren Rollen) eine andere Einstellung geben und damit das Gesamtbild beeinflussen:

You can’t remove a piece from the period in which it was written, but you can induce a kind of sophistication in the attitude. But I didn’t change the material; I changed the attitude of the actors. For example, in Gypsy, with the first scene where the man and the woman meet: The way I did it this time is I said to them, “Instantly, they want to go to bed together.” And that was very clear in the way they played it. You couldn’t have done that in the fifties. People didn’t go to bed; they had twin beds.

(Arthur Laurents)

Eine ähnliche Geschichte erzählt auch Charles Strouse über sein Stück Applause. Bei einer Liebesgeschichte stellt sich oft am Ende die Frage, kommt das Paar wieder zusammen oder trennen sie sich endgültig. In diesem Zusammenhang fällt mir auch My Fair Lady ein, wo im Originalstück Pygmalion von George Bernard Shaw Eliza am Ende den Professor verlässt. In der Musicalversion kommt sie jedoch zumeist zurück und bring dem Professor demütig die Pantoffeln, die sie ihm in einer früheren Szene wutentbrannt entgegen geschleudert hat. Laut Charles Strouse kann die richtige Antwort auch mit dem aktuellen Empfinden des Publikums zu dieser Zeit zusammenhängen:

We wrote the ending two ways. The original ending to Applause was that the great star says to her fiancé, “Sorry. The theater is what I love,” and dumps him. That was very true to life and very true to Bacall herself and that kind of person who is so committed. When the show started to work, the audience liked it but didn’t love it. We said, “Let’s try the sentimental ending.” So we tried the sentimental ending, which is she gets back with her fiancé and gives up the theater and gives her part to Eve. The audience leaped to its feet. It says a lot about America in the 1970s. With the revival we’re planning, we’re going to go back to the original ending. Everybody now feels very strongly that giving up th theater for love is not what a woman who is impelled to be a great star necessarily would do.

(Charles Strouse)

Über Stephen Sondheim habe ich bereits eine umfangreiche Biographie gelesen. Im Interview erklärt er unter anderem, warum seine Stücke stets außerhalb der Norm stehen, warum keines seiner Werke mit seinen anderen oder denjenigen anderer Künstler vergleichbar ist:

I think you should frighten yourself. You should try to wade into territory you haven’t waded into before. That doesn’t necessarily have to be new musical territory; it can be a new approach to the show or to the way of telling a story.

(Stephen Sondheim)

Autor George C. Wolfe beschreibt einen völlig anderen Ansatz, mit Geschichten umzugehen. Für ihn dreht sich alles um einen perfekten Moment, um den herum dann der „Rest“ der Geschichte Stück für Stück gebaut wird. Jede Szene muss darauf geprüft werden, ob sie auch mit dem perfekten Moment mithalten kann.

If you can locate a perfect moment or the moment that is close to perfect in a play, that gives you the rules for every single thing that comes before and follows after. I have very specific kinds of analytical skills – only because I’ve had so many wonderful experiences in working with so many smart people – that enable me to go to that moment and say, “Does this scene over there have the same integrity, truth, buoyancy, depth, and outrageousness as this perfect scene?” It’s important to have not just an intuitive sense, but also a craft like understanding of how it’s all connected.

(George C. Wolfe)

Ein kleiner Wermutstropfen: unter den 20 Interviewten sind nur 4 Frauen. Trotzdem alles in allem ein sehr aufschlussreiches Buch, aus dem man viel über den amerikanischen Musicalprozess und die Entstehungsgeschichten von Musicals lernen kann.

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Krimi Thriller

Gillian Flynn – Gone Girl

Am Ende der Lektüre war meine Meinung zu diesem Buch derart gespalten, dass ich es erst mal liegen lassen musste, weil ich einfach nicht wusste, was ich darüber schreiben soll.

Die ersten 200 (!) Seiten fand ich langweilig, ich begann ernsthaft, mich zu fragen, warum dieser Roman so gehyped wurde, bereits 2004 wurde auch ein Film dazu gedreht. Wäre das Ende nicht so massiv verstörend, wäre es interessant, zu vergleichen, ob es im Film gelingt, die lahmen Passagen zu kürzen oder interessanter zu gestalten.

Faszinierend ist die Tatsache, dass keine der beiden Hauptpersonen beim Leser sympathisch erscheinen. Einzig in den Nebenfiguren finden sich Persönlichkeiten, mit deren Entscheidungen sich der Leser auch identifizieren kann, die man auch mögen kann. Mit zunehmender Entwicklung der Geschichte zeigen die Hauptfiguren dermaßen schlechte Seiten von sich, dass man sich beim Lesen schaudernd abwendet.

Ja, die Geschichte ist extrem gut aufgebaut, jedes Detail hat im späteren Verlauf eine Bedeutung, jede Geste ist minutiös durchgeplant, um im weiteren Verlauf einen bestimmten Effekt zu erzielen. Doch am Ende legte ich das Buch dann doch weg mit dem Gefühl, gerade einer ganz dunklen Macht entronnen zu sein. Ich mag mir nicht mal vorstellen, dass es Menschen gibt, die sich solche Geschichten auch nur ausdenken. Hardcore-Psycho-Thriller mit Längen.